Armin Göhringer im Internet: | Website: | www.armin-goehringer.de
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Aktuelle Ausstellungen und Projekte von Armin Göhringer
- 75. Jubiläums-Kunstausstellung bei Peter RenzJürgen Knubben, Armin Göhringer, Peter Rentz | 09. – 24.11.2024 | Galerie Peter Rentz, Schramberg
- geschichtet – gestapeltgeschichtet – gestapelt | 02.03. – 07.04.2024 | Skulpturenfeld Werner Wohlhüter Josef Bücheler |Angela M. Flaig | Armin Göhringer | Ursula Haupenthal | Jürgen Knubben | Karl Manfred Rennertz | Alf Setzer | Manuela Tirler u.a.
- „beziehungsweise“Armin Göhringer | mit Lea, Jonas und Petra Göhringer“ | 08.12.2023 – 09.02.2024 | Kunstverein Offenburg
Sprache im Zwischenraum – über Armin Göhringer
“Sein ganzes Leben lang war er Fischer gewesen, hatte mit der Kraft seiner Schultern und mit seinem Bauch als Gegengewicht die Netze eingeholt, und gestorben war er, wie er geboren wurde: auf dem Fluß.“
(T. Coraghessan Boyle; World’s End)
Ein ganzes Leben in einem einzigen Satz. Mit dieser haarsträubenden Geschwindigkeit kann Boyle, der in diesem Punkt an Kleist erinnert, schreiben aus einer Fülle an Erzählstoff, die unendlich zu sein scheint und daher dieses Tempo verlangt.
Armin Göhringers Skulpturen dagegen strahlen Ruhe aus, scheinen mir aber ihre Kraft aus einer ähnlichen Fülle zu schöpfen – aus der ganzen Natur vielleicht, aus der sie auch unmittelbar ihr Material beziehen. Lyrisch erscheinen mir einige von Göhringers Skulpturen; andere wie bildgewordene Erzählungen, Lebensgeschichten vielleicht.
Der Zusammenhang zwischen Bild und Sprache interessiert mich schon lange und wir wollen versuchen, anhand der Kunst von Armin Göhringer hierüber nachzudenken.
Kennengelernt habe ich Armin Göhringer, dessen Arbeiten mir aus Katalogen schon recht vertraut waren, auf dessen Vernissage in der Galerie Alfred Knecht Ende November 2003.
Im Juni endlich besuche ich Armin Göhringer in seinem Atelier in Nordrach im mittleren Schwarzwald; beim Spaziergang durch den Skulpturengarten ertappe ich mich mehrmals beim Umblicken, ich dachte, jemanden gesehen zu haben, so lebendig wirken die Skulpturen, die eine intensiv sinnliche Ausstrahlung auf mich haben.
Ein wenig überrascht bin ich dann, als mir der Künstler diese Arbeiten in druckreifen Worten routiniert erklärt mit seinem fast schon wissenschaftlich klingenden theoretischen Ansatz, den ich hier zitiere aus seiner Vernissagerede in Regensburg 2001 (gedruckt im Katalog „Lichtlöcher“, 2003.)
„Es ist nicht die Schraffur oder die Kreuzschraffur im üblichen Sinne, das Übereinanderschichten, Verdichten und Konzentrieren von Linien, nein, es ist das Aufsägen von konträren Linienführungen auf zwei verschiedenen Seiten eines Körpers. Linien, die Material entfernen und somit die Figur öffnen, und dies von zwei Seiten. Durch diesen Vorgang ergibt sich ein zwangsläufiges Zusammen treffen der Linien im Körper und somit eine neue sichtbare Form. Öffnung, Durchbruch, Lücke, Luft, Leere.
Die senkrechte Linie, Symbol für das Aufrechte, Verbindungslinie zwischen Himmel und Erde, Metapher für Entwicklung und Fortschritt, für positives Streben und Kraft, bewusst gesägt, gefurcht, wie mit dem Lineal gesetzt, aufgereiht, wie ein mechanischer Fächer, exakt, durchdacht, notwendig um zu überleben.
Dagegen die waagrechte Linie, Schnittstelle zwischen Himmel und Erde, Horizont fürs Auge, Symbol für Stille und Ruhe, die Horizontale als Endpunkt, spielerisch, fast lustvoll geprägt, ohne tiefes Nachdenken, aus dem Bauch heraus entstanden.
Neue Formen entstehen, Töne, die dazwischen liegen, losgelöst vom Material, freie Räume, getragen von den Kraftlinien, die sie umschließen. Ist dies nicht ein gemaltes Bild unseres Lebens, unserer Ambivalenz, ja unserer Zerbrechlichkeit.“
„Ist dies nicht ein gemaltes Bild unseres Lebens“, schreibt Göhringer und charakterisiert damit seine Skulpturen in einer Art doppelter Metapher. Metaphern wiederum sind ja sprachlich geschaffene Bilder.
Immer wieder wird ja Kunst begriffen als eine eigene Sprache; analog zu der Sprache, die wir sprechen, aber doch von dieser grundlegend unterschieden. Ich selbst gehe davon aus, daß Kunst sozusagen dort erst beginnt, wo die Ausdrucksmöglichkeiten der normalen Sprache aufhören; eine Übersetzung von Kunst in Worte wäre somit nicht möglich; ein Bild, dessen Inhalt vollständig und gut verbalisierbar ist, ist in diesem Paradigma keine Kunst, zumindest keine gute.
Zu diesem Thema finde ich im selben Katalog ein Zitat von Markus Eisele:
„Erinnerung ist innen, sie gleicht einem geschlossenen Block gewachsener Einzelheiten. Wenn ich Erinnerungen aus diesem gewachsenen Holzblock meiner Vergangenheit sichtbar machen will, muss ich ihn aufschneiden. Dies ist es auch, was eine Kettensäge an einem Holzblock zunächst einmal zu vollbringen vermag: Verletzung. Wer Erinnerung mitteilt, spricht notwendig von Verletzungen.Sind vielleicht die Verletzungen das eigentlich Unaussagbare, das als Zwischenraum unserer sagbaren Erinnerungen unser eigentliches Wesen ausmacht?“ Eisele entwickelt hier eine Art Analogie zwischen dem, was Kunst ausdrückt und dem, was Sprache eben nicht ausdrücken kann, wobei er diesen Bereich dennoch zu benennen vermag: als Erinnerung.
Dem möchte ich zustimmen, jedoch nur unter einer deutlichen Erweiterung des Begriffs Erinnerung in Richtung der ja auch visionären Mimesis. Wenn Erinnerung auch das einschließt, was wir hoffen, einschließt, was möglich ist und was vielleicht gewesen sein könnte, dann ist der Zwischenraum unserer sagbaren Erinnerungen womöglich der Kommunikation des Geistes (im Hegelschen Sinne) vorbehalten.
Analog dazu stimmt mir Armin Göhringer zu, als ich das Bearbeiten des Materials, konkret das Ziehen waagrechter Linien mit der Kettensäge, als Kommunikationsprozeß bezeichne, bei dem das handelnde Subjekt, der Künstler also, das Material in seiner wechselnden Beschaffenheit und auch das Werkzeug beteiligt sind. „So ergibt sich für mich, dass das Wichtige in der Kunst nicht das Optische alleine ist, also das, was wir sehen, sondern auch der Prozess des Spürens, des Fühlens, Empfindens und Nachdenkens.“ (Armin Göhringer; Vernissagerede in Regensburg 2001)
Kunst ist vielleicht Teil eines umfassenden Kommunikationsprozesses – der Selbstvergewisserung des Geistes.
Wenn wir die Aussagen von Göhringer und Markus Eisele verbinden und eine Analogie entdecken zwischen dem Unsagbaren als Zwischenraum unserer sagbaren Erinnerungen und den Zwischenräumen, den Verletzungen im bildhauerischen Werk, so könnten wir die Kunst zu begreifen versuchen als eine
Sprache im Zwischenraum.
Jürgen Linde im Juli 2004