Respekt – über Jana Grzimek

Dass Jana Grzimek Künstlerin ist, wusste ich sofort, als ich sie kennenlernte auf einer Vernissage in der Galerie Alfred Knecht im Oktober 2002. Aufgefallen ist sie mir dort auch, weil sie einen Hund dabei hatte, einen Mops.
Bei einer zweiten zufälligen Begegnung habe ich erfahren, dass der zugelaufene Hund eine Sie ist und Jenny heißt. – und auch, dass Jana ebenfalls bei Alfred Knecht ausstellen wird; ab 08. Dezember ist wieder die Ausstellung „KünstlerInnen der Galerie“ und Jana wird einen Raum ganz allein gestalten.

Jana Grzimek - Künstlerporträt im Kunstportal Baden-Württemberg
Jana Grzimek in ihrem Atelier bei der Karlsruher Majolika Manufaktur | © Künstlerin,VG Bildkunst Bonn 2020

Zur Zeit meiner Gespräche mit ihr arbeitete Jana, die eines der Wohnateliers in der Majolika Manufaktur bewohnt, noch für die Ausstellung „Deutsche Zimmer“, die von 23. November 2002 (Eröffnung 22.11., 18 Uhr) bis 28. Februar 2003 in der Karlsruher Handwerkskammer zu sehen ist.

„Deutsche Zimmer“?
„Deutsche Zimmer“ ist ein Fayence-Projekt, was gut klingt und doch erklärungsbedürftig ist: Jana Grzimek ist gelernte Bildhauerin, die auch malt und zeichnet und die zur Zeit in der Majolika arbeitet, an dem Fayence-Projekt „Deutsche Zimmer“. Fayence ist eine Technik zur Herstellung von Keramiken: weiße Glasur auf rotem Ton wird bunt bemalt, wobei die Bemalung in die Glasur erfolgt, also vor dem Brennen des Tons.
Die „Deutschen Zimmer“ nun sind eine Art Wohnung, also reale Räume – Küche, Bad, Eßzimmer und Kaminzimmer – in denen alle Einrichtungsgegenstände eben in dieser Technik hergestellt worden sind, von der Blumenvase bis zum Fernsehgerät.

Jana Grzimek - Künstlerporträt im Kunstportal Baden-Württemberg
Einrichtungsgegenstände für die „Deutschen Zimmer“
| © Künstlerin,VG Bildkunst Bonn 2020

Skulpturen zu bemalen könnte auf den ersten Blick erscheinen als ein Schritt von der Skulptur hin (bzw. zurück?) zur Malerei. Jana Grzimek spricht stattdessen von der „demokratischsten Form der Kunst“; sie sieht hier einen Schritt zur Ausgewogenheit: die Malerei bekommt ihr Recht, die Bildhauerei auch, und darüber hinaus gestaltet sie begehbare, ganz reale Räume, so dass der Kunstbetrachter in das Kunstwerk eintreten kann, Teilnehmer wird.

Jana Grzimeks Kunst ist ein gewaltiges Erlebnis, von dem die Bilder hier natürlich nur einen Eindruck geben, der weit übertroffen wird von der real-sinnlichen Gesamterfahrung dieser Kunst, die eine ganz eigene Atmosphäre entfaltet.

Jana Grzimek - Künstlerporträt im Kunstportal Baden-Württemberg
Jana Grzimek in ihrem Atelier (mit Mops Jenny
© Künstlerin, VG Bildkunst Bonn 2020

Am stärksten erfährt dies, wer die “Deutschen Zimmer“ im Forum der Karlsruher Handwerkskammer selbst besucht. Bereits bei einem im Jahre 1995 mit Fritz Vehring realisierten Fayence-Projekt ging es um die Idee eines keramischen Gesamtkunstwerkes “im Raum“. Mit Hilfe der Karlsruher Majolika wurde hier eine künstlerische Vision realisiert.

Jetzt habe ich noch Platz, um etwas über Jana Grzimek selbst zu berichten: Jana „mußte“ Künstlerin werden; als Tochter des berühmten Waldemar Grzimek, und einer Mutter, die als Ärztin im Krankenhaus auch nie viel Zeit hatte, ist Jana bei Pflegeeltern aufgewachsen und hatte immer schon fast ausschließlich mit Künstlern zu tun.

Jana Grzimek - Künstlerporträt im Kunstportal Baden-Württemberg
„Stürzender Engel“, 1993; Bronze, Höhe 26cm, Länge 47 cm
© Künstlerin, VG Bildkunst Bonn 2020

In diesem Umfeld wurden alle kreativen Neigungen natürlich gefördert; als kleines Kind hat sie Möbel angemalt und ihr Spielzeug selbst gebastelt. Nachdem sie die letzten 5 Jahren an ihrem Geburtsort Berlin lebte, ist Jana Grzimek jetzt seit Februar in Karlsruhe, wo sie auch ihr Abitur gemacht hat, um das für ihre Arbeit wirklich optimale Umfeld der Majolika-Manufaktur zu nutzen.

Neue Projektideen entstehen dabei ständig: gemeinsam mit einem Bielefelder Künstlerkollegen hatte sie die Idee, von acht BildhauerInnen verschiedener Schulen acht (also alle?) Karlsruher Prominente porträtieren zu lassen.
Jana Grzimeks Arbeiten – egal ob Bilder, Zeichnungen, Skulpturen oder Fayencen – zeichnen sich aus durch ihre Klarheit, ihre Wahrheit, was uns Menschen betrifft.

Jana Grzimek steht in der guten Tradition von Herbert und Mareile Kitzel, mit denen sie eng befreundet war und deren sichtbare Patenschaft bei Janas Fayencen erkennbar ist. Immer wieder mal zitiert Jana Grzimek mit ihrer absolut eigenständigen Arbeit souverän ihre großen KollegInnen. Nun wissen wir, daß die Wahrheit über uns Menschen nicht eben ermutigend ist; und Jana erwähnt immer wieder mal die „Gönnerhaftigkeit“ bestimmter Leute, die ihr zu schaffen macht.

Jana Grzimek - Künstlerporträt im Kunstportal Baden-Württemberg
Kopfgefäß, 1992 | Terrakotta, Höhe 36cm
© Künstlerin, VG Bildkunst Bonn 2020

Jana Grzimek fordert gegenseitigen Respekt zwischen den Menschen. Ihre Kunst beweist ebendiesen: trotz der gelegentlich sehr krassen Darstellungen bleibt allen ihren Figuren „bei aller Lächerlichkeit eine erstaunliche Würde“ erhalten, wie Claudia Meier formuliert, die oft als Modell für Jana gearbeitet hat.

Respekt und Würde sind wichtig:Respekt gegenüber allen Lebewesen und auch gegenüber der äußerern Natur bedeutet keineswegs, alles gut zu finden, sondern zunächst mal die Würde des anderen anzuerkennen. Respekt schafft so eine Distanz, die nötig ist, um klar zu sehen. Respekt ist somit Voraussetzung jeder Urteilskraft und auch Bedingung einer künstlerischen Perspektive, die wahrhaftig sein will.

Leider können wir ja Ernst Blochs „Prinzip Hoffnung“ aufgrund des gleichermaßen inflationären wie meist völlig schwachsinnigen Gebrauchs im deutschen Politikjournalismus nicht mehr verwenden.

Jana Grzimek - Künstlerporträt im Kunstportal Baden-Württemberg
„Der Chef“, 1993 | Gips, bemalt, Höhe 48 cm © Künstlerin, VG Bildkunst Bonn 2020

Deshalb nenne ich diesen Beitrag über Jana Grzimek schlicht
„Respekt“
– wie das Prinzip Hoffnung ein ästhetisches Prinzip.
Jürgen Linde, im November 2002