Fern atmet der Wind – über Klaus Gündchen

Klaus Gündchenim Internet:
Website: http://www.klaus-guendchen.de/
E-Mail: Klaus.Guendchen@gmx.de

Bildende Kunst und Musik – das Thema lässt uns nicht los, ganz im Gegenteil: immer spannender ist es, dieser Verbindung nachzugehen:
Lange schon steht der Bildhauer Klaus Gündchen auf unserer Agenda, zählt er doch, als freischaffender Künstler schon seit 1984, zu den Pionieren, die diese Übergangswelt immer wieder erlebbar machen.

Klaus Guendchen im Künstlerporträt im SWO | Kunstportal Baden-Württemberg
ARD Hörspieltage im ZKM Karlsruhe, 2008
Trio Stixxx & Soundzzz: | Markus Hauke, Nils Tannert, Michael Fischer
© Foto: Klaus Gündchen

Über die Verbindung von Musik und Klängen, von Harmonien und Disharmonien einerseits und Skulptur, goldenem Schnitt und platonischen Körpern andererseits hat er uns viel zu sagen. Es scheint, dass die Verbindung beider Welten durchaus auch wissenschaftlich (hier: mathematisch/geometrisch) begründbar ist.

Zunächst aber erinnern mich die plastischen Arbeiten von Klaus Gündchen
kraft ihrer freien Figuration keineswegs an Geometrie oder Mathematik. Vielmehr scheint hier die Frage nach dem Lebendigen ins Spiel zu kommen – und somit auch die nach der Vergänglichkeit.

Doch wollen wir erst den Zusammenhang herstellen:
Im Juni letzten Jahres hatten wir befasst mit den Metallskulpturen von Ursula Haupenthal, die mit ihren Arbeiten ganz eigene Klangwelten erzeugt und in der Ernsten Musik ebenso präsent ist wie in der Bildenden Kunst.

Klaus Guendchen im Künstlerporträt im SWO | Kunstportal Baden-Württemberg
F-2, 2000
© Künstler, VG Bildkunst Bonn, 2020, Foto: Klaus Gündchen

Mit Klaus Gündchen verbinden wir zuerst seine großen Edelstahlplastiken, die, zwischen 2 und über 4 Meter hoch, in erster Linie in öffentlichen Räumen ihre Plätze finden.

Oft werden hier prägnante und scharfkantige Einzel-Elemente verbunden über eher drahtförmige Verstrebungen aus Federstahl, so dass eine faszinierende Spannung aus Schwere und Leichtigkeit entsteht. Anhand der kleinen Skulpturen, die es bei Klaus Gündchen auch gibt, macht der Künstler sichtbar, dass Leichtigkeit und Beweglichkeit tatsächlich Teile dieser Kunstwerke sind. Was jedoch im Kleinen schwingt, muss bei den großen Plastiken, die im Freien wind- und wetterfest sein müssen, natürlich stabil gebaut sein.

Dennoch frappierend: die Anmutung von Leichtigkeit, von – organischer – Lebendigkeit.

Klaus Guendchen im Künstlerporträt im SWO | Kunstportal Baden-Württemberg
Drei Klangplastiken bei Probe im ZKM-Kubus | © Foto: Klaus Gündchen

Klaus Gündchen ist Bildhauer – seine Skulpturen stehen für sich.
Die Musikalität dieser Arbeiten hat Klaus Gündchen frühzeitig entdeckt: Er selbst beschreibt dies sehr anschaulich:

Klaus Günchen selbst zu seinen Plastiken als Klangkörper:
Schon früh bemerkte ich die Möglichkeit die Plastiken zum Klingen zu bringen. So kam ich irgendwann dazu, Musikern den Auftrag zu geben, die traditionelle Autonomie und Unberührbarkeit des Kunstwerkes zu verletzen und die Plastik als Musikinstrument zu benutzen.

Klaus Guendchen im Künstlerporträt im SWO | Kunstportal Baden-Württemberg
Johannes Fischer bei den Schwetzinger Schloßfestspielen 2009
© Foto: Klaus Gündchen

Im Laufe der Jahre fanden sich neue und beeindruckende Klänge mit einer durchaus spirituellen Tiefe. Jedoch stehen beim Schaffen einer neuen Plastik allein deren plastische Qualitäten im Vordergrund.
Interessanterweise zeigt sich hier aber die Universalität der Ästhetik und des goldenen Schnittes, die sich mir in der langjährigen Beschäftigung mit den Platonischen Körpern offenbarte.
Sowohl in der optischen als auch der akustischen Wahrnehmung bestimmen die Proportionen den Eindruck. Natürliche Harmonien können in einem Klangkörper leichter schwingen als Disharmonien. So zeigt sich erstaunlicherweise, daß ; eine Arbeit, mit der ich plastisch zufrieden bin, auch immer gut klingt.“

Genau diesen Zusammenhang zwischen Geometrie und (klanglicher) Harmonie erläutert mir der Künstler bei einem Atelierbesuch anhand etlicher Gegenstände – es handelt sich um platonische Körper, die er selbst geschweißt hat – alle sind da, vom Tetraeder bis zum Ikosaeder (siehe im Bild unten). Letzterer, aus 20 gleichseitigen Dreiecken bestehend, erinnert schon fast an einen Fußball, der ja (wie ich zugegebenermaßen schnell nachgeschlagen habe) traditionell aus 12 Fünfecken und zwanzig Sechsecken zusammengenäht ist.

Klaus Guendchen im Künstlerporträt im SWO | Kunstportal Baden-Württemberg
EF-14, 2006 | © Foto: Klaus Gündchen

So wie nun die gefühlsmäßig wahrgenommene Harmonie dieser in sich stimmigen Körper offenbar einer erkennbaren mathematischen Gesetzmäßigkeit entspricht, so gehorchen offenbar auch die klanglichen Qualitäten von Skulpturen diesen Gesetzen.

All dies ist schwer zu erklären, aber schön und sehr eindrucksvoll zu erleben; immer wieder haben auch Musiker/Komponisten ganze Stücke geschrieben zu einzelnen Skulpturen von Klaus Gündchen:


Zurück zu unserem Ausgangsthema. Der Verbindung von Musik und Bildender Kunst sind wir wieder ein Stück näher gekommen, und doch bleibt sie geheimnisvoll. Kaum mathematisch erklärbar und doch evident ist für mich auch eine zweite Verbindung, die uns immer wieder beschäftigt.

Mit der Musik noch im Ohr, im Kopf, die Klaus Gündchen mir auf einer seiner Plastiken vorspielte und dem Bild seiner Skulpturen in der Landschaft noch vor Augen, erinnere ich mich an das Gedicht „Das Meer“ von Wolf Peter Schnetz, ein Gedicht das auf feinfühligste Weise Klänge und Bilder geistig verbindet:

Klaus Guendchen im Künstlerporträt im SWO | Kunstportal Baden-Württemberg
C-12, 2002 | © Foto: Klaus Gündchen

(hier ein kurzer Auszug)

„Manchmal sind wir uns nah. Wenn wir unberührt sind.
Du im Licht. Ich im Schatten. Fern atmet der Wind“

Wolf Peter Schnetz formuliert meine Impressionen von Gündchens Skulpturen besser als ich dies könnte: da es für mich hier um Lebendigkeit geht, tritt der Tod ins Bild, die Gedanken schweifen weiter
und

Fern atmet der Wind

Jürgen Linde im März 2010