Das fünfte Element – über Ursula Haupenthal

Ursula Haupenthal im Internet: | Website: www.ursulahaupenthal.de
E-Mail: ursula-haupenthal@t-online.de


Holz – Feuer – Erde – Metall – Wasser
– fünf Elemente unterscheiden (in ihrem “Wandlungszyklus“) die alten Chinesen, von denen wir ja immer schon viel hätten lernen können…
Die Kunst allgemein und die Klangskulpturen von Ursula Haupenthal im Besonderen lassen uns ahnen, was wir hätten lernen können:

Ursula Haupenthal | © Foto: André T. Alexy

Beim letzten Künstlerinnenporträt schon kamen wir eingangs zurück auf den Gesamtzusammenhang, der diese Reihe von Beiträgen verbindet: die Suche nach dem “Kern der Bildenden Kunst“ und damit der Klärung ihrer Grenzen und Übergänge zu anderen Formen wie der Musik, der Sprache oder dem Theater.

Implizit bedeutet dies, nach einer Metaebene zu suchen: einer übergeordneten Sprache/Symbolik. So kommen wir immer wieder auf Aspekte/Stichworte wie Hermann Hesses Glasperlenspiel, auf Themen wie Religion und Philosophie. Wie die beiden letzteren verbunden sind, spätestens, seit Hegel sie gemeinsam dem Bereich der absoluten Vernunft zugeordnet hat, hatten wir schon mehrfach thematisiert.

Auch ging es wiederholt um die Verbindung der Bildenden Kunst zur Wissenschaft und diese wiederum hat zweifellos zu tun mit Religion – insofern, als beide uns die Welt erklären wollen – oder wir von beiden eine Erklärung fordern/erwarten.

Eine solche Metaebene wiederum vermuten viele von uns in der fernöstlichen Philosophie, im Taoismus und bei dessen Gründer Lao-Tse.
(Zu recht) genervt reagieren wir, wenn wir hören, daß „alles mit allem irgendwie verbunden ist“. Im Taoismus hingegen werden auch immer wieder die verschiedenen Ebenen recht konkret in Verbindung zueinander gebracht, so etwa im oben erwähnten Wandlungszyklus:

Ursula Haupenthal: Tor zum Bodensee
Weitere Informationen zu diesem Projekt auf der Website der Künstlerin

Weitere Informationen zu diesem Projekt auf der Website der KünstlerinDer „Fütterungszyklus besagt, daß jedes Element das folgende Element fördert und vom vorhergehenden gefördert wird. In diesem Sinne nährt Holz das Feuer, die Wärme des Feuers erweckt die Erde zum Leben, aus der Erde wird Metall gewonnen, die Mineralien des Metalls machen das Wasser lebendig und das Wasser nährt die Pflanzen (Holz).“

Ursula Haupenthal interessiert sich seit ihrem 17. Lebensjahr für den Buddhismus.

Über das Element Metall, das im abendländlichen Quartett der Elemente nicht vorkommt, entwickelt sie für sich und für uns einen Zugang zur Kunst: während etwa die Wahrnehmung des Geruchs von Glas wohl einem Jean-Baptiste Grenouille in Patrick Süskinds Parfum vorbehalten bleiben wird, können wir tatsächlich die Metalle hören.

Ursula Haupenthal: Titan; 300 x 290 x 1; Beton

Wir können an dieser Stelle nur – mit ausdrücklicher Empfehlung natürlich – verweisen auf die verschiedenen
Klangbeispiele auf der Website der Künstlerin und empfehlen, immer aufmerksam SWO zu lesen, um bloß kein Livekonzert von Ursula Haupenthal zu verpassen. Ursula Haupenthal hat bislang zwei Solo-CDs veröffentlicht. Zuletzt erschien eine DVD zum Thema Meer und Metall – SEA-SON. Zu den scheinbar verfremdeten Fotos vom Meer und Metallflächen, die anstelle des Himmels treten und nur in Form von Reflexionen sichtbar werden, bespielt sie ihre Skulpturen.

„Ein Klang-Buch wird geöffnet. Es entwickelt Klanggeschichten, stellt Fragen, horcht, stutzt, antwortet.“
Quelle: Neue Zeitschrift für Musik 2/2005
Nina Polaschegg: „Ganz leise auf das Hören Licht fallen lassen“

Ursula Haupenthal: „Rochen“Arbeiten auf Papier, Fotografie, Skulpturen, Installationen – nahezu umfassend erscheint die Bandbreite der künstlerischen Arbeit von Ursula Haupenthal.

Wenn dann nicht noch Musik und Instrumente hinzukämen – um das Spektrum in eine neue Perspektive zu rücken: ihre Papierarbeiten und ihre Metallskulpturen können, keine Frage, allemal alleine stehen – als vollwertige Kunstwerke. Und doch sollten wir einen weiteren Schritt gehen, um das Ganze zu erfassen und um unsere eigene Wahrnehmung zu erweitern.

Ursula Haupenthal beginnt bei Musik, Klang, Klangkomposition; die Skulpturen, die wir sehen, sind Klangskulpturen, sie entstehen bei Ursula Haupenthals künstlerischer Arbeit – sie sind nicht deren Ausgangspunkt.

Ursula Haupenthal: Eisenoxyd auf Büttenpapier, 1996; 1000 x 700 cm

Ursula Haupenthal: Eisenoxyd auf
Büttenpapier, 1996
1000 x 700 cmSo wie offenbar das Metall das Spektrum der Elemente vervollständigt, so gehört der Klang aus dieser künstlerischen Sicht zum Spektrum umserer Wahrnehmung. Eingangs hatten wir Wissenschaft, Kunst und Religion gewissermaßen auf eine Ebene gestellt, auf der Basis der gemeinsamen Aufgabe, die Welt zu erklären.
Nun sind wir selbst Subjekt dieser Beobachtung der Welt und gleichzeitig Teil dieser Welt. Dies bringt eine gewisse Unschärfe mit sich, die wir nur überwinden können durch eine reflektierte Ganzheitlichkeit unserer Beobachtung. Wenn wir stattdessen von Transzendenz sprechen, erahnen wir, warum Hegel Religion und Kunst im Bereich der absoluten Vernunft verortete. Was die Wissenschaft nicht leisten kann, leisten Religion und Kunst per Transzendenz.

UnUrsula Haupenthal: – DIVA – Zinnfolie
65 x 50cm x hauchdünn

Ursula Haupenthal: – DIVA –
Zinnfolie
65 x 50cm x hauchdünnWas uns heute fehlt, so formuliert es Ursula Haupenthal wunderschön und klar: wir brauchen mehr Demut, Liebe und Kommunikation.

Doch verkündet Ursula Haupenthal keine Botschaften, sondern sie ist Künstlerin.
Die zuvor formulierte Haltung (Demut, Liebe und Kommunikation), die ich selbst in dem Begriff Respekt (uns selbst und der Außenwelt gegenüber) hinreichend zusammengefasst sehe, erscheint mir als wesentlicher Teil der Kunst – und vielleicht ist es nur das Metall, vielleicht ist es die Liebe, vielleicht ist es ist die Kunst selbst –

Das fünfte Element.

Jürgen Linde im Juni 2009