bleibt alles anders – über Achim Däschner

Internet: www.achim-daeschner.de
E-Mail: mail@achim-daeschner.de

Achim Däschner: Wirklichkeitsfaltung Nr. 2, 75 x 60 cm, Beton lasiert, 2009 | © Künstler, VG Bildkunst Bonn 2020

Dunkel, sehr dunkel sogar ging es zu auf Achim Däschners Website, die ja für einen Medienkünstler – anders für einen Maler röhrender Hirsche – ein wichtiges (Re-)präsentationswerkzeug sein sollte. Und auch ist, wie sich bei genauer Betrachtung zeigt.

Als ich Achim kennenlernte, bei seiner Vernissage gemeinsam mit Harald Sieling in der Karlsruher Galerie Alfred Knecht im Juli 2006, war alles ganz anders: Achim Däschner nicht gruftig düster, sondern strahlend gelaunt und überschäumend – und seine dort gezeigte Kunst würde ich nicht als Medienkunst bezeichnen.

„Da war was mit dem Mond“ – so der Titel der Ausstellung, zu der Harald Schwiers eine erhellende Einführungsrede gehalten hat.

Inzwischen weiß ich, daß er die Medienkunst im engeren Sinne gegen Ende 2003 vorerst eingestellt hat und sich mit den Mitteln traditionellerer Kunst bestens zu artikulieren weiß – der Bildhauerei.

Und wieder ist es nicht ganz so einfach; denn wenn wir uns die Materialien ansehen, die Achim Däschner meist verwendet, so sind diese so traditionell auch wieder nicht: Beton, Filz , Holz, aber auch Schellack, Stahlstaub und Bienenwachs, um einige zu nennen, die immer wieder zum Einsatz kommen..

faltung, 2006; 30x36cm, Filz, Beton, Schellack
© Künstler, VG Bildkunst Bonn 2020

Etwa Däschners Faltungen: ein Filztuch wird in flüssigen Beton getaucht, danach gefaltet. Trocken und hart geworden, erfolgt eine Nachbearbeitung mit Schellack, welches verflüssigt ähnlich wie Lack eingesetzt werden kann, ein natürlicher Lack jedoch, der in das Material eindringt und eine ganz spezielle Oberfläche schafft, eine farbliche Anmutung, die ich so noch nicht wahrgenommen habe.

Reduziert, atmosphärisch dicht und trotz des “nicht-natürlichen“ Materials Beton wirkend wie ein Naturprodukt. In der Serie. Die Erforschung des Materials ist ein integraler Bestandteil von Däschners Kunst. Etwa in der Serie Brüche sprengt er in den vermeintlich unzerstörbaren Beton kontrolliert Risse, indem er andere Materialien einbaut, die sich bei der Trocknung oder Temperaturveränderung verschieden verhalten. Spannung erzeugt Däschner auch durch Gegensätze:
etwa zwischen dem recht wertlosen Kunstmaterial Beton und den wertvollen Naturprodukten wie Schellack, Bienenwachs und Wollfilz, zwischen hart, rauh, spröde und weich, warm, duftend usw.

Es geht ihm oft um Brüche und Grenzüberschreitungen; diese haben den Zweck, Grenzen wirklich kennen zu lernen und dann genau ausloten zu können oder führen dazu, zu erkennen, daß, wo wir eine klare Grenze vermutet haben, gar keine ist oder vielleicht nur ein sanfter Übergang. Im letzteren Fall wachsen die Ausdrucksmöglichkeiten.

Brüche, 2004; 40 x 40 cm, Beton, Holz
© Künstler, VG Bildkunst Bonn 2020

Dem “Es ist wie es ist“ der Popgruppe Pur würde ich mit Achim Däschners Kunst entgegenhalten:

Erstens “Bleibt alles anders“ (wie Grönemeyer in einem seiner hellsten Momente treffend erkannt hat) und darüber hinaus ist es zweitens bestenfalls so, wie wir es gemacht haben, es könnte also auch anders sein. Dieses Phänomen, das die Philosophen gerne als Kontingenz bezeichnen, macht uns das Leben nicht eben leichter. Denn wenn wir die Welt, oder wenigstens die Gesellschaft, als von Menschen gemacht betrachten, müssen wir für den Zustand derselben, den wir ja dann ändern könnten, Verantwortung übernehmen.

Was das mit Achim Däschner zu tun hat? Alles: Achim versucht, auch außerhalb seiner Kunst konsequent zu leben nach Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit: er hat kein Auto (fährt bei bedarf ein Stadtmobil/Carsharing) , kauft nur im Bioladen ein, bezieht seinen Strom bei den Atomstromgegnern aus Schönau im Schwarzwald, lenkt seinen Geldfluss bewusst zu Menschen, bei denen er das Geld in seinem Sinne gut aufgehoben weiß, zum Beispiel bei der ethisch/ökologischen GLS-Gemeinschaftsbank.

2500 x 9 mm, 2006; 37 x 36 cm, Filz, Beton, Stahlstaub, Schelllack, Bienenwachs, Patronenkiste © Künstler, VG Bildkunst Bonn 2020

Achim Däschner “will die Welt verbessern“ und dieser Versuch gelingt ihm, ohne durch politische Correctness zu nerven , ohne in irgendeiner Weise besserwisserisch zu sein. Er belehrt niemanden und gibt keine Regeln aus, nur in seinem Bereich, in seiner Wellt, seiner Familie lebt er eben so, wie er es vertreten kann.

Und in seiner Kunst, zu deren Qualitäten nach meinem Empfinden Lebensfreude und Sinnlichkeit als zentrale Eigenschaften zählen Der spielerische Umgang mit den Möglichkeiten, der experimentierfreudige Materialeinsatz und die insgesamt dennoch reduzierte Präsentation schlüssiger Ergebnisse, deren Spannung eine innere ist.
Organisch und in sich abgeschlossen erscheinen uns die komplexen Objekte, deren innere Einheit sich uns unmittelbar sinnlich erschließt.

Ob Medienkunst derartiges vermag, wage ich zu bezweifeln. Nach einer Definition der Medienkunst gefragt, erläutert Achim ganz nüchtern: das ist ganz normale Kunst, nur daß eben neue technische Möglichkeiten hinzukommen: Video, Computer und die Werkzeuge der digitalen Ton.- und Bildbearbeitung.

Vater, 2005; 22 x 42 cm, Filz, Beton, Schellack, Holz, Fundstücke
© Künstler, VG Bildkunst Bonn 2020

Erwähnen will ich hier noch, daß Achim Däschner neben den Bildobjekten, auf die wir uns hier fokussiert haben, eigentlich alles kann: Installationen, Video, Performance, Musik, Fotografie und Projekt.
So jedenfalls die Kapitel der Werkpräsentration auf seiner damit eben doch vollständigen und repräsentativen Website – www.achim-daeschner.de. Auch eine – für einen erst 35 jährigen Künstler beachtlich lange – Liste bisheriger und aktueller Lehrtätigkeiten findet sich hier.

Fassen wir zusammen: Der Medienkünstler Achim Däschner macht derzeit keine Medienkunst, wobei man da nicht ganz sicher sein sollte:
Im Badischen Kunstverein Karlsruhe ist im Moment eine neue Videoskulptur von Achim Däschner ausgestellt: Monitor mit Betonbild von DVD, eigewickelt in eine dicke Rolle Filz.
Aber selbst wenn Achim dereinst zur Medienkunst zurückkehrt, so ist jetzt schon eines klar: Es

bleibt alles anders.

Jürgen Linde, im Dezember 2006