Die Welt: Ein Vielleicht? – über Willi Gilli († 2023)

Willi Gilli im Internet: | www.willigilli.de
E- Mail: willi_gilli@yahoo.de

Willi Gilli - Künstlerporträt im kunstportal-bw
Willi Gilli: „Rasanter Stillstand“, 2008
Pflaumenholz bemalt, Bronze patiniert Höhe 64 cm | © Künstler, VG Bildkunst Bonn 2019

Der in Bretten und Mannheim lebende Künstler begeistert mich zunächst durch die atemberaubende Vielfalt seiner Arbeit: Bilder, Grafiken, Zeichnungen, Glasmalerei und Skulpturen.
Geboren in Slowenien, studierte er zunächst in Stuttgart an der Merzakademie und wechselte Anfang der 70er Jahre nach Karlsruhe zur Kunstakademie. Auf verschiedene Stipendien folgten eine Gastdozentur (City Polytechnic of Sheffield, Faculty of Art and Design / Sheffield, GB) und eine Gastprofessur (University of Southern Queensland / Toowoomba, Australien).

Begeistert war ich schon immer von Willi Gillis Skulpturen, die weit über unsere Region hinaus im öffentlichen Raum zu finden sind. Oft organisch anmutend, strahlen diese Arbeiten eine intensive Lebendigkeit aus. Wo man auf den ersten Blick „Kunststoffe“ vermutet, finden sich ausschließlich natürliche Materialien wieder: Holz, Hanfseile, Bronze und Keramik. Selbst textil wirkende Elemente sind aus Holz und Keramik.

Willi Gillis Bilder sprühen vor farbgewaltiger Energie; mich erinnern manche runde Formen an Früchte oder an eine Weltkugel, die den Machtanspruch eines Herrschers symbolisiert und meist ein hermetisches Weltbild definiert. Für ihn aber ist es ein spielerischer Umgang in utopischen Universen mit Bällen, Kreisen und der Kugel, als der idealsten geometrischen Form. Unfassbar in ihrer Größe, ohne Anfang und Ende ist sie in vielen seiner Werke präsent.

Willi Gilli - Künstlerporträt im kunstportal-bw
Willi Gilli: „Freier Flug“ 2009
Temperatechnik a. Leinwand, 160 x 140 cm | © Künstler, VG Bildkunst Bonn 2019

Einen „roten Faden“ finden wir im Gespräch mit dem Künstler:
„In meinen Werken gibt es keine Abbildungen von Wirklichkeiten zu besichtigen – es gibt ein Wirken von Farben, Formen und Dimensionen zu erfahren“ sagt Willi Gilli bei einem Besuch in seinem Atelier. Für Willi Gilli ist klar, jeder lebt mit seiner eigenen Betrachtungsweise, und diese kann heute eine andere als gestern und morgen wieder eine andere sein.

Aus dieser formulierten Weltsicht entsteht im Gegensatz zur Beliebigkeit: Neugierde, Interesse, Hingabe, Emotionalität und Mitgefühl.

„Die schöpferische Freiheit, die ich mir nehme, möchte ich gerne an die an der Kunst Interessierten weitergeben.“

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Willi Gilli: „Wehrhaftes Wunder“ 2009
Kirch- u. Buchenholz bemalt, Bronze patiniert, Höhe 55 cm | © Künstler, VG Bildkunst Bonn 2019

Willi Gilli: „Wehrhaftes Wunder“ 2009
Kirch- u. Buchenholz bemalt, Bronze patiniert, Höhe 55 cm | © Künstler, VG Bildkunst Bonn 2019

Farben und Formen entwickelt Willi Gilli aus dem Arbeitsprozess heraus. Gewissermaßen wird er hier als Kommunikator tätig, indem er seine vorhandenen Möglichkeiten und Potentiale sichtbar macht.

Wenn er seine Arbeit erläutert, fällt auf, dass er immer wieder von einem „Vielleicht“ spricht: Ein Vielleicht, das auch ein „Hoffentlich“ impliziert, mit dem der Künstler auf die positiven Möglichkeiten hinweist, unser Leben, unsere Welt selbst zu gestalten.
Es ist wie es ist, es könnte aber auch anders sein! – die alte Kontingenz-Thematik… – Das Vielleicht als Substantiv könnte der Kern seines Blickes auf die Welt sein, denn es geht dem Künstler Willi Gilli wesentlich auch um Freiheit.

Schön zu lesen, wie Willi Gilli selbst seine Arbeitsweise beschreibt:
„Ohne Konzept – Vorlage, oder einem Entwurf beginnend, lasse ich mich freudig auf das Spiel ein, meiner Intuition und dem geschulten Gespür folgend, wo eine vage Vorstellung sich Platz und Raum erschafft und ich lerne, Gewichtungen wahrzunehmen, geführt und geleitet, auch verführt von einem Vielleicht.“

Willi Gilli - Künstlerporträt im kunstportal-bw
Willi Gilli: „Im Anflug“, 2019
Temperatechnik a. Leinwand, 80 x 100 cm
© Künstler, VG Bildkunst Bonn 2019

Es ist ein sich Öffnen für die vorurteilslose Ursprünglichkeit, die Größe, Tiefe, Vitalität und Ingenuität universalen Geschehens. So, als wolle das fassungslose in Fassung gebracht werden, wo Energetik, Schwingungen und Klänge sich in Farbspielen verdichten.

Mit jedem Augenblick kommt ein komplexes, wie multi-aspektives Geschehen in Gang, in dem es im Wesentlichen um die Bearbeitung von sich immer erneuernden Wirklichkeiten und nicht um deren Abbildung geht. Die Beeinflussung und die Wahrnehmung der auf uns wirkenden Kräfte, Gedanken, Bilder und Worte, nicht nur die akut aktuellen, sondern bis hin zu schon sehr lange existierenden Ideen (Platon – „Das Gastmahl“, Hesse – „Glasperlenspiel“), gleichermaßen als kollektives Gedächtnis, in kosmischen Dimensionen und Zeiträumen.

Gleichzeitig handeln wir immer in, mit und aus der Zeit. Gleichgültig, wie viel Zeit durch Arbeitsprozesse in einem Objekt, einem Kunstwerk angehäuft, verdichtet wird, und wie lange es wiederum dauert, dies in Erfahrung zu bringen, wie auch zu verstehen, wie Wahrnehmung, Rezeption und Konzeption funktionieren, bleiben wir immer im Moment.
Also ist mein Tun eine Art Archäologie in die Zukunft oder aus der Zukunft, in der die Textur einer generierten Oberfläche die befruchtenden Strukturen der Untergründe und des energetischen Vorgangs nie vergisst.“

Die Liste der Ausstellungen und Auszeichnungen von Willi Gilli würde unseren Rahmen sprengen.

Willi Gilli hat in Bretten geeignete Räume zum Arbeiten: Für seine Malerei, sein plastisches Werken und die Druckgraphik hat er jeweils eigene Werkstätten, um strukturiert und fokussiert zu arbeiten.

Willi Gilli - Künstlerporträt im kunstportal-bw
Willi Gilli:“Wunder – mäandernd“, 2016
Keramik glasiert, Holz bemalt, Bronze poliert, Höhe 28 cm | © Künstler, VG Bildkunst Bonn 2019

Aktuell sehr inspirierend für den Künstler ist eine neue Ausdrucksform, in der sich Malerei und Skulptur gewissermaßen verbinden:
Glasobjekte.

Nach einem Entwurf lässt der Künstler Glasscheiben aus Weißglas schneiden; Glasplatten, die danach einzeln bemalt werden. Dazu verwendet er Glaskeramik-Farben, welche bei ca. 700°C eingebrannt werden.

Aus der Verbindung der Glasplatten miteinander entsteht ein neues „Bild“, das selbst für den Künstler Überraschungen bereit hält. Bislang entstehen solche Glasskulpturen vor allem als Auftragsarbeiten für den öffentlichen Raum.

Willi Gilli, der in diesem für die Kunst so wichtigen Bereich mit seinen bisherigen Skulpturen präsent ist nimmt mit den Glasobjekten eine neue Herausforderung an.

Willi Gilli - Künstlerporträt im kunstportal-bw
Willi Gilli: Glasskulptur | 105 x 75 x 8 cm
© Künstler, VG Bildkunst Bonn 2019

Faszinierend zu sehen als eine Art Konzeptkunst von Willi Gilli. Die Glasskulpturen zeigen mit jedem Perspektivwechsel des Betrachters, mit jedem sich verändernden Lichteinfall jeweils neue Aspekte – irritierend und inspirierend:
Die Welt: Ein Vielleicht?

Jürgen Linde im August 2019




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