Geschichten aus unserer anderen Welt – über : Sabine Schäfer und Joachim Krebs

Aktuelle Ausstellungen und Projekte von Sabine Schäfer

Geschichten aus unserer anderen Welt – über Sabine Schäfer und Joachim Krebs


REM-Fliegenkopf: Jürgen Berger Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie Tübingen; © Foto/Konzept, < SA/JO >
© Künstler, VG Bildkunst Bonn 2020

SolarSonical Insects – eine begehbare MikroKlang-FarbLicht-EreignisSphäre – so ist der Name einer Audio-Video-Installation, die das Medienkünstlerpaar < SA/JO > (Sabine Schäfer und Joachim Krebs) in der ZKM-Ausstellung „SoundArt –Klang als Medium der Kunst“ (bis 06.01.2013) präsentieren. Wir betreten einen abgedunkelten Raum, wie wir es nicht nur im zkmverwöhnten Karlsruhe seit Jahren gewohnt sind, beim Eintreten bereits aber hören wir seltsam-interessante Geräusche, die irgendwie an Insekten erinnern und dann sehen wir: die SONNE.

< SA / JO > im Künstlerporträt im SWO | Kunstportal Baden-Württemberg
Videostill aus „SolarSonical Insects“
© < SA/JO > | © Künstler, VG Bildkunst Bonn 2020

Leinwandgroß, fast formatfüllend, tief rot und pulsierend, sehr lebendig wie eine Magmamasse; ein Eindruck, der durch die intensive Geräusch- oder Klangatmosphäre nochmals massiv unterstützt wird. Man denkt an Insekten irgendeiner Art, genauer weiss ich das nicht.

Später lese ich, dass die Künstler „klang-mikroskopierte Tierstimmen“ für ihre Kompositionen verwenden und entdecke hierzu einen aufschlussreichen Text des Journalisten und Musikwissenschaftler Hanno Ehrler, in dem er schreibt: „…So sind die Naturklänge im Verständnis des Künstlerpaars jenseits musikalischer Traditionen angesiedelt und unterscheiden sich dadurch fundamental von den üblichen „musikalischen“, vom Menschen erzeugten Klängen, seien es instrumentale oder elektronische. Sie entziehen sich musikalischen Traditionen, einer musikgeschichtlichen Eingebundenheit, die jedem anderen Klangmaterial anhaftet. Sabine Schäfer und Joachim Krebs schreiben den Naturklängen einen „über alle politisch-kulturellen Grenzen hinausweisenden, universellen Charakter“ zu. …
Dr. Hanno Ehrler „Das Unhörbare hörbar machen…“, in: „TopoSonic Arts“, Kehrer Verlag, 2007.

Sabine Schäfer und ihr Partner Joachim Krebs bilden gemeinsam das Künstlerpaar < SA/JO > Altgediente SWO-LeserInnen kennen Sabine Schäfer aus einem früheren SWO-Künstlerinnenporträt im Jahr 1996. Kurz darauf war die Kooperation mit Joachim Krebs entstanden, dessen Arbeit wir bald noch getrennt vorstellen werden.

< SA / JO >  im Künstlerporträt im SWO | Kunstportal Baden-Württemberg
© < SA/JO > | © Foto: Felix Gross

< SA / JO > arbeiten – als Künstler – im Überschneidungsbereich zwischen zwischen Kunst und Wissenschaft, näher an der Wissenschaft als allgemein üblich ist. Klangkunst, Wissenschaft, Philosophie und Grundlagenforschung sind die Felder, in denen die Kunst von von Sabine Schäfer und Joachim Krebs stattfindet.

Seit Beginn ihrer Zusammenarbeit haben < SA/JO > zahlreiche jeweils hochkomplexe Projekte realisiert, deren Beschreibung unseren Rahmen eines Künstlerpaarporträts bei weitem sprengte. Aber alle aktuellen und bisherigen Projekte des Künstlerpaares sind von Sabine Schäfer und Joachim Krebs hervorragend dokumentiert und online verfügbar, so dass wir uns entschieden haben, die Arbeit von < SA/JO >in Form der auf der nächsten Seite folgenden Liste mit Links zu den aktuellen und wichtigsten Projekten zu präsentieren und Ihnen jeweils persönlich zu überlassen, wie tief Sie hier einsteigen wollen (es ist anstrengend und erhellend und jede Mühe wert).

Für die, denen dies “jetzt im Moment“ zu anstrengend ist, liefern wir gleich nach der Liste noch den Versuch einer Zusammenfassung der wesentlichen Elemente der Arbeit der beiden Künstler.

Die wichtigsten Projekte von < SA/JO >

MicroSonical Shining Biospheres
04.07.2009 – 10.01.2010
Eine begehbare MikroKlang-FarbLicht-EreignisSphäre
Einzelausstellung im Zentrum für Kunst und Medientechnologie l ZKM Karlsruhe
Die Werkreihe „MicroSonical Shining Biospheres“.

SolarSonical Insects
17.03.12 – 06.01.13
Ausstellung „SoundArt – Klang als Medium der Kunst“
Audio-Video-Installation SolarSonical Insects
TopoSonic Spheres
22 RaumklangMilieus mit klang-mikroskopierten Tierstimmen und Naturgeräuschen
CD-Veröffentlichung bei WERGO
Übersicht über die Arbeiten des Künstlerpaares < SA/JO >

Kunst und Wissenschaft

Wir erleben hier Kunstwerke, zu deren Erstellung und Präsentation auch wissenschaftliche Arbeit notwendig ist; der Übergang scheint fließend zu sein. Dennoch sind Kunst und Wissenschaft sicher nicht identisch; im Alltag, in den Medien erscheinen sie sogar eher als Gegensätze.
Immer wieder sind wir hier in der Serie der SWO-KünstlerInnenporträts auf der Suche nach Verbindungen zwischen verschiedenen Sparten der Kunst (etwa Musik und Bildende Kunst) und nach Verbindungen zwischen Kunst und Wissenschaft.

< SA / JO > im Künstlerporträt im SWO | Kunstportal Baden-Württemberg
MicroSonical Shining Biospheres: „Käferzikade“ REM-Fotogalerie
© Foto: < SA/JO >, Jacques Hawecker, KIT

So wurde ich hellhörig, als ZKM-Chef Prof. Peter Weibel beim Pressetermin (15.03.2012) zu der von ihm selbst kuratierten Ausstellung .SoundArt (17.03.12 – 06.01.2013) die „Klangkunst als einen neuen Zweig der Bildenden Kunst“ bezeichnete und in diesem Zusammenhang auch von der „Befreiung des Klangs aus der Musik“ sprach.
Und wenn Peter Weibel offenbar eine direkte Verbindung zwischen Klang und Bildender Kunst unterstellt, so erleben wir hier den Übergang zur Wissenschaft. Wahrscheinlich sollten wir besser davon ausgehen, dass wir hier Zusammenhänge entdecken, die immer schon vorhanden waren, die aber erst hier und jetzt – und eben durch Kunst – ästhetisch/sinnlich sichtbar und erlebbar werden.

Nun geht es der Wissenschaft zunächst einmal darum, zu erkennen, was der Fall ist, darum, die Welt zu erklären, also Zusammenhänge sichtbar zu machen. Genau hier setzt < SA/JO> an: Teile der Welt, in der wir leben, Teile, von deren Existenz wir wußten, die wir aber „normalerweise“ nicht wahrnehmen können, werden hier in das Feld unsrer sinnlichen Wahrnehmung gerückt:
„Somit wird, durch verkleinernd-verkürzende BESCHLEUNIGUNG der unendlich langen Zeiten der Sonne, UNSICHTBARES SICHTBAR und, durch vergrößernd-verlängernde ENTSCHLEUNIGUNG der unendlich kurzen Zeiten der Insekten, UNHÖRBARES HÖRBAR.“ [ < SA / JO > ]
„Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar.“ Paul Klee, 1920
„Klangkunst gibt nicht das Hörbare wieder, sondern macht hörbar.“ < SA/JO >, 2012

Seit Immanuel Kant (hier: die „Transzendentale Ästhetik“ in der berühmten „Kritik der reinen Vernunft“) wissen wir, dass Raum und Zeit als „Kategorien a priori“ quasi als uns eingebaute Vorurteile unsere Wahrnehmung vorbestimmen. Über absolute, „objektive Qualitäten“ unserer Welt – oder über das „Ding an sich“ wissen wir nach Kant nichts.

Die Kunst macht sichtbar – nicht nur das, was (offenkundig) der Fall) ist und darüberhinaus Zusammenhänge, Verbindungen, die wir nicht unmittelbar sehen können, und hier wird es interessant: < SA/JO > zeigen uns Teile unserer Welt, die wir aus biologischen / physikalischen Gründen nicht wahrnehmen können.
Sabine Schäfer und Joachim Krebs gelingt es, unser Welterleben zu erweitern, zu bereichern.

Auch ZKM-Chef Peter Weibel hat sich mit der Arbeit von < SA/JO > beschäftigt; am 03. Juli 2009 sprach er zur Eröffnung eines der oben erwähnten wichtigen Projekte [“MicroSonical Shining Biospheres No.1“] / [hier einige Redeauszüge]

„Das heißt, Sie werden [mit „MicroSonical Shining Biospheres No.1“ des Medienkünstlerpaares < SA/JO >] ein Musikbeispiel hören, das mit Hilfe dieser EndoSonoMikroskopie die Zeit unterwirft, nicht eine Musik, die sich der Zeit unterwirft. …“

Zu „Unterwerfung“ assoziieren wir zwangsläufig Begriffe wie Herrschaft, Macht, Herr und Knecht – die Teminologie führt uns in den politischen Raum. Während Kunst, die sich für politische Programme oder Parteien oder auch nur explizite politische Ziele einspannen lässt, notwendigerweise flach wird, hat gute Kunst immer auch politische Implikationen:
Die Sinneswelt der Insekten, die Lebendigkeit der Sonne (denken wir hier ruhig auch an Stanislav Lems “Eden“) – es geht < SA/JO > auch um den Respekt gegenüber der Natur.

Während die Wissenschaft im Erfolgsfall genau sagt, wie die Welt funktioniert, geht die Kunst einen Schritt weiter: indem Kunst sichtbar macht, was ist, zeigt sie uns immer auch, dass es auch anders sein könnte. Kontingenz ist das Stichwort, deshalb geht es der Kunst immer auch um Freiheit.
Sabine Schäfer und Joachim Krebs erzählen uns auf eine fast romantische Weise von der anderen Welt, in der wir leben.
Mit < SA/JO > erleben wir

Geschichten aus unserer anderen Welt.
Jürgen Linde im April 2012

Im Jahr 2020 ist ein hierzu ein “Fortsetzungs-Porträt” erschienen:
Digitale Wege in unsere Welt