E-Mail: syl.ki47@gmx.net
“Schade um die tollen Bilder“ war mein erster Gedanke, als ich in einer Ausstellung in Hohenwart nahe Pforzheim sah, wie die Künstlerin auf die Terroranschläge reagiert hatte: mit teilweise drastischen Übermalungen; mit mehr oder weniger breiten schwarzen und weißen Farbbalken waren die Bilder bis zur Unkenntlichkeit verändert.
Einst hatte Adorno sich getäuscht, als er „Poesie nach dem Holocaust“ für unmöglich gehalten hatte. Genausowenig kann Terror die Bildende Kunst beenden: mit ihrer spontanen Antwort beginnt Sylvia Kiefer einen neuen künstlerischen Prozeß:
Die Übermalungen macht die Künstlerin zum Gegenstand weiterer Bearbeitung:
Als “fürsorglich oder als respektvoll“ könnte man bezeichnen, wie die Künstlerin mit Pflastern und Mullbinden in ihre Arbeiten eingreift, wie sie diese Verletzungen behandelt.
Gleichzeitig beginnt sie, Wörter in arabischer Schrift systematisch als Bildelemente in ihre Arbeiten zu integrieren: Liebe, Achtsamkeit, Gelassenheit, Frieden und Toleranz.
Sicherlich verweist ja auch der terroristische Ausbruch an Haß und Intoleranz dialektisch auf die positiven Gegenbegriffe.
Sylvia Kiefer erarbeitet eine Art Versöhnungsstrategie. Spannend ist, wie sie diese sprachlich leicht zu benennende Aufgabe nun künstlerisch umsetzt:
Die in 2001 übermalten Bilder werden teilweise zerschnitten; es entstehen neue – in jeder Hinsicht vielschichtige Bilder – collagenartig. Aus vielen Einzelelementen bestehend und doch als Ganzes, als Bildeinheit konzipiert. Und wieder geht es weiter: im Jahr 2005 entstehen ganz neue Bilder, die nun die reichhaltigen Elemente der “Collagen“ integrieren. Die Zeilen unten beschreiben den Inhalt der nun folgenden Bilder.
Es bleibt nur
die Liebe
die es vermag
die Hässlichkeit
der Ruinen
mit Sonne
zu überdecken
Der Collage bedürfen diese Bilder nicht mehr: die Übermalungen und Zerschneidungen sind Teil des Ganzen geworden
Die Versöhnung im Bilde ist gelungen, ganz ohne Kitsch und frei von aller Beschönigung: Terror und Gewalt sind Teil dieser einen Bildwelt. Es ist eine ehrliche Versöhnung, nicht trotz, sondern in direktem Angesicht des Schreckens, der hier verarbeitet wurde und bei aller Aktualität eben an sein Gegenteil erinnert: Es bleibt nur die Liebe…
Jürgen Linde im Juli 2005
Sylvia Kiefer