Kerstin Heller im Internet:
Website: www.kerstinheller.de
E-Mail: mail@kerstinheller.de
Kerstin Heller malt und zeichnet; auch Fotografie und Video gehören zu ihrem kreativen Arbeitsbereich, eine Vielfalt, die sich – zuerst vielleicht auf der Website der Künstlerin – kennen zu lernen lohnt, die aber unseren Rahmen hier sprengte.
Sie selbst versteht sich als Malerin und ihre Ölbilder faszinierten mich besonders. Die Bilder wirken häufig wie Ölzeichnungen; die Leinwände verfremdet sie mit chinesischen Papieren, auf denen sie neue Strukturen anordnet und das bereits Vorhandene löscht oder Spuren davon aufscheinen lässt.
In den 90ern studierte Kerstin Heller Religionswissenschaft und Klassische Archäologie, um sich allerdings danach wieder – wie sie sagt – „dem eigenen Punkt, der Linie, dem Fleck“ zu widmen. Vielleicht hat das Studium vom Ursprung von Religionen sie für die Suche nach archaischen Spuren angeregt, spielerisch und immer wieder zweifelnd eine Form und Sprache zu finden.
„Es sind vielschichtige, palimpsestartige Arbeiten. Immer wieder das Wegstreichen des Errungenen, die Anstrengung der Bildfindung darf nicht spürbar sein. Es muss sich dahin schreiben. Der Weg dahin bei jedem Bild wieder eine Herausforderung.“
Hellers Arbeiten haben etwas mit Schrift und dem Schreiben zu tun, und dann überrascht sie sich selbst und andere, auch mich, mit Farbflecken und Punkten, die ihr das bereits vorhandene Bild „angeordnet“ hat.
Doch ist dies für mich nicht der Kern ihres Schaffens, das – bei aller Vielfalt ihrer Arbeit – doch immer hochkonzentriert auf ein Ziel zu steuern scheint. Und dabei hat sie mir es doch eigentlich leicht gemacht: in einer ihrer ersten Mails an mich schreibt sie (ich zitiere dies auch wegen ihrer besonderen und schönen Ausdrucksweise)
„Ich bin Berlinerin und werkte dort auch lange Jahre, Liebesglück hat mich vor einigen Jahren in den Schwarzwald gelockt, seit ca. 5 Jahren mit einem Bein noch bei den Preußen, das andere sich stetig übend im Nuff un Nunner der ungewohnten Berge, jedoch in Ersingen/Kämpfelbach wohl noch mehr Hügel, das Nordrändle des schwarzen Waldes.
Seit dem letzten Winter bin ich mit beiden Beinen hier angekommen und ich bewerke seitdem ein Atelier in Bilfingen.“
Widmen wir uns nun den Bildern und gehen, gemeinsam mit Kerstin Heller, auf Spurensuche…Hellers Arbeiten haben neben dem „Schreiben“ auch viel mit Musik zu tun. Oft geht es der Künstlerin um die Struktur als solche, sie findet Linien und Formen, die man als zeitlos und ortlos empfinden könnte.
Beim Atelierbesuch in Ersingen/Bilfingen staunte ich beim Betrachten ihrer Bilder:
Da ist die Musik: horizontal erscheint mir diese Arbeit wie eine Partitur, während die vertikale recht strenge Struktur den Zeitfaktor, der ja auch in der Musik eminent wichtig ist, deutlich sichtbar macht – daher wohl meine erste Idee für ihre Arbeiten: Raum und Zeit. Vor einigen Jahren war Kerstin Heller in der Bretagne, und auf der kleinen Insel „Gavrinis“ entdeckte sie Steinritzungen in einem sog. Weggrab, deren „Zeichnungen“, ca. 6000 Jahre alt, ihr seltsam bekannt vorkamen und mit ihrem eigenen Tun verwoben. Abstrakte Strukturen, Linienzeichnungen. Der Begriff „zeitlos“ erhält hier offenbar eine eindeutige Bedeutung.
Bestimmt auch gibt es unter den Kunstgeschichtlern und/oder Archäologen Spezialisten, die in dieser speziellen Form spezifische Bedeutungsaspekte erkennen können. Mir genügt es an dieser Stelle, die Zeitlosigkeit der Form als solcher zu bewundern und bestimmt ist es nicht übertrieben, den Duktus dieser Form als Bewegung zu empfinden, zu beschreiben.
Kerstin Heller befasst sich auch mit – fernöstlicher – Philosophie und Religion. Gleich denkt man hier an Meditation und Kontemplation und tatsächlich strahlen ihre dreidimensionalen Malereien eine jedesmal andere, aber intensive Ruhe aus.
Und es ist auch die beschriebene Plastizität auf der Leinwand, die der Arbeit von Kerstin Hellers Ölbildern ihren ganz eigenen Charakter gibt. Die Ruhe dieser Arbeiten erlebe ich nie als Stillstand, ganz im Gegenteil, diese Ruhe ist die
Ruhe der Bewegung.
Jürgen Linde im Januar 2016