Dietmar Zankel
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www.zankel.kulturserver.de (ständig aktuelle Arbeiten)
EigenARTig ist die Kunst von Dietmar Zankel. Was diese ausmacht, wollen wir in Erfahrung bringen; immerhin erscheint die besondere Schreibweise passend, denn auch Dietmar Zankel mag Wortspiele.
Wortspiele jedoch, die die Vielschichtigkeit der Begriffe verdeutlichen, sichtbar machen. Um im kalauernden Bild zu bleiben: Text und Sprache CHARAKTERisieren Zankels Kunst.
Dietmar Zankel bei der Arbeit
Kein Wunder: Charakters – Buchstaben, Zeichen standen am Anfang und bildeten wohl den roten Faden in Dietmar Zankels Berufsleben: Schriftsetzer hat er, seiner Eingebung folgend, in einer Druckerei gelernt, um danach als Metteur bei einer Tageszeitung zu arbeiten.
Dem Rat eines Berufsberaters folgend, ging Zankel zuerst auf eine Werkkunstschule, um sich dann an der FH zum Dipl. Designer auszubilden – während sich die Liebe zur Kunst und zum Zeichnen verstärkten.
Nach vierjährigem Studium arbeitete er in einer Werbeagentur; die ganze Klaviatur der Kommunikation wurde ihm vertraut, als „Ausgleich für den Streß“ verstärkte Zankel seine künstlerische Arbeit: seine ersten beiden großen Siebdrucke kamen sofort in eine große Ausstellung und er wurde Mitglied des BBK.
Meist, so erscheint es auf den ersten Blick, stehen Texte sogar im Mittelpunkt der Arbeiten Zankels, der von sich selbst sagt: „Schreiben ist meine Leidenschaft“.
Es ist jedoch deutlich, daß es sich etwa bei den Bildobjekten Zankels eben keineswegs nur um “Textträger“ handelt, weil der Text eben irgendwo draufstehen muss, auch sind es keine Illustrationen, die den Text sinnbildlich beleuchten, sondern es handelt sich, das ist zu spüren, um eine viel tiefere Verbindung.
Versuchen wir ausnahmsweise anhand konkreter Beispiele, diese besondere Kunst zu verstehen, schauen wir, was und wie Dietmar Zankel arbeitet:
Ein Beispiel ist hervorragend geeignet, weil wir alle uns an den Anlaß noch gut erinnern: Wie andere Künstler auch, hat Dietmar Zankel den Terroranschlag des 11. September 2001 künstlerisch bearbeitet: es entstanden zwei Collagen mit dem Titel “11.9. vor 16 Uhr“ und “11.9. nach 16 Uhr“
Zwei Bilder für Opfer und Helfer
Das zweite Beispiel ist thematisch weniger prominent, zeigt aber vielleicht noch besser, wie Zankel aus weitverbreiteten Symbolen – hier dem Kreuz- ganz individuelle und doch wieder allgemeingültige Bedeutungen entwickelt und wie dabei aus Sprache und Form ein Zusammenhang sichtbar wird,
„Anlass für die beiden Arbeiten ist das Schreckensszenario vom 11. September 2001 in New York. Es ist eine Verbeugung vor den (allen) Opfern, die dem Terror ausgesetzt sind und eine Hommage an die (alle) Helfer. Terror ist aber auch im Kongo und das seit vielen Jahren schon.
Das Stoffkreuz ist das Trauersymbol. Die beiden Fotos (Frau und Mann) stehen gleichermaßen für Opfer und Helfer.
Helfer sind neben den vielen Spendern die Feuerwehrleute, Polizisten, Soldaten und … im kleinen die Helfer (stellvertretend für viele Stille) einer Tierrettungsaktion im bayerischen Bayreuth (www.tierheim.bayreuth.de). Warum dieses Thema? Unter anderem auch deshalb, weil das Tierheim meiner Heimatstadt Nördlingen sofort unterstützend einsprang.
Spektakuläres geht durch die Medien, weniger Spektakuläres wird gar nicht oder nur marginal verbreitet. Was sind die 3,5 Millionen Toten im Kongo?
Beide Bilder haben optische wie inhaltliche Ebenen. Persönliche Gedanken (vor und nach 16 Uhr), mit Graphitstift geschrieben, wurden durch einen Text zum Kongo (BNN, Seite 3 vom 5.6.03) überschrieben. Ebenso wurde mein persönlicher Text beim Bild „nach 16 Uhr“ von dieser Tierrettungs-Aktion in Bayreuth, von einem Text aus dem Nordbayerischen Kurier vom 21.02.2000 überschrieben. Meine eigene Bewertung der großen und der kleinen Ereignisse bleibt verborgen. Der Betrachter selbst hat auf den Bildern viel Freiraum für eigene Gedanken. Unser Daseins-Erleben kann sich durch ein Ereignis blitzartig verändern und uns eine völlig andere Perspektive (oder gar keine mehr) bescheren. Unsere Endlichkeit ist uns dann plötzlich bewusst.“
„Man kann teilen, aber auch zerteilen,etwas abgeben, andere teilhaben lassen oder durch Worte und Taten zerteilen und Abgründe/Grenzen schaffen. Oft teilen wir rücksichtslos aus, z. B. wenn wir unsere Meinung zu Politik, Religion etc. kompromißlos von uns geben. Hat Möllemann geteilt oder zerteilt?
Vertikal (von unten nach oben) geschrieben ein persönlicher Tagebuchtext. Er wird unleserlich durch einen Text aus dem Johannes-Evangelium: “Jesus‘ Kleider werden geteilt”.
Wir lassen uns tragen oder tragen die Dinge mit und stehen zu dem, was um uns herum passiert. Helfen und das Sich-Helfen-Lassen einerseits und zum anderen das Ausnutzen von Hilfsbereitschaft – wenn es sozusagen einseitig wird.
Das Kreuz besteht aus zwei sich mittig überschneidenden persönlichen Tagebuchtexten von Weihnachten 1980 und Ostern 1981. Es entsteht ein unlesbares Quadrat. Die vier Außenflächen sind, dann wieder lesbar, mit der Weihnachtsbotschaft und der Karfreitagsgeschichte – also Geburt und Tod – überschrieben.
Bei beiden Bildern: Das weltweit bekannteste aller Symbole, das Kreuz – es teilt und zerteilt, es trägt und wird getragen. Gibt es somit auf alle unsere Fragen eine Antwort?
Die Bilder haben optische wie auch inhaltliche Ebenen. Das Schreiben ist mir wichtig. Ich hinterlasse persönliche Spuren. Schreiben ist meine Leidenschaft.“
Dietmar Zankels Materialien sind Sprache und Text, was angesichts seiner bisherigen Berufsleben nicht verwundert: in seinen Bildern setzt er die Vielschichtigkeit der Sprache, manchmal auch die einzelner Begriffe, konkret um, etwa wenn er Erfahrungen, die in einem Ereignis aufeinandertreffen, in den dies beschreibenden Texten auch übereinander schreibt, so daß die dabei entstehende Unlesbarkeit verblüffend genau der Empfindung entspricht, die er/man in dieser Situation hatte. Etwa am 11. September um 16 Uhr.
Zu den Helfern beim Terroranschlag, danach durch die Massenmedien international als Helden gefeiert und geehrt, assoziiert er die Helfer bei einer Tierrettungsaktion, eine semantische Parallele, die nichts relativiert, die aber deutlich macht, daß, was passiert, in unserer Sprache bereits strukturell vorhanden ist, vielleicht ist es nur möglich, weil wir es in Worte fassen können.
Diesen Verdacht hatte ich schon lange: so wie bei Kant Raum und Zeit als “Kategorien a priori“ unsere Weltbetrachtung konditionieren, so könnte auch die Sprache bestimmen/begrenzen, was möglich ist. Können wir uns etwas vorstellen, für das wir gar keine Worte hätten?
„Die Poesie schafft mit Sprache Bilder für etwas, das wir konkret nicht benennen können“, wäre hierzu eine Antwort, die uns bei weitem nicht genügt, aber zeigt, wo Kunst und Sprache zueinander finden.
Auch bei Zankel ist dies der Fall, doch ist Dietmar kein Poet, sondern eher (De-) Konstrukteur: er macht semantische Analysen, indem er Sprache bildhaft rekonstruiert. So werden Bedeutungsebenen erfahrbar, die wir im Text selbst gar nicht erkennen.
Es gelingt Dietmar Zankel, uns zu zeigen, daß die Sprache selbst oft mehr Inhalte transportiert, als uns bewußt ist.
Anders als ein Lyriker, der mit dem Werkzeug Sprache Bilder erzeugt, verarbeitet Zankel Schrift und Sprache im künstlerischen Prozeß gleichzeitig konstruierend und dekonstruierend oder auch analytisch; die Texte erhalten in ihrer bildlichen Umsetzung eine eigene Dynamik, Bedeutungsebenen werden sichtbar, die wir in den Texten als solchen noch gar nicht wahrnehmen konnten. Und hier liegt offenbar der gewichtige Unterschied zwischen Illustration und Kunst: während erstere nur Bekanntes veranschaulicht, ist Dietmar Zankels Kunst eine Art semantischer Prozeß. Und wie wir es von guter Kunst erwarten: Dietmar Zankels Kunst macht sichtbar.
Sprache und Kunst finden nicht nur in der Poesie zueinander, sondern auch hier, wo Sprache im allgemeinen und Schrift im engeren Sinne Gegenstand der Arbeit werden, künstlerisches Material in einem klaren und sehr direkten Sinne.
In der Schrift als solcher, wie sie Dietmar Zankel in besonderem Maße vertraut ist durch seine Arbeit als Schriftsetzer und Metteur (das sind die, die mit großen Zeitungszeiten in Blei hantierten), hatten die LETTERN noch eine unmittelbar sinnliche Dimension.
Diese droht verloren zu gehen in unserer digitalen Welt, deren Dauerhaftigkeit kritisch zu sehen ist, und in der Handschriften im engeren Sinne keine Rolle mehr zu spielen scheinen: Demgegenüber verbindet Dietmar Zankel Kunst und Sprache sinnlich-konkret; in seinen – klareren – Worten:
„Die Bilder haben optische wie auch inhaltliche Ebenen. Das Schreiben ist mir wichtig. Ich hinterlasse persönliche Spuren.“
Kunst – persönliche Spuren.
Jürgen Linde im Juni 2004