Internet: www.reiner-packeiser.de
E-Mail: reiner@packeiser.net
„Es gibt mehr Freiheiten, als die meisten Menschen annehmen.
Ich erforsche die Möglichkeiten der Malerei: Polke, Pollock, Penck, Picasso, Picabia, Palermo und andere.“
So beginnt ein Brief, den ich im März 2002 von Reiner Packeiser aus Lörrach erhalte. Mit diesem Anfangssatz, den ich aus noch zu erklärenden Gründen für evident und wahr halte, hat er mich gleich gepackt; schon lange “warte ich darauf“, in einem Künstlerporträt über Kunst und Freiheit schreiben zu können. Schließlich schreibe ich diese Texte ja nicht nur, um KünstlerInnen, deren Arbeit mich begeistert, zu promoten, sondern auch, um Schritt für Schritt der Kunst näherzukommen.
Den Namen Reiner Packeiser aber kannte ich bereits; im September 1999 hatte er, wie Nachforschungen in der Virtuellen Kulturregion ergeben haben, eine Ausstellung in der Galerie Brötzinger Art in Pforzheim.
Mit dem erwähnten Brief hatte mir Reiner eine Mappe geschickt mit drei Fotos (18 x 17 cm) von großformatigen Bildern (150 x 140 cm). “Haus, Stuhl, Bett“ – so die eher lapidaren Titel der farblich/sinnlich sehr intensiven Bilder.
Auf diese Weise, mit Brief und Bildmappe, kontaktiert Reiner Galerien und Kunstschaffende, um Kontakte aufzubauen und ein Netzwerk zu knüpfen; additiv liegt noch eine Antwortkarte mit im Paket, auf der man ankreuzen kann, ob man „einen Besuch / weitere Informationen“ etc. wünscht. Das zeigt: Reiner Packeiser ist ein ehrgeiziger Künstler, der systematisch arbeitet und noch viel erreichen will.
„Ich nehme mir die Freiheit, zu tun, was ich will“ sagt Reiner, als ich ihn Mitte Mai in seinem Atelier in Lörrach besuche. Obwohl Reiner keiner einzigen meiner vielen Fragen ausweicht, sondern in sehr klaren Formulierungen antwortet, erscheinen mir Reiner Packeisers eigene Formulierungen deutlicher, besser erklärend, als mir dies möglich ist. Lassen wir also den Künstler sprechen und nehmen – in Umkehrung der üblichen Vorgehensweise – die Bilder als Erklärung der Worte:
In Anlehnung an einen bekannten Philosophen könnte man sagen, daß wir damit die Kunstvermittlung vom Kopf auf die Füße stellen.
Ohne daß ich sagen könnte, was nun das Besondere an den Farbkompositionen Packeisers ausmacht, was die Musikalität seiner Bilder begründet, kommen wir im Gespräch schnell auf das naheliegende Thema “Farbe“; er will, so sagt er sinngemäß, die Farbe zu sich selbst kommen lassen.
Er spricht im selben Sinne auch von der “Seele der Farbe“ oder formuliert seine malerische Absicht so: “Die Farbe soll ihren Klang erhalten“.
Als ein Mensch, der sich von der Philosophie herkommend mit Kunst beschäftigt, sehe ich auch in diesem „zu sich kommen lassen“ das Thema Freiheit.
Bevor wir aber diese Verbindung genauer untersuchen, lassen wir Reiner Packeiser nun also selbst sagen, was er alles schon getan hat, gerade tut, was er vorhat und wie er sich selbst sieht:
[Reiner Packeiser über sein Leben]
„Es gibt mehr Freiheiten als die meisten Menschen glauben.
Die meisten Künstler legen sich auf eine Arbeitsweise fest und identifizieren sich vollständig damit. Mich interessiert ein freiheitlicher und Bewußtsein erweiternder Ansatz, damit verbunden die Möglichkeiten der Malerei und das bisher Unbekannte, noch nicht Gesehene. Ich erzähle mit meiner Malerei von Freiheit, von der Schönheit des Lebens in seiner Vielseitigkeit und von der Schönheit der Malerei. Meine Malerei ist so vielseitig wie mein Leben.
Ich erforsche die Möglichkeiten der Malerei: Polke, Picasso, Pollock, Picabia, Penck, Palermo und nutze hierzu die unterschiedlichsten Stile und Techniken. Von Pointillismus über Fauvismus zu Farbfeldmalerei, Lasuren, Drip Painting, pastoser Malerei bis zu Materialcollagen.
Malerei ist eine Parallelwelt zur sogenannten „realen“ Welt. An vielen Bildern arbeite ich recht lange, so entsteht ein vielschichtiger Aufbau und die Bilder haben ihre eigene Geschichte. Fertig ist ein Bild, wenn es zu atmen anfängt und aus der Bildfläche herauszutreten scheint. Diese Bilder funktionieren ähnlich wie ein Film: Das fertige Bildresultat gleicht einer Schlußszene. Die Einmaligkeit und die Qualität als Kunstwerk entsteht auch durch die Dramaturgie des Ablaufes. Auf der anderen Seite gibt es frische und unschuldige Bilder, Momentaufnahmen, die in wenigen Arbeitsgängen entstehen und deren Leichtigkeit mich fasziniert.
Mein Leben ist ähnlich vielseitig wie meine Malerei. Ich habe immer gemacht, was mir sinnvoll und wichtig erschien: Kunstkönig mit phallischer Krone, reichlich Aktionen, habe Objekte, Möbelunikate, Keramiken, Siebdruck, Plastiken, Lichtobjekte gemacht, fotografiert und male die unterschiedlichsten Bilder.
Mein Leben: einige Jahre im Theater als bunter, geschminkter Paradiesvogel in selbst genähten Kleidern, Bühnenbildner und Schauspieler. Verschiedene Studiengänge, kann nähen, töpfern, schweißen, schreinern, computern, keine Berufsausbildung, drei Kinder, bis vor kurzem nie fest angestellt, jetzt Leiter der Ausstellungsabteilung im Vitra Design Museum.
Ich bin ein ehrgeiziger Künstler und möchte international an die Spitze. Seit 20 Jahren bin ich in den unterschiedlichsten Bereichen kreativ tätig, meine Ausdrucksfähigkeit und die Bandbreite meiner Ausdrucksmöglichkeiten haben sich entwickelt. Durch die Tätigkeit im Vitra Design Museum erfahre ich vieles über Museen, Mechanismen des Kunstmarktes und entwickle persönliche Kontakte.
Die Zukunft: Ich möchte wieder auf mehr Ebenen künstlerisch arbeiten, neben Malerei auch wieder Skulpturen, fürs Theater und Mode und Möbel. Ein Netzwerk einzigartiger und unterschiedlich arbeitender Künstler verschiedener Sparten. Ein Zentrum und Treffpunkt mit und für solche Künstler und für Kunstliebhaber initiieren. Mehr Kunstwerke anderer Kulturen kennenlernen und in die eigene Arbeit integrieren.“
[Ende des Beitrags von Reiner Packeiser]
Alles kennenlernen, alles ausprobieren, die Möglichkeiten der verschiedensten Maltechniken durch eigenes Tun erfahren, dieses aktive Schaffen, dieses Erleben erscheint mir als Erklärung der besonderen Sinnlichkeit, mit der mich Reiner Packeisers Bilder von Anfang an faszinierten.
Erst der virtuose Umgang mit dem Material erlaubt dem Künstler, diesem sein Recht, seine Innerlichkeit, sein Selbst zu gewähren, es “zu sich kommen zu lassen“ und es nicht für eigene Vorstellungen und Absichten zu benutzen, zu vergewaltigen.
Ebendies ist mein Begriff von Freiheit – und vielleicht stimmt dies überein mit den Vorstellungen von Reiner Packeiser, der sich ja auch mit Philosophie befaßt:
Wenn wir einmal den äußeren, politischen Rahmen eines demokratischen Rechtsstaates voraussetzen, dann ist Freiheit weniger bestimmt durch die Abwesenheit von Verboten, durch das, “was ich darf“, sondern vielmehr durch das, „was ich kann“.
“Frei sein“ bedeutet zuerst (die gesellschaftlich/politische äußere Freiheit hatten wir ja vorausgesetzt) ganz konkret “materiell frei sein“: ein Künstler, der nur das malen kann/muß, was er verkaufen kann, um davon überleben zu können und nicht Hunger zu leiden, ist künstlerisch natürlich nicht frei.
“Frei sein“ bedeutet zweitens, die praktischen Fähigkeiten zu haben: es genügt nicht, eine Idee (ein Bild vor dem “inneren Auge“) zu haben; nur wenn auch die technisch-praktischen Fähigkeiten und Kenntnisse zur Realisierung da sind, ist der Künstler frei zu tun, was er will. In diese Richtung denkt Reiner Packeiser, wenn er sagt: “Ich erforsche die Möglichkeiten der Malerei…“
“Frei sein“ bedeutet nicht zuletzt, loslassen zu können, den Wesen und den Dingen ihr Recht zu lassen; Freiheit bedeutet auch Respekt.
Diese Freiheit höre ich beispielsweise in der Musik Arvo Pärts, und diese Freiheit finde ich in Reiner Packeisers Malerei, durch welche er die “Seele der Farbe“ zu sich kommen lassen will.
Jürgen Linde, Juni 2002
Im Jahr 2022 ist ein hierzu ein “Fortsetzungs-Porträt” erschienen:
Unschärfe der Wirklichkeit