…Im Namen Mephistos – über Inge Rau

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…Im Namen Mephistos – über Inge Rau
„Echt ätzend“ war meine erste Idee für den Titel dieses Porträts über die in Biberach lebende Künstlerin Inge Rau, deren derzeit wichtiges Arbeitsmittel Säure ist – mit verschiedenen Säuren bearbeitet sie Stahlplatten, sie ätzt also wirklich. Rost ist ihre Kunst – Metall und Säure sind ihre Werkzeuge. Vergänglichkeit ist also auch unser Thema, das hier auf neue Weise sichtbar wird.

Ausstellung „Zeitspuren“, 2016, Galerie im Petrushof, Obermarchtal
© Foto: Steffen Dietze

Aber nein, als ich die sehr differenzierten, und, ja, feinfühligen Bilder livehaftig sehe, die Inge Rau mit ihrer besonderen Arbeitsweise produziert, war mir klar, dass der Titel nicht stimmt, nicht passt.

Alles ist schwieriger und interessanter und wir beginnen chronologisch: Die Künstlerin hat sich nach ihrem Kunststudium zunächst jahrelang mit allen „herkömmlichen“ Techniken des Druckens auseinandergesetzt – Hochdruck, Tiefdruck, Siebdruck – Techniken, die sie auch weiterhin verwendet, die aber heute kaum mehr im Mittelpunkt ihrer Arbeit stehen.

Tahoe III, 2018 | 80 x 80cm; Säurekorrosion auf Stahl | © Foto: privat | © Foto: Inge Rau, VG Bildkunst Bonn, 2020

Säure auf Metall, aber auch auf Leinwand und sogar auf Papier – die Künstlerin hat die Möglichkeiten, mit diesen Materialien künstlerisch zu arbeiten und zu gestalten in vielen Versuchen erforscht und wir wollen hier die Details ihrer Techniken nicht verraten.

Geheimnisvoll bleiben die Ergebnisse: Rost erzeugt die Künstlerin – in typischen Rostfarben und dann sogar auch im Spektrum der Türkisfarbtöne; ich darf verraten, dass hierzu eine Vorbehandlung der Flächen mit Kupfer erforderlich ist – “normale“ Farben, Öl, Acryl oder reine Pigmente setzt Inge Rau nicht ein.
Rost – das ist doch, wenn etwas vergammelt, kaputt geht, Zerstörung, das damals teure Auto verrostet und ist nix mehr wert.
Ja.

Ja, Aber: genauer betrachtet ist Rost zuerst einmal nur Veränderung: Oxidation, Korrosion. Wasser und Sauerstoff bewirken eine Veränderung des Materials.

Trisk I bis III; 2017
je 60 x 28 cm; Säurekorrosion auf Stahl | © Foto: privat

Eine Veränderung, die sowieso stattfindet. Hier aber greift die Künstlerin aktiv ein und steuert den Prozess. Inge Rau produziert „Rostbilder“, die manchmal unausweichlich Assoziationen an Landschaften evozieren; auch andere gegenständlich wirkende Elemente kann sie einbauen, wobei der Prozess, den sie mit Säure auslöst, natürlich nie 100%ig kontrollierbar ist.

Wir erinnern uns daran, dass der Künstler ja nicht klüger sein wollen sollte als sein Material. Und Inge Rau ist hier konsequent und gibt ihrem Material einen Teil der künstlerischen Freiheit. Und doch ist, was geschieht, kein Zufall – Physik und Chemie bestimmen den Ablauf und wohl auch das Endergebnis.

Trisk II (Detail). 2017 | 60 x 28 cm; Säurekorrosion auf Stahl | © Foto: privat
© Foto: Inge Rau, VG Bildkunst Bonn, 2020

Oder sind hier vielleicht doch höhere Mächte im Spiel – Intuition, oder Geist? oder gar teuflische Aspekte? Wir wissen es nicht, aber wir konsultieren den obersten Kenner der ganzen Wissenschafts-Welt und der Philosophie. Klar: Den guten alten Dr. Faust.

Und dem hat ja seinerzeit Mephisto verraten: alles, „was besteht, ist wert, dass es zugrunde geht“.
Vor diesem ganzen doch eher überkomplexen Hintergrund erscheint mir die Arbeit von Inge Rau als Kunst

…im Namen Mephistos.

Jürgen Linde im November 2018

Da dies ja auch uns alle betrifft, möchte ich 3 Gedichte anfügen, die sich mit dem Thema des Alterns und der Vergänglichkeit befassen:

mach es Dir endlich leichter
sagst Du Dir,
alter Mann.
Lass den Dingen ihren Lauf

Inge Rau im Atelier, 2016 | © Foto: privat

Tag um Tag
wird die Vergangenheit mehr
hat sie doch
keine andere Wahl

Coiron VIII, 2018
40 x 40cm; Säurekorrosion auf Stahl | © Foto: privat

Frühling schon wieder,
unsere Zeit verrinnt
auf dünnerem Eis
also
tanzen wir!