If too perfect, lieber Gott böse – über Christian Schmid

Christian Schmid im Internet: | Website: www.auf-der-suche-nach-colorado.de
E-Mail: schmidcn@hotmail.com


Christian Schmid

habe ich fast zeitgleich kennen gelernt wie den Bildhauer aus unserem letzten Künstlerporträt, Oliver Schuß.

o.T., 2007; Öl und Sprühlack auf Leinwand, 17x25cm
© Christian Schmid, VG Bildkunst Bonn 2020

Diese zeitliche Verbindnung ist sicher Zufall. Hinsichtlich unseren Künstlerporträt-Serie aber ergibt sich eine sinnvolle Reihenfolge: auch der Maler Christian Schmid thematisiert stark Reduktion und Abstraktion im Sinne der konkreten Kunst. Anders aber als Oliver Schuß verarbeitet Christian Schmid erzählerische Elemente direkt in seinen malerischen Arbeiten.

Aus der Verbindung klarer und einfacher Bildaufteilung und den Strukturmustern und Schraffuren ergibt sich eine ganz eigenwillige Spannung, die ich natürlich erklärt haben wollte:

Mit dem Hinweis auf die für ihn wichtige Ausstellung „Ornament und Abstraktion“ (Foundation Beyeler Juni bis September 2001) erklärt Christian Schmid bescheiden und klar, wie er auf diese Verbindung gekommen ist:

o.T., 2006; Öl und Sprühlack auf Leinwand, 20x30cm
© Christian Schmid, VG Bildkunst Bonn 2020

Die ganz einfachen, geometrischen Elemente, die wir heute mit der konkreten Kunst verbinden und die sich sich durch endlose Wiederholung ergebenden Strukturen und Muster gibt es schon sehr lange; vom alten Ägypten bis zum Barock finden wir diese in Ornamenten und ähnlichen Strukturen.

So wird verständlich, dass Christian Schmids Arbeiten verblüffend und spannend sind und doch von Anfang an auch sehr stimmig wirken.

Die Reduktion hat Schmid auch dahingehend vorangetrieben, als er eigentllich gar nicht mehr „malt“: die Leinwände, die der Maler durchweg selbst auf Holzrahmen aufzieht und die immer auch Bildobjekte sind, entstehen meist aus gespachtelter Ölfarbe und gesprühtem Lack.
Natürlich bleibt somit ein Anteil persönlicher Geste, denn der Künstler führt selbst die Spachtel und produziert und platziert die Sprühschablone; bei den größeren Arbeiten, bei denen Schmid ein Motiv immer wieder in mehreren Reihen übereinander wiederholt, entsteht somit eine Reihe faktisch jeweils verschiedener Originale.

Vielleicht ist es ein kritisches, allemal dann aber auch ironisch-fröhliches Statement zur konkreten Kunst und deren Anspruch auf die Freiheit von persönlichen Gesten.

„PICT3731-2“, 2008; Öl und Sprühlack auf Leinwand, 125x175cm
© Christian Schmid, VG Bildkunst Bonn 2020

Auch gegenüber etwa einem Andy Warhol, der auch die beliebige Wiederholbarkeit eines Bildes im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit thematisierte, macht Christian Schmid sichtbar, dass auch die Wiederholung die Individualität nicht aufhebt.

Schmunzelnd zeigt mir Schmid, wie er in seine Wiederholungen sytematisch“Fehler“ einbaut, wie dies auch heute noch bei asiatischen Teppichen gemacht wird.

„PICT3528“ , 2008; Öl und Sprühlack auf Leinwand, 90x151cm
© Christian Schmid, VG Bildkunst Bonn 2020

Ich habe selbst nie geglaubt, dass die technische Reproduzierbarkeit die Kunst, deren Wert oder auch gar deren Aura, in Frage stellen könnte.
Mit seinen gewollten Abweichungen zeigt Christian Schmid dies auf eigenwillig-kunstvolle Weise, er erinnert damit an ein Zitat des großen Medienkünslters Nam June Paik:

„If too perfect, lieber Gott böse.“
Jürgen Linde im Februar 2011