Internet: www.kress.kulturserver.de
E-Mail: christa-kress@web.de
Expressive Farben, Arbeiten im Grenzbereich zwischen Figuration und Abstraktion – der Katalog, durch den ich Christa Kress’ Malerei kennen lerne, begeistert.
Der Katalog wurde gestaltet von einem Freund, dem Künstler Dietmar Zankel. Wenige Tage später treffe ich ebendiesen bei einer Vernissage in Rastatt – gemeinsam mit Christa Kress. Bei der Rückfahrt lerne ich eine starke Frau mit starker Stimme kennen und wir vereinbaren, bald über ein Künstlerinnenporträt zu sprechen.
Bei der Malerei der Künstlerin geht es einmal mehr um die Verbindung von Bildender Kunst und Musik: die Lebensgeschichte von Christa Kress ist so interessant, daß wir hier ausnahmsweise mit biographischen Informationen beginnen. Die Malerin und Grafikerin Christa Kress befand sich in den 60er Jahren mitten in einer glänzenden Karriere als Opernsängerin, die dann durch eine schlimme Krankheit beendet wurde.
Ein schwerer Schlag, den die Künstlerin, die bis heute eine große Sprechstimme hat, insofern auch als Befreiung erlebte, als sie nun frei war, jedenfalls zeitlich, Tun und Lassen zu können, was sie wollte. Bis heute blickt Christa Kress zurück ohne jede Bitterkeit. Sie hat für ihr künstlerisches Schaffen eine andere Form gefunden – die Bildende Kunst.
Christa Kress hat schon während ihres Musikstudiums engagiert gemalt und gezeichnet und im Atelier der Tante Clara Kress mitgearbeitet, sie betrat also keineswegs Neuland.
Selbstkritisch war für sie klar, dass sie sich auch in die Bildende Kunst professionell einarbeiten würde. Durch ein Doppelstudium: Parallel zu Malerei und Grafik an der Karlsruher Kunstakademie studierte sie Kunstwissenschaft an der Universität Karlsruhe.
Die hohen Ansprüche, die die Künstlerin, die sich in der Oper nur in den großen Rollen richtig gefordert sah, an sich und ihre Arbeit stellt, haben sich mit dem Wechsel des Metiers nicht geändert. Viele Grundpositionen bleiben unverändert: Die ständigen Termine und das extreme Lampenfieber vor den Auftritten sind weggefallen, doch Begeisterung und Hingabe sind dieselben.
Leider habe ich nicht mitgeschrieben, als Christa Kress ihre größten Momente auf der Bühne beschreibt; begleitet von großen, raumgreifenden Gesten erinnert sie sich an das Gefühl, bei schwierigsten Gesangspassagen zu brillieren…Wenn alles stimmt, wenn die Künstlerin und die Kunst ganz bei sich sind, diesen Moment des “Erfülltseins“ hat Christa Kress gut erklärt: ein Gefühl der Zeitlosigkeit, einer Verbindung zur Ewigkeit. Auch wer nicht künstlerisch tätig ist, spürt in Momenten intensivsten Lebens auch die Präsenz des Todes – in schwer zu erklärender Weise.
Selbst weder katholisch noch Kirchgänger, finde ich eine sehr gute Analyse dieses vermeintlichen Widerspruchs bei einem der bedeutendsten lebenden Philosophen, bei Papst Benedikt XVI, in dessen aktueller Enzyklika über die (christliche) Hoffnung:
“Wir können nur versuchen, aus der Zeitlichkeit, in der wir gefangen sind, herauszudenken und zu ahnen, dass Ewigkeit nicht eine immer weitergehende Abfolge von Kalendertagen ist, sondern etwas wie der erfüllte Augenblick, in dem uns das Ganze umfängt und wir das Ganze umfangen…
(zitiert nach FAZ vom 01.12.2007, Seite 8)
“Ich habe mir keine meiner Aufgaben wirklich selbst ausgewählt“ erklärt die Künstlerin, die ihr Verhältnis zu den Künsten als eine Art Ausgeliefertsein erläutert. Etwa in diesem Sinne hatte ich in einem früheren Porträt den Maler Uwe Lindau charakterisiert als einen Menschen, den die Hoffnung nicht aufgibt. Hoffnung ist das zentrale Thema im Text des Papstes, der auch zu den hier liegenden Widersprüchen Erhellendes sagt:
“Wir möchten irgendwie das Leben , das eigentliche, das dann auch nicht vom Tod berührt wird; aber zugleich kennen wir das nicht, wonach es uns drängt. Wir können nicht aufhören, uns danach auszustrecken, und wissen doch, dass alles das, was wir erfahren oder realisieren können, dies nicht ist, wonach wir verlangen. Dies Unbekannte ist die eigentliche “Hoffnung“, die uns treibt, und ihr Unbekanntsein ist zugleich der Grund aller Verzweiflungen wie aller positiven und aller zerstörerischen Anläufe auf die richtige Welt, den richtigen Menschen zu.“
(zitiert nach FAZ vom 01.12.2007, Seite 8)
Hoffnung in diesem Sinne ist zweifellos eine der großen Stärken der Künstlerin Christa Kress, die ihr Leben vielleicht deshalb so souverän meistert, weil sie wusste, dass sie das Unbekannte, das “Vom Ganzen Umfangen werden“, das sie in der Musik schon wiederholt erlebt hatte, in der Malerei würde wiederfinden können.
Christa Kress, die neben den meist großformatigen farbintensiven Ölbildern auch sehr konzentrierte Radierungen macht, arbeitet meist an mehreren Arbeiten gleichzeitig. Dabei ist sie im Atelier ständig in Bewegung wie früher auf den Theaterbühnen; am Tisch sitzend zu malen kann sie sich gar nicht vorstellen.
Zeichnerische, mehr oder weniger figürliche Elemente finden wir in fast allen Bildern von Christa Kress; tatsächlich gegenständlich aber ist keine der Arbeiten, die sie mir in ihrem Atelier zeigt. In ihrem Diptychon “Phasen der Venus – Morgenstern“ und “Phasen der Venus – Abendstern“ ist das Licht dieses Sterns als solches Thema ihrer bildnerischen Arbeit.
Morgens der erste und abends der letzte sichtbare Stern – Christa Kress’ gewaltiges Diptychon evoziert in seiner Verdopplung erneut Zeitlosigkeit, Ewigkeit. Licht ist gleichermassen Material wie Reflexionsgegenstand dieser Malerei.
Ich möchte das erste Zitat (s.o.) des Papstes an dieser Stelle fortsetzen: Wenn alles gelingt, alles stimmt, so ist dies wie das “Eintauchen in den Ozean der unendlichen Liebe, in dem es keine Zeit, kein Vor- und Nachher mehr gibt. Wir können nur versuchen, zu denken, dass dieser Augenblick das Leben in vollem Sinne ist, immer neues
Eintauchen in die Weite des Seins“…
Jürgen Linde, im Dezember 2007