Internet: http://www.heiko-pippig.de/
E-Mail-Kontakt: nina@kessler-mosbach.de.
Die ersten Bilder von Heiko Pippig, die ich gesehen hatte, gehörten zur Gruppe seiner “Menschheitssstudien“. In diesen sagen wir: “halbgegenständlichen“ Arbeiten , durchweg in Mischtechnik mit Schwerpunkt Acrylfarbe, mischen sich Farbräume, Figur und Raum zu jeweils gewaltigen Gesamteindrücken. Erscheinen auf einem Bild mehrere Personen, so wirken diese voneinander getrennt und doch auf eigentümliche Weise miteinander verbunden. Verletzungen, Hoffnungen, Identitätssuche und Einsamkeit, auch Gewalt, viel Liebe. Diese Kunst lebt: eine tiefe Berührung, die ich noch nicht zu erklären vermag.
Angesichts des sehr konzentrierten Einsatzes von Farben in den Körpern und Köpfen scheint eine psychologisierende Interpretation naheliegend.
Die dialektische Verbindung zwischen Innen- und Außenwelt unter Aspekten der Farbenpsychologie wäre dann der Leitfaden für unsere Überlegungen.
Doch ist hier nicht der Platz für eine farbpsychologische Abhandlung, stattdessen wollen wir wie gewohnt streng intuitiv vorgehen.
Jetzt, nachdem ich Heiko Pippig kennengelernt habe, bleiben mir vor allem zwei sehr subjektive, doch auch nachhaltige Eindrücke:
1. Die Farbe Rot, die nur wenige seiner Arbeiten dominiert, ist für Heiko Pippig sehr wichtig.
2. Pippig malt seine eigene Welt, die natürlich auch die unsere ist, nur eben in seinem ganz spezifischen künstlerischen Sehen.
Beginnen wir mit der Farbe Rot, die ja sehr stark assoziiert wird mit Liebe, Erotik und Leidenschaft – und zwar – in dieser Reihenfolge – von 90,70 und 60 Prozent der Menschen.
Ebenfalls 60 Prozent der Befragten denken bei Rot auch an Wut und Zorn; jeder zweite assoziiert Hass zu dieser Farbe.
Nun sind ja Wut und Zorn keineswegs etwas Schlechtes, sondern im Gegenteil; oft etwas sehr Gesundes – denken wir etwa an die Wut, die uns hilft, uns zu verteidigen gegen einen Angriff.
Wer alles in sich hineinfrisst, statt wütend zu werden, schadet sich selbst.
Insgesamt empfinde ich Heiko Pippigs Bilder als sehr lebensbejahend, auch weil sie mir helfen oder ermöglichen, etwas zu sehen, was ich nicht auf Anhieb sehe, womit wir bei Punkt zwei sind:
Zu 2. Das besondere Sehen des Künstlers.
Mit dem Böblinger Künstler und Wahrnehmungstheoretiker Ralf Rabemann unterscheiden wir zwischen dem „normalem, oberflächlichen, betrachtenden Sehen des Offensichtlichen“ und dem „echten, eigentlichen, wahrnehmenden Sehen des Verborgenen“.
Ein genialer Seher des Verborgenen war für mich immer Franz Kafka.
Viele – die, die ihn meines Ermessens nicht verstehen – glauben ja, Kafka schildere eine ganz eigene Welt, wie dies womöglich ein Sciencefiction-Autor tut (auch da stimmt dies meist nicht).
Tatsächlich – für mein Empfinden jedenfalls – beschreibt Kafka genau unsere Welt, nur eben mit einer ungewöhnlichen Sensibilität und wohl auch mit bestimmten Prioritäten. Alles, was er beschreibt, kennen wir irgendwie auch. Dazu müssen wir nachdenken und manchmal auch anders, jedenfalls genauer sehen, suchen und spüren.
Ebendies gilt auch für Pippigs Bilder, die uns Verbindungen zeigen zwischen Außenwelt und Innenwelt. Verbindungen, die wir farbpsychologisch analysieren könnten, die wir aber auch sehen können.
Wieder einmal entdecken wir Verbindungen zwischen den verschiedenen Bereichen der Kunst; hier zwischen Bildender Kunst und Literatur. Auch den passenden Titel für dieses Porträt und somit für die künstlerische Arbeit von Heiko Pippig entdecke ich in der Literatur – bei Peter Handke:
Die Innenwelt der Außenwelt der Innenwelt
Jürgen Linde, im Februar 2008