Susanne Ackermann

von der Krähen Heiserkeit – über Susanne Ackermann

„Susanne Ackermann – Lux“ – war der Titel der Ausstellung in der Städtischen Galerie Karlsruhe, bei der ich Susanne Ackermann endlich persönlich kennen lerne. Ihre künstlerische Arbeit war mir längst bekannt – etwa von Ausstellungen der Galerie Weigand in Ettlingen.

Susanne Ackermann – Lux
Ausstellung in der Städtischen Galerie Karlsruhe
je 180 x 160 cm , Acryl / Nessel , 2011; © Foto: Heinz Pelz;
alle Arbeiten courtesy Galerie Heinz-Martin Weigand
Susanne Ackermann – Lux
Ausstellung in der Städtischen Galerie Karlsruhe
je 180 x 160 cm , Acryl / Nessel , 2011; © Foto: Heinz Pelz

Nun ist sie in diesem Jahr ausgezeichnet worden mit dem Hanna- Nagel Preis. Zu diesem Preis, der in der Städtischen Galerie Karlsruhe übergeben wird, gehört auch eine Ausstellung im Forum ebendort.

Zu erleben waren hier Arbeiten aus den verschiedenen Werkgruppen der Künstlerin – von den extrem fein strukturierten mit Buntstiften erstellten Linienzeichnungen bishin zu den “Schleifen“, die Susanne Ackermann mit breitem Pinsel in verdünnter Acrylfarbe auf die Leinwand bringt – in vielen Schichten, so daß eine ganz eigenwillige, sehr intensive Räumlichkeit entsteht.

Ackermanns Werkgruppen sind keinesfalls identisch mit – chronologisch aufeinander folgenden – Schaffensphasen. Die Künstlerin erklärt, dass sie oft an zwei oder mehreren Werken gleichzeitig arbeitet und dass die verschiedenen Werkgruppen jeweils weiterentwickelt werden.

Susanne Ackermann – Lux
Ausstellung in der Städtischen Galerie Karlsruhe
© Foto: Heinz Pelz

Was all diese Arbeiten verbindet, benennt Susanne Ackermann selbst sehr genau: „die Fokussierung auf Raum mit den Mitteln der Überlagerung“.

Ich hatte die philosophisch sehr reflektierende Künstlerin gebeten, doch einmal selbst zu formulieren, was ihre Arbeit oder deren Kern ausmacht. Mit folgendem Text hat sie geantwortet:

Susanne Ackermann über ihre Arbeit

“Meine Vorstellung von Raum soll die paradoxe Wahrnehmung vermitteln, dass sich aus der Vielschichtigkeit und der Gleichzeitigkeit eine Verlangsamung ergibt. Rein rational sind die Farbschichten nicht mehr nachvollziehbar. So entziehen sich die Arbeiten einem schnellen Erfassen und fordern eine eher intuitive Annäherung. Und eben Zeit – Zeit und Ruhe im Entstehungsprozess und ebenfalls eingefordert bei der Betrachtung . Der zweidimensionale Bildträger öffnet in einen fast unendlichen Raum.
Es ist für mich eine Entwicklung, die stetig ist und mich immer wieder fordert, mit großer Konzentration.

Polychromos / Transparentpapier,2011
je 70 x 50 cm; © Foto: Heinz Pelz

Mit meiner Arbeit betrete ich einen mir unbekannten Raum, in dem ich versuche, mit möglichst einfachen Formen und transparenten Farbschichten, sprich Licht, eine Öffnung in der Wahrnehmung zu erreichen. Dabei interessiert mich keine Vereinzelung, keine Hirarchie der einzelnen Bildelemente in Beziehung zueinander. Ich gehe mit den einzelnen Formen immer so um, als gäbe es keine Alternative. Form, Farben und auch der Einsatz des Pinsels ( bestimmte Pinselbreite und bestimmte Pinselführung ) werden reduziert benutzt. An diesem eingesetzten Prinzip interessiert mich jedoch hauptsächlich das Nicht – Kalkulierbare. Es gibt Ansätze in der Psychologie, dass man einen Raum erst verlassen und den nächsten betreten soll , wenn dieser erste Raum vollkommen ausgelotet und bespielt ist. Dass man sich also nur Herausforderungen stellt, denen man auch gewachsen ist. Wobei Räume als Erfahrungen, Lebens – und Sinnzusammenhänge zu begreifen sind. Die Räume, die ich entwerfe, sind imaginäre, offene Landschaften, in denen Hierarchien keine Rolle spielen.

Die Zeit dehnt sich unendlich oder bleibt stehen, je nachdem welchen Betrachtungspunkt man einnimmt. Alles kann gleichzeitig geschehen und damit ist die Möglichkeit ständiger Veränderung gegeben. Die eingesetzten Formen rufen Assoziationen und Erinnerungen wach, sind jedoch eigenständige Ausdrucksformen. Konzeptuelle Überlegungen und kompositorische Entscheidungen verschieben sich in den bildnerischen Prozess selbst . Ich versuche einen Raum zu erzeugen, der mich spiegelt in meiner Erfahrung mit dem Medium Malerei und dem Betrachter einen möglichst offenen Erfahrungs – und Denkraum bietet.“

Sehr konzentriert beschreibt Susanne Ackermann ihre Motivation und recht abstrakt sind diese Gedankengänge.

Acryl / Nessel, 2010
120 x 140 cm; © Foto: Heinz Pelz

Abstrakt – im Sinne von konsequent ungegenständlich – ist dann auch die malerische und zeichnerische Arbeit unserer Künstlerin, die wir dennoch der konkreten Kunst nicht zuordnen können. Und auch nicht wollen: nicht mathematisch-nüchtern, sondern viel mehr belebt, fast als lyrisch erlebe nicht nur ich diese Kunst. Wo liegt das Geheimnis?

Im ersten Katalog (aus dem Jahr 2002), den ich von Susanne Ackermann habe, finden wir im Katalogtext von Margrit Brehm (“Eine konkrete Illusion“) einen möglichen Ansatzpunkt: Auch wenn wir angesichts dieser Arbeiten nicht an die konkrete Kunst denken, so verweist doch die konsequente Ungegenständlichkeit von Ackermanns Bildern auf deren radikalen Ansatz:

„Als die konkrete Kunst zu Beginn des 20. Jahrhunderts antrat, das Bild aus seiner dienenden Funktion und damit von jeglichem Verweis auf die Wirklichkeit – oder noch radikaler: auf kunstfremde Inhalte – zu befreien, erfuhren die bildkonstituierenden Faktoren, also Linie, Farbe, Oberfläche und Format, eine bis dahin undenkbare Aufmerksamkeit.“

Acryl / Nessel, 2010
120 x 140 cm; © Foto: Heinz Pelz

Margrit Brehm bezieht dann Susanne Ackermanns Arbeitsweise auf eben diese Faktoren: In jeder ihrer Werkgruppen verwendet Ackermann jeweils nur eine bestimmte Technik: zeichnet sie gerade Linien mit Buntstiften, so besteht das Bild definitiv nur aus geraden – jeweils immer gleich breiten – Linien von Buntstiften. Malt sie mit breitem Pinsel Schleifen aus verdünnter Acrylfarbe, so finden sich in diesen Bildern auch keine anderen Elemente.

Ganz anders aber als etwa ein Morellet, dessen konkrete Kunst eher an der Mathematik / Geometrie orientiert scheint, stellen sich hier nun sehr lebendige Assoziationen ein:

Susanne Ackermann – Lux
Ausstellung in der Städtischen Galerie Karlsruhe
© Foto: Heinz Pelz

Konsequent ungegenständlich arbeitet unsere Künstlerin dennoch formal undogmatisch und wir sehen, dass in formaler Strenge dennoch sehr lebendige Bilder entstehen. Lyrische Assoziationen bedürfen offenbar keiner romantischen Naturbeobachtung.

Vielleicht ist es wirklich so, dass wir (den)noch die Chance haben, die Natur in uns selbst zu finden.

“Nach innen geht der geheimnisvolle Weg“ schrieb seinerzeit Novalis. Tatsächlich scheint mir die in der Romantik postulierte Ganzheitlichkeit durchaus aktuell zu sein.

Wer wie ich die Zeichnungen von Susanne Ackermann als lyrisch erlebt, wird dazu seine eigenen „Bilder“ haben.

Polychromos / Transparentpapier, 2011
50 x 70 cm; © Foto: Hein Pelz

Für mich trifft Charlotte Ueckert mit ihrem Gedicht „Nebel“ (Uli Rothfuss‘ Gedicht des Monats im Dezember 2009) genau die Stimmung der obigen – sehr erzählerischen – Buntstiftzeichnung:

Daraus eine Strophe:

Durch atembeschwerliche
Zwischenwelt, bestimmt

von der Krähen Heiserkeit

Jürgen Linde, im Juli 2011