Frank Thissen ist eigentlich gar kein Künstler.
Was dann? Er ist Medien-Didaktiker, Multimediaexperte, Professorfür Multimedia Didaktik, Dozent, Buchautor, Webdesigner, Philosoph, Germanist, Familienvater, und all das mehr oder weniger gleichzeitig.
Frank Thissen hat also reichlich zu tun und überhaupt keine Zeit. Daß er all dies bewältigt, ist sicher auch eine Kunst, aber nicht die Art von Kunst, die frau/man in einem Künstlerporträt erwartet.
Frank Thissen ist eigentlich doch Künstler.
Er ist Photograph, ein ganz hervorragender und eigenwilliger noch dazu. Und es fällt erfreulich auf, daß sich Frank doch Zeit zu nehmen weiß, wenn es um die Kunst geht.
Zum Fotografieren kommt er zwar selten, aber wenn, dann tur er dies mit großer Ruhe und Konzentration. Auch als er da war, um über die geplante Ausstellung in der Galerie SWO zu sprechen, sagt er, er habe soviel Zeit für das Gespräch, wie wir eben brauchen würden. Daß der Gesprächstermin zuvor zweimal recht kurzfristig verlegt wurde, um dies zu ermöglichen, nehme ich dann natürlich gerne in Kauf.
In diesem Gespräch erfahre ich – nun schon kaum mehr überrascht – daß Frank nicht allein sehr viel gleichzeitig tut, sondern dies sogar noch durch die Vielfalt der zeitlich nacheinanderfolgenden Tätigkeiten übertroffen wird.
Frank Thissen berichtet mir aus seinem bisherigen Leben, wobei zunächst mal noch der Eindruck der neuen Unübersichtlichkeit wächst…
Aber auch eine entgegengesetzte Tendenz wird sichtbar; etwa zwei rote Fäden lassen sich entwirren: immer wieder aufgenommen wird – anhand verschiedenster Gegenstandsbereiche – das Fotografieren, daneben fallen immer wieder Lehrtätigkeiten auf – die natürlich auch wieder durch eine beeindruckende Vielfalt gekennzeichnet sind.
In Franks „Fotografischer Laufbahn“ finden wir ”Theaterfotos” (1982-85), “Fotos von Bäumen” (1983), schließlich aber auch Fotos von etwas, das man gar nicht sehen kann:
Fotodokumentation „Deutsch als Fremdsprache” (1986). In ähnlich anspruchsvoller Richtung folgte ein Projekt im Jahr 1990; Frank berichtet: „das Jahr 1990 war das internationale UNESCO-Jahr der Alphabetisierung.
In diesem Jahr gab es die Ausstellung „Zwischen Byte und Böll. Schriftsprache in der hochtechnisierten Gesellschaft“, die sich mit der Situation deutschsprachiger Analphabeten (geschätzt 3%) auseinandersetzte. Die Ausstellung wurde von mir und einer Gruppe von Teilnehmern eines Volkshochschul-Fotokurses vorbereitet (ein Jahr lang) und im April 1990 im Weiterbildungszentrum Düsseldorf eröffnet. Es fand eine Vernissage statt. Die Ausstellung wurde sehr beachtet, weil sie etwas zeigte, was man eigentlich nicht zeigen kann. Seitdem wird sie von der Volkshochschule Düsseldorf verliehen und reist als Wanderausstellung durch Deutschland.“
Dieses doch recht abstrakte Thema ist Ausdrucks von Franks Wille, lebendige Bilder zu machen. Als Frank von seiner fotografischen Entwicklung erzählt, nennt er auch eine Reihe von Vorbildern, deren chronologisches Aufeinanderfolgen (als Vorbilder) auch seine Entwicklung kennzeichnet:
Nach der anfänglichen Begeisterung für die perfekte Technik eines Ansel Adams und der eigenen intensiven Auseinandersetzung mit der Technik selbst, spürt Frank sehr schnell, daß hier die Lebendigkeit fehlt, die er selbst jedoch erreichen will. Ein späteres „Vorbild“, Diane Arbus, charakterisiert Frank mit diesem schönen Zitat: „Fotografie ist ein Geheimnis über ein Geheimnis“
Für mich paßt dieses Zitat perfekt auch auf Frank Thissen: das Vermittelnde des Mediums, die didaktischen Möglichkeiten seiner Nutzung gewinnen für die Arbeit selbst eine zentrale Bedeutung. So wie sich ein Maler mit Möglichkeiten und Grenzen der eigenen Werkzeuge und damit letztlich denen der Malerei als solcher, als Medium, auseinandersetzt, so analysiert Frank Thissen die Fotografie:
Das Fotografieren eines Gegenstandes, der schon „an sich“ etwas Mystisches haben mag, wird durch die mediale Bearbeitung der Fotos nochmals mystifiziert – was verwirrend oder klärend oder normalerweise beides gleichzeitig ist.
Schließlich lautete ja auch ein Versuch, seinen „Beruf“ zu beschreiben, „Multimedia-Didaktiker“. So ist inzwischen nicht mehr verwunderlich, daß Frank neben seiner Haupttätigkeit als Professor an der FH Stuttgart parallel ein Buch schreibt, das zwar Screendesign-Handbuch“ heißen wird – und auch WebSiteDesign zum Thema hat.
Dahinter aber steht ein Designverständnis, welches die komplette Auswahl und strukturelle Aufbereitung der Inhalte behandelt, die jemand im Internet verfügbar machen will. Klar, daß neben verschiedenen Negativ- und Positivbeispielen auch die „Virtuelle Kulturregion SWO“ als bewährtes Vorbild genannt werden wird.
Auch bei den Webdesignaktivitäten könnte sich bei Frank ein Weg zur Kunst auftun: Genauso wie er beim Fotografieren die genaue Kenntnis und Beherrschung der Technik als Voraussetzung der künstlerischen Arbeit sieht, genauso könnte die Beherrschung des kompletten Instrumentariums des Webdesigns – natürlich einschließlich aller didaktisch relevanten Aspekte – Freiräume schaffen, in denen Webdesign zur WebKunst wird.
Um mich vor der Begriffsdefinition zu drücken, beende ich hier diesen Text.
Frank Thissen ist ein vielseitiger Künstler, dem wir unglaublich viel Zeit für die Kunst wünschen.
Jürgen Linde, 1998
Für alle Fotos in diesem Beitrag: © Frank Thissen, VG Bildkunst Bonn 2020