…bitte berühren: über Axel Otterbach  – der Künstler und sein Material

Axel F. Otterbach im Internet: Wbsite: | www.axel-otterbach.de
E-Mail: | axel-otterbach@web.de

Aktuelle Ausstellungen und Projekte von Axel F. Otterbach

bitte berühren: Über Axel Otterbach

Axel F. Otterbach; Foto: privat

Holz, Stahl, Glas oder Stein – Axel Otterbach ist ein Bildhauer, der in allen Materialwelten zu Hause ist.

RAUMSCHICHT 40, 41,42, 2013/14
Eisenfeilspäne, korrodiert, auf MDF,
80x 80 x 8,6 cm
bzw. 80 x 100 x 8 cm

Die beeindruckende gestalterische Vielfalt dieses Künstlers erklärt sich auch aus dessen Lebenslauf: im Rahmen eines Kunstwettbewerbs, den ein innovativer Kunstlehrer an seiner Schule initiiert hatte, durfte Axel Otterbach an der Neugestaltung einer alten Kapelle an seinem Heimatort mitwirken und konnte dann ein Kirchen-Fenster gestalten. Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne. (Hermann Hesse).

So waren Kunst und Architektur schon seine Themen, als er die Schule verließ, um in München eine Ausbildung zum Bildhauer zu machen. Die Ausbildung war geprägt durch das Erlernen handwerklicher Fähigkeiten sowie intensive Zusammenarbeit mit akademischen Bildhauern und deren Ateliers. Anfang der 70er Jahre erweiterte er seine Kenntnisse systematisch durch eine weitere Ausbildung zum Restaurator in Ulm.

Auf der Basis der erworbenen handwerklichen Fachkenntnisse und seiner ständigen künstlerischen Arbeit konnte Otterbach dann viele Jahre in Italien arbeiten, auch ein Stipendium der Kunsttiftung Baden –Württemberg machte dies möglich: statt der in Künstler-Vitas gewohnten Studienreisen schreibt Otterbach hier bewußt und treffend von Arbeitsaufenthalten. Zu den vielen weiteren Stationen im Leben von Axel Otterbach, die auf dessen Website zu lesen sind, gehören auch die Gründung seiner Bildhauerschule im Jahr 2000, die er bis 2018 leitete. Von 2000 bis 2016 war er Dozent für 3D an der Akademie für Gestaltung der HWK Ulm. Mit seinem Atelier ist der Künstler dann 2018 umgezogen nach Ravensburg, wo ich ihn nun in seinem großen Atelier besuchen konnte.

Schichtung XI, 2005
Eisenfeilspäne beschichtet, korrodiert, auf Holz, MDF , Ø 100 cm

Nicht überraschend finden sich im Raum neben den auch meist dreidimensionalen Wandobjekten vor allem viele Skulpturen: Holzarbeiten ( MDF), die, mit Eisenfeilspänen beschichtet, die Anmutung haben von Plastiken aus Corten-Stahl; tatsächliche Stahlskulpturen und vor allem und immer wieder: Stein. Otterbach war immer und ist zuerst Steinbildhauer; sehr oft arbeitet er mit Carrara-Marmor: mit diesem in der Verarbeitung sehr sensiblen Stein, den der Künstler seit seiner Zeit in Italien genau kennt, schafft er visuell sehr ansprechende Skulpturen, die ihre Anziehungskraft auch der besonderen Maserung der Oberfläche verdanken.

Scheibe II
1985 Carrara Statuario Marmor Ø 55 cm

Die Groß- Skulpturen des Künstlers sind alle ganz verschieden, da sie überwiegend aus Wettbewerben für Kunst am Bau / öffentlichen Raum heraus entstanden sind, immer bezogen sowohl auf den Ort, für den sie geschaffen wurden. Entgegen zu den freien Arbeiten des Bildhauers!

Axel Otterbach arbeitet nicht gegenständlich, sondern immer sehr reduziert, abstrakt, eher konkrete Kunst  ist das, was wir hier erleben. Nun ist abstrakte Kunst – sowohl im zwei- als auch im dreidimensionalen Bereich – schwer zu erklären. Warum fasziniert diese Kunst so viele von uns? Dicke Bücher und lange kunsthistorische Texte helfen uns oft  nicht weiter. Vielleicht brauchen wir auch keine theoretisch/abstrakte Erklärung – gerade bei der Skulptur dominiert ja die sinnliche und haptische Anmutung von Form und Material. In seinem Katalogbeitrag “Axel F. Otterbach – Skulptur“ gibt uns der Kunstexperte Werner Meyer wertvolle und hilfreiche Hinweise hierzu:

“In den letzten hundert Jahren, da in der Kunst und auch in der Plastik kein gesellschaftlicher oder privater Auftrag mehr inhaltliche oder formale Gestaltungsvorgaben einbringt, ist das einzige Mittel der Selbstbehauptung der Skulptur die ihr innewohnende Kraft und Bewegung, die Poesie der ausdrucksvollen Form …“(Katalog Seite 24/25).

Hier kommen wir zurück auf einen mir wichtig erscheinenden Gedanken aus einem früheren Künstlerporträt . – (“The Day after Tomorrow“ – über die Bildhauerin Michaela A: Fischer.): Form, Gestalt, Haptik, Sinnlichkeit, Körperlichkeit sind Aspekte, die wir mit Skulptur, und sei sie noch so konkret und reduziert, immer verbinden Mein Grundgedanke hier war, dass sich die Kunst der Bildhauer anders und entschlossener der Entsinnlichung und Entkörperlichung unserer zunehmend digitalen Welt widersetzt; dass diese Kunst insofern hinausweist über die Digital-Epoche.

Aufbruch, 2016 Bronze Höhe 410 cm Fa. Zwick/ Roell Ulm-Einsingen

Längst gibt es TV-Geräte (Flat-Screens, die man ja wie ein Bild an die Wand hängen kann, die auf Kommando eine Reihe von Kunstwerken zeigen – in hoher Auflösung und Bildqualität. Wir sollen also offenbar und wir könnten dies für einen Ersatz realer zweidimensionaler Kunst halten – sehr kostengünstig und abwechslungsreich ganz nach Wunsch.
Was für Läden in der Fußgängerzone und für Cafés vielleicht ganz interessant ist, ist für wirkliche Kunstliebhaber zuhause sicher keine Alternative. Und überhaupt nicht funktioniert dies bei der Bildhauerei: um eine Skulptur will man herumgehen, sie von allen Seiten erleben und sie auch berühren können.
Axel Otterbach hat diese besondere Eigenschaft der Kunst der Skulptur schon im Jahr 2012 – rückwirkend betrachtet: prophetisch – zum Thema gemacht: „bitte berühren“ betitelte er eine Ausstellung, in der Arbeiten von Schülern seiner Bildhauerschule Axel F. Otterbach.

Schichtstein XXXII, 2017
Portug. Marmor, 39 x 50 x 16 cm (Ausschnitt)
Schichtstein XXIV, 2014
Trientiner Marmor, Höhe 68 cm

Dazu ist auch ein Katalog erschienen, für den der Kunstjournalist und freie Autor Wolfram Frommlet einen sehr klugen, inspirierenden  und mehr denn je aktuellenText geschrieben hat, den wir nun hier – mit herzlichem Dank an den Autor – komplett veröffentlichen dürfen:
Wolfram Frommlet: Annäherungen an das Ausstellungs-Thema „Bitte berühren“

Kunst, die berührt und berührt werden will. Axel Otterbachs Ausstellung war ihrer Zeit voraus: wenn wir lebendig bleiben wollen, brauchen wir dazu Nähe, Wärme und Körperlichkeit. Vielleicht ist dies ein Geheimnis der Kunst- sie erschafft Distanz und gleichzeitig Nähe, deshalb gebe ich Axel Otterbach recht:

Gute Kunst berührt uns und ist Teil unserer kulturellen und menschlichen Identität –  und damit dies so bleibt, sollten auch wir die Kunst

bitte berühren.
Jürgen Linde im März 2022