„Wolkentranszendenz“ und „bewegende Bilder“ – über Christine Schön

Christine Schön im Internet: | Website: | www.christine-schön.de
E-Mail: | kontakt@christine-schoen.de

Ausstellungen und Projekte von Christine schön

Bild links: Christine Schön, Foto: privat

Doppelporträt über Christine Schön

Dr. Barbara Regina Renftle: Wolkentranszendenz

Einleitungstext Jürgen Linde:
„bewegende Bilder“

Die Malerin Christine Schön ist bekannt vor allem durch ihre Wolken- oder Himmelsbilder.
In Öl auf Leinwand; gewaltig auch durch die meist großen Formate und doch hochsensibel und differenziert. Die Bewegung der Wolken selbst ist es, die Künstlerin in ihren – sich ja selbst nicht bewegenden – Bildern einfängt, sichtbar, erahnbar macht.

Ähnlich wie bei den Ölgemälden der Künstlerin erlebe ich diese Faszination auch in den Zeichnungen von Christine schön. Auch bei den Zeichnungen, die, ausgeführt mit Bleistift auf Papier, assoziieren die meisten von uns sicherlich Wolken.

Wie sich die Wolken weiter bewegen werden, wie sie ihre Formen und ihre Formationen verändern werden, bleibt offen. Jeder Betrachter dieser Kunst kann und wird dazu seine eigenen Vorstellungen entwickeln, abhängig von zahlreichen Einflüssen aus der Außenwelt (Licht, Umgebung) und der Innenwelt (Stimmungen, Ängste und Hoffnungen) …
Auf diese Weise bringen die – an sich ja statischen – Bilder sowohl ihre Gegenstände als auch die Betrachter gleichermassen in Bewegung.

Bild rechts: o. T., Öl auf Baumwolle, 120 x 100 cm, 2022

Ähnlich verhält es sich mit den Wolken: was wir gerade noch sahen, ist bereits schon vergangen, verändert – was noch wird, obliegt unserer Phantasie, unserer Vorstellungswelt. Wieder ist der Betrachter stark involviert, seine Perspektive ist – in mehrfacher Hinsicht – entscheidend für das entstehende Bild, für die imaginierte Fortentwicklung, die Bewegung. Anders als bei Fotografien von Wolken sind nun die Zeichnungen von Christine Schön feinsinniger und filigraner. Nicht dies allein: anders als bei einer Fotografie, die wir ja als „objektiv“ und emotionslos empfinden, sind die Bleistiftzeichnungen bereits durch die Wahrnehmung der Künstlerin „vorgefiltert“.

Hier möchte ich anknüpfen an mein letztes Künstlerporträt über den Bildhauer Stefan Faas („Es gibt keine Spiegel?“), dessen Skulpturen aus Spiegelstahl unter den genannten Aspekten eine vielleicht vergleichbare Wirkung entfalten. Wie wir gesehen haben, zeigen die Spiegelstahlskulpturen natürlich keine fixen Bilder, sondern im Gegenteil – sie zeigen eben Beweglichkeit, Veränderbarkeit: mit jeder Körper – oder auch nur Augenbewegung des Betrachters, mit jeder Bewegung im Umfeld (andere, vorbeigehende Menschen) verändert sich das Spiegelbild, das, anders als Skulptur als solche, ja niemals statisch ist.

Bild links: o. T., Öl auf Baumwolle, 120 x 100 cm, 2022

Kunstbetrachtung wird als Kommunikationsprozess erfahrbar. Sichtbar nicht etwas, „das ist“, sondern die Veränderbarkeit dessen, was ist. Der Vorgang begann, bevor das Bild fertig wurde und er setzt sich fort im Kopf des Betrachters. Untrennbar verbunden mit der Bewusstwerdung der Veränderbarkeit ist die Ahnung, am weiteren Verlauf beteiligt zu sein.

Daran vielleicht liegt es, dass wir Wolkenbilder, etwa die von Caspar David Friedrich, nicht unbedingt als „leicht“ wahrnehmen. Schwierig zu messen ist das Gewicht einer Wolke – doch die Kunst schenkt uns keine Bewegtbilder, aber

bewegende Bilder
Jürgen Linde im Juli 2023

Barbara Renftle: Wolkentranszendenz

[ Aus: Barbara Regina Renftle, bewölkt. Der Himmel in der Kunst. Vom Goldgrund zum Wolkenberg, Biberach 2020, S. 40 ]

Bild oben: o. T., Öl auf Baumwolle, 140 x 200 cm, 2019

Die Malerin Christine Schön öffnet in ihren Ölgemälden den Blick für die transzendente Zartheit, die sublime Schönheit und das weich-Ätherische des Himmels über uns – ein Himmel, durch den geheimnisvolle Schattenvögel flügeln, samtene Wolken wie verwehte Blüten tanzen und goldene Engelsstimmen tönen. Diese Ölgemälde haben viele Ähnlichkeiten mit den Fresken barocker Sakralräume – und sind dennoch ganz zeitgemäß. Das kreisrunde Format verstärkt diesen Eindruck, denn es lässt an die runden und ovalen Himmelsausschnitte der klösterlichen Deckenmalerei denken. Der Kreis ist zudem ein Symbol göttlicher Vollkommenheit; daher wirkt der Tondo im Verbund mit einer duftigen, von flatternden Wolkenwesen durchwirkten Himmelsdarstellung auf den abendländischen Betrachter ohne weiteres als religiöses Meditationsbild, als ein pars pro toto des kosmischen Ganzen.

Bild links: o. T., Öl auf Baumwolle, 120 x 100 cm, 2022

Auch die pastellige Farbigkeit, die sich auf lichte Gold- und Ockertöne, zartes Blau und Rosé sowie feinmalerisch abgestufte Grauwerte konzentriert, um hin und wieder in dunkleren Schatten dramatische Rhythmen und Akzente zu setzen, erinnert an das Vorbild barocker Fresken. Im Gegensatz zur Barockmalerei hat Christine Schön ihre Himmelsvisionen jedoch entpersonalisiert – die Staffage kirchlicher Würdenträger und die christliche Ikonographie mit Gottvater, Christus, Maria, Engeln und Heiligen sind verschwunden und durch Wolkenbildungen ersetzt, die Gestalten und Figuren – auch Engelswesen – noch assoziieren lassen, aber nicht mehr konkret abbilden. Bewegte, flüchtig wogende Gefüge harmonisch komponierter Wolkenabstraktionen öffnen durch eine subtile Lichtführung Tore zu einer vergeistigten Welt. Die Wesenheiten, die die Himmel von Christine Schön beleben, sind nicht – wie in der Kunst des Barock – mit ihren irdischen Körpern von der Erde auf physikalisch unerklärliche Weise in den Himmel erhoben, sondern sie entspringen ganz authentisch dem ätherischen Element des Himmels, ja sie selbst sind die Bildner, Träger und Gestalter der wundervoll wogenden Himmelsregion. Die flatternden Wolkenwesen – Blüte, Wolke, Engel und Vogel in einem – machen den Himmel erst zu dem, was er ist: ein Speicher bewegter und bewegender Energien, ein heiterer Raum voll flirrender Dynamik, Farben, Licht und Leichtigkeit. In ihrer luftigen, unbestimmbaren Schönheit ziehen uns die Wolkenbilder machtvoll an, befreien uns von der Schwerkraft und geleiten uns in eine Sphäre der Entgrenzung und Freiheit.

Bild rechts: o. T., Öl auf Baumwolle, 140 x 200 cm, 2020

So macht sich Christine Schön die visuelle Bilderfahrung der Barockmalerei zunutze, um auf dieser Grundlage eine neue Aussage zu treffen. Sie verbindet sie mit den Errungenschaften der Moderne, insbesondere der Abstraktion, mit Impressionen aus der Natur und einem sensiblen Gespür für Farbharmonien und -klänge. Das christliche, katholisch geprägte Narrativ entfällt und der Betrachter findet ein Himmelsrund, das frei von dogmatischer Beeinflussung in einem Spiel mit Assoziationen und Erinnerungen ebenso sinnliche wie übersinnliche Erfahrungsräume öffnet. „Schicht auf Schicht sind sie verdichtet, angereichert mit Substanz aus Blau, Braun, Gelb, bis sie den Blick durchlassen in eine imaginäre Tiefe. Es gibt ein Vorne und Hinten, einzelne Elemente setzen sich ab, als würden sie schweben, die Farbe weht wie Luft und das Licht bricht hindurch. Es scheint, der Himmel öffne sich. Die Bilder locken in die Höhe und spielen zugleich mit Formen und Farben. (…) Doch sind die Formen nicht das, was sie scheinen; sie lassen sich nicht wirklich bestimmen. Beim genauen Hinsehen lösen sie sich sogar auf, gerade dabei, das eben gefundene Gleichgewicht zu verlassen und einen neuen Zusammenhang zu suchen. Dabei ist die Oberfläche der Bilder gleich einer Membran, eine hauchdünne Wand zwischen zwei Welten, die atmet. Das imaginäre Dahinter tippt an die Ahnung von der Wirklichkeit jenseits der Schwere der Welt“ (Christine Schön).
Dr. Barbara Regina Renftle