Kunstausflüge mit Sigrid Balke | Wolfram Ullrich in der Kunsthalle Weishaupt | 10.03. – 29.09.2024
Überwindung der Schwerkraft
Hat der Künstler die Werke eigens für die Kunsthalle geschaffen oder wurde die Kunsthalle für diese Arbeiten entworfen und gebaut? Fragen die sich angesichts der perfekten Symbiose von Kunstwerk und Architektur förmlich aufdrängen, auch wenn man die Antwort kennt. Nein, weder noch. Die Kunsthalle Weishaupt in Ulm hat seit ihrer Eröffnung 2007 mit ihrer zurückhaltenden und klar strukturierten Architektur schon zahlreichen Ausstellungen ein passendes Umfeld geboten, in dem unterschiedliche künstlerische Positionen wirkungsvoll zur Geltung kamen.
@ Foto: Sigrid Balke
Die aktuelle Einzelausstellung des Stuttgarter Künstlers Wolfram Ullrich, ist eine Retrospektive über einen Zeitraum von gut 30 Jahren – von seinen frühen Arbeiten bis heute eine nachvollziehbare Entwicklung von der Zwei- in die Dreidimensionalität. Bei den insgesamt 25 ausgestellten Werken werden die Wände der Kunsthalle zur Leinwand, zu einer Membran für die Spannung zwischen Form und Farbe, der Auseinandersetzung zwischen bildhafter und skulpturaler Kunst. Eine weitere Komponente ist das Material, das der Künstler mit hoher Ästhetik und technischer Perfektion einsetzt, um den Effekt der Räumlichkeit zu steigern. Lichtspiegelungen in den Stahlkanten unterstreichen das optische Spiel mit dem Schatten und seiner Imitation. Der Betrachter erlebt diese illusionistische Räumlichkeit nur durch das Sehen, die Erfahrung vor Ort und durch die Veränderung seines Standpunkts. Wolfram Ullrich, der schon mehrmals zusammen mit den Werken anderer Künstler in der Kunsthalle zu Gast war, ist in der Sammlung Weishaupt mit zehn Arbeiten vertreten.
Ullrich, der an der Stuttgarter Kunstakademie studierte, fand in der Malerei nicht genug Spielräume, sein Ziel wurde das Verlassen der Zweidimensionalität. Zunächst mit Schnitten, später Faltungen, die aus der Wand heraus den Raum erobern, mit Reihungen die Tiefe vortäuschen. Er begann mit dem Material Stahl zu experimentieren. Entstanden die ersten Arbeiten noch nah an den Möglichkeiten der Malerei, so ist sein Thema längst die Veränderung von streng geometrischen Formen durch die Dynamik der Dreidimensionalität, der Balance zwischen den Größenverhältnissen und ihrer Anordnung im Raum, in denen die Objekte scheinbar schwerelos schweben.
@ Foto: Sigrid Balke
Die Ausstellung ist leicht zugänglich, die Werke brauchen keine Erklärung. Es macht einfach Spaß sich von der Überwindung der Schwerkraft – so der Titel der Ausstellung – faszinieren zu lassen, durch Veränderung der Perspektive die Objekte „aktiv zu verändern“. Am eindrücklichsten ist dieser Effekt bei einer Arbeit die alle bisher gezeigten Formate in der Kunsthalle übertrifft. WOW – mit einer Länge von 17,5 Meter nimmt das Werk die gesamte Wandfläche im lichtdurchfluteten Obergeschoss ein, und ist – wie der Titel es vermuten lässt – einfach nur Wow. Nichts ist wie es scheint, die Erfahrung des Kunstwerks ändert sich mit jedem Schritt des Betrachters in die eine oder andere Richtung und die Sheddachkonstruktion der Kunsthalle wirkt wie ein geplantes Pendant. Die große, verglaste Schaufront der Kunsthalle öffnet den Blick nach draußen und lässt die elliptischen Elemente des Werks Orbit Messier scheinbar hinaus ins Freie fliegen. Einfach wow!
Ausstellungsdauer: bis 29.September 2024