Krieg liegt in der Luft

Beitrag von Jürgen Linde am 19.11.2023

Heute warum? | Gedanken zur Zeit

Heute warum? Ja eben. Diese Frage ist nicht selbsterklärend. Im Gegenteil: sie befragt sich selbst. Keine Antworten also, aber Gedanken dazu ab sofort unregelmäßig im Rahmen des kunstportal-bw-Feuilletons.

Heute warum? Gedanken zur Zeit.

Bild links: Jürgen Linde, Chefredakteur kunstportal-bw; © Foto: onuk

Heute – warum? Eine der, wie ich gerade erkenne, doch existierenden – und in diesem Falle bestimmt richtigen – Antworten darauf ist eine französische Volksweisheit: Pourquoi pas? Warum (eigentlich) nicht?

Als Deutscher aber bierernst geboren, finde ich das alles nicht ganz so leicht, und überhaupt nicht einfach: Unsere aktuelle Zeit, in der Krieg in der Luft liegt, in der Krieg die Agenda der Medien dominiert, schreibt mein Freund Uli Rothfuss, als Autor und auch Literaturkritiker seit vielen Jahren mit dabei im kunstportal-bw, in seinem neuesten Essay abschließend:

Wenn ich mein Handy öffne, wenn ich die Bilder ansehe, die Bilder dieser Welt, die schwarzen Schneeschichten in den Städten der Welt, dann umgibt mich ein Schweigen angesichts dessen, was mir seit der Kindheit als gut erschien. Das Gute wird schwarz, es ist nicht länger der weiße Schnee der Kindheit, der mich umgibt, der mir Hoffnung schenkt, dass es das Reine noch gibt; er hat sich schwarz gefärbt, der Glaube daran verliert sich im Echo, das ich in die Wälder der Kindheit hinausschreie. Was bleibt, ist schreiben – als Möglichkeit, die letzten Dinge irgendwie noch festzuhalten.“
Im Herbst 2023
Uli Rothfuss

Hier finden Sie den vollständigen Text:
Uli Rothfuss: | Literarisches Leben | Schnee schwarz – und Schnee weiß, heute und früher

Bild links: Uli Rothfuss; © Foto: “erlebe wigner”

Mit einem Bild von Sarah Kirsch ( „Der Schnee liegt schwarz in meiner Stadt“) beschreibt Uli Rothfuss den Zustand unserer Welt; den Niedergang der Kultur, der zweifellos beschleunigt und vorangetrieben wird von Internet und Social Media. Ein neuer „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ (Jürgen Habermas 1962).

„Was bleibt, ist schreiben.“ sagt Uli Rothfuss. Was früher vielleicht als Beginn – des Aufbegehrens, des Widerstandes, als Aufruf zur Revolution gar? – hatte verstanden werden können, empfinde ich heute manchmal eher als Rückzug, als Flucht.
„Was bleibt, ist schreiben.“ sagt Uli Rothfuss. Ich möchte ergänzen: Was bleibt ist für mich unbedingt auch die Bildende Kunst, die uns weiterhin immer wieder neue Perspektiven und andere Sichtweisen eröffnet: Die Kunst als ein Raum der Freiheit, ein Raum der Bewegung.

Heute, da Wahrheit als beliebig wahrgenommen wird und jede Meinung der Denunziation ausgesetzt ist, da Texte im Netz und in Zeitungen durch „künstliche Intelligenz“ generiert werden und die wirkliche, die authentische Sprache verloren zu gehen droht: Ja: immer noch und weiterhin bleibt Schreiben – ist aber Schreiben nurmehr ein Akt der Selbstvergewisserung?

Nein, Uli Rothfuss hat recht: Was bleibt, ist Schreiben. Keine Flucht, sondern ein Symbol – Zeichen des Nicht-Aufgebens.
Also: Heute – warum?
Trotz alldem.