Zeppelin-Museum Friedrichshafen | 26.05.2023 – 05.11.2023
Der Abbau von Rohstoffen entwickelt sich zu einem zunehmenden ökologischen, ökonomischen, politischen und sozialen Problem mit globalen Auswirkungen. Extensive Abbaupraktiken und die Ausbeutung von Öko- und Sozialsystemen führen zu einer der größten Umweltbelastungen unserer Zeit. Ihre Folgen sind vielerorts dramatisch sichtbar, dennoch wird der Kampf um Ressourcen fortgeführt, an neuen Standorten, die teils utopisch anmuten möchten. Mit der interdisziplinären Ausstellung Into the deep. Minen der Zukunft wirft das Zeppelin Museum angelehnt an die Industriegeschichte der Stadt Friedrichshafen einen kritischen Blick auf den Rohstoff Aluminium, das Metall des Fliegens, und auf die vielschichtigen Zusammenhänge des Rohstoffabbaus beim Deep Sea und Deep Space Mining. Neben den Folgen von Umweltzerstörung und Kolonialismus, die mit der gesteigerten Extraktion von Rohstoffen einhergehen, werden Widerstand und Aktivismus gegen die Ausbeutung von Menschen und Umwelt in der klimaneutralen Ausstellung eruiert.
Bild: Into-the-deep_27: Armin Linke / Giulia Bruno / Giuseppe Ielasi: Prospecting Ocean, 2018/2023.
Armin Linke beschäftigt sich seit einigen Jahren mit der Zukunft der Ozeane und
den widersprüchlichen Interessen von Umweltschutz, wissenschaftlicher
Erforschung und kommerzieller Nutzung der Tiefsee. In der Videoinstallation wird
das komplexe Netzwerk zwischen den verschiedenen Akteur*innen untersucht.
© Zeppelin Museum, Foto/Photo: Tretter
Mit Exponaten der eigenen Sammlung stellt das Zeppelin Museum die Frage nach der Etablierung von Aluminium als Werkstoff des Luftschiffbaus und seiner Impulswirkung für die Materialforschung. Aus dem 1825 entdeckten Leichtmetall entwickelte sich die wichtigste Grundlage zur Konstruktion von Metallgerippen in der Luftschifftechnik. Die wachsende Nachfrage und daraus resultierende Lieferengpässe zeigten schnell die Abhängigkeit der deutschen Aluminiumindustrie von Importen. Staatliche Kontrollen, Materialsammlungen, Recycling und die Suche nach Ersatzstoffen waren die Folge. Der weltweite Abbau des Gesteins Bauxit – und die sehr energieaufwändige Gewinnung von Aluminium aus ihm – verursachen neben Umweltschäden auch das Abfallprodukt Rotschlamm. Daher steht die Aluminiumindustrie bis heute in der Kritik.
Into-the-deep_33 | Bureau d’Études: Astropolitics, Earth Resource Depletion and the Cosmic Future
of Capitalism, 2019 | Das französische Künstlerduo Bureau eignet sich die wissenschaftliche Methodik des Kartographierens an, um Zusammenhänge kapitalistischer Systeme und kolonialer Logiken sichtbar zu machen und deren Auswirkungen zu verdeutlichen.
© Zeppelin Museum, Foto/Photo: Tretter
Deep Sea Mining, der Rohstoffabbau in der Tiefsee mit seinen nicht absehbaren Folgen für das Ökosystem, bildet einen weiteren Schwerpunkt der Ausstellung. In ihrer Videoinstallation Nautilus New Era greift Kristina Õllek auf die Fiktion 20 000 Meilen unter dem Meer zurück und stellt sie dem aktuellen, hochumstrittenen Tiefseebergbau im Zeitalter des Klimanotstands gegenüber. So ist Nautilus nicht nur der Name des fiktiven U-Bootes bei Jules Verne, sondern Nautilus Minerals Inc. war ein Unternehmen, das Bergbau auf dem Meeresboden vor Papua-Neuguinea betreiben wollte. Kristina Õllek macht in ihrer Installation deutlich, wie aufwändig der Meeresboden für den Abbau durchgepflügt wird und wie massiv dieser Eingriff in das fragile Ökosystem ist. Sie thematisiert die widersprüchlichen Interessen der wissenschaftlichen Erforschung, des kommerziellen Abbaus und des Umweltschutzes. Armin Linke beschäftigt sich ebenfalls mit der Zukunft der Ozeane und den widersprüchlichen Interessen ihrer wissenschaftlichen Erforschung, ihres kommerziellen Abbaus und ihres Schutzes. In der Ausstellung wird die umfangreiche Installation Prospecting Ocean zu sehen sein, die sich unter anderem mit der Euphorie für den Tiefseebergbau ab den 1960er und 1970er Jahren auseinandersetzt.
Da die Ressourcen auf der Erde knapp und endlich sind, suchen Wissenschaftler*innen nach immer neuen Abbaugebieten, so auch beim Deep Space Mining. Mining the Skies von Bethany Rigby ist eine Installation aus Gesteins- und Mineralproben, die sich kritisch mit extraterrestrischer Bergbauforschung, vor allem dem Asteroidenbergbau, auseinandersetzt. So reflektiert Rigby potenzielle Standorte, Ressourcen, den Einsatz von Bakterien zum Abbau von seltenen Erden und bereits existierende Gesetze für Mining-Aktivitäten im Weltall. Das Kollektiv Bureau d ’études befasst sich auf ihrer groß angelegten Wandkarte Astropolitique mit dem Thema Asteroidenabbau. Sie visualisiert die sozialen und ökologischen Katastrophen, die mit dem Abbau seltener Ressourcen durch die gestiegene Produktion von Computern, Laptops und Tablets verbunden sind und bringt verborgene Realitäten des kapitalistischen Systems und kolonialer Logik an die Oberfläche.
Into-the-deep_24 | Nachbau der vorderen Gondel von LZ 1, 1925.
1925 rekonstruierte die Luftschiffbau Zeppelin GmbH diese Gondel für das Deutsche Museum in München, um zum 25-jährigen Jubiläum des Zeppelin-Erstaufstiegs angemessen vertreten zu sein. Die Nische der Gondel ist aus Bestandsstellwänden gebaut. Die Überdachung
besteht aus Plattenmaterial von vergangenen Wechselausstellungen. So auch die Verspiegelung der Decke – die Spiegelplatten stammen aus der vorherigen echselausstellung Fetisch Zukunft. Utopien der dritten Dimension. Bei der übrigen Wandverkleidung handelt es sich um Regalböden aus Metall, die nach der Ausstellung wieder ihrem eigentlichen Zweck zugeführt werden.
© Zeppelin Museum, Foto/Photo: Tretter
Die Ausstellung beleuchtet zudem die prekären Arbeitsbedingungen, die mit dem Ressourcenabbau verbunden sind, ebenso wie den Widerstand gegen Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörungen. So beschäftigt sich Forensiker, Filmemacher und Forscher Ignacio Acosta seit vielen Jahren mit den zentralen Schauplätzen des Bergbaus: Vom Kupferabbau in der Atacama-Wüste in Chile bis hin zu den Protesten gegen den Bau eines Eisenerzbergwerks in Nordschweden bei denen Drohnen zur Gegenüberwachung eingesetzt wurden. In einer umfassenden raumspezifischen Installation bringt er seine verschiedenen Feldstudien zusammen, die er als Tiefenbohrungen versteht. Ein besonderer Fokus seiner Recherche liegt dabei auf digitalem Aktivismus für Umweltgerechtigkeit, um in einem postpandemischen Szenario die Nutzung digitaler Technologien zu thematisieren.
Teilnehmende Künstler*innen: Ignacio Acosta, Bureau d ’études, Armin Linke, Kristina Õllek und Bethany Rigby.
Die im Fonds Zero der Kulturstiftung des Bundes geförderte Ausstellung hat den Anspruch in allen Bereichen klimaneutral zu sein. So wird sie eingebettet in eine Recyclingarchitektur, die die Wiederverwendung von Rohstoffen für die Besucher*innen erlebbar macht und dafür plädiert, lokale Ressourcen stärker in einen Materialkreislauf einzubinden. Die Balance zwischen nachhaltigem Ausstellen, dem Schutz von Kulturgütern und einer qualitativ hochwertigen Präsentation wird eine zentrale Aufgabe des Ausstellungsprojektes, das in das bundesweite, interdisziplinäre Kooperationsprojekt Mining. Abbau der Zukunft eingebettet ist. In dem vom Zeppelin Museum Friedrichshafen initiierten Projekt werfen elf Partner*innen aus Kultur und Wissenschaft einen differenzierten und kritischen Blick auf den Abbau von Rohstoffen. So werden traditionelle, aktuelle und zukünftige Formen des Extraktivismus, die vom Abbau von Bodenschätzen und Rohstoffrecycling über Phytomining bis hin zu Deep Sea und Deep Space Mining reichen, thematisiert.
Diese acht Kultureinrichtungen und drei Universitäten werden das Forschungs- und Ausstellungsprojekt kollektiv umsetzen:
- Deutsches Bergbau-Museum Bochum
- Deutsches Schifffahrtsmuseum Bremerhaven
- Militärhistorisches Museum der Bundeswehr – Flugplatz Berlin-Gatow
- Museum der Arbeit Hamburg
- GRASSI Museum für Völkerkunde Leipzig
- Staatstheater Kassel (Schauspielproduktion Anthropos Antigone)
- Weltkulturerbe Völklinger Hütte
- Zeppelin Museum Friedrichshafen
- Universität Bremen
- Universität Hamburg
- Zeppelin Universität Friedrichshafen
Auf einer innovativen digitalen Plattform, die gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO und der agenturfuerkrankemedien Berlin entwickelt wird, werden sämtliche Projekte und Veranstaltungen an allen Standorten sichtbar gemacht.
Gefördert im Programm Zero – Klimaneutrale Kunst- und Kulturprojekte der Kulturstiftung des Bundes. Gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.