Kunstausflüge mit Sigrid Balke | 08. Februar 2023 – Frühjahr 2025 | Museum Tinguely
Es rattert und rumpelt, klappert und klimpert in den Räumen, denn das Museum Tinguely inszeniert die Werksammlung seines Namensgebers neu, präsentiert Neuankäufe und bisher nie gezeigte Leihgaben. Das Museum ist lebendig, die Objekte werden zur generationenübergreifenden Kunst für alle. Kunst vom Sockel auf die Straße, war das Credo Tinguelys. Lässt man als Besucher die großen Musikmaschinen der späteren Schaffensjahre zunächst links liegen, und folgt dem chronologischen Parcours, wird die Ausstellung von den frühen Arbeiten Tinguelys, über die performativen Skulpturen bis zu seinen spektakulären Happenings, zu einer Zeitreise von den 60er bis zu den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts. Die frühen filigran-poetischen Arbeiten sind unverkennbar beeinflusst von Marcel Duchamp, Alexander Calder, Joan Miró und Kasimir Malevich, doch schon früh fügte er seinen Bildobjekten das Element Bewegung hinzu. Versteckte Räderwerke ermöglichen unendlich viele Konstellationen und heben das statische der Kunst auf.
Veränderung blieb das Thema Tinguelys. Veränderung der Skulptur,, Veränderung von Schrott und Alltagsgegenständen zu kinetischen Kunstwerken, Veränderung durch Zerstörung, bis zu einer Veränderung tradierter Sichtweisen. Tinguely teilt seine Werke mit dem Betrachter der selbst aktiv werden kann und – wie bei den Zeichenmaschinen Méta-Matic – das Kunstwerk bestimmt. Ende der 60er Jahre wird Tinguely zunehmend international wahrgenommen, ergänzt Bewegung mit Akustik und dem Faktor Zufall und Zeitlichkeit. Er kommentiert politische Ereignisse und gesellschaftliche Verhaltensweisen auf eine spielerische und nicht selten poetische Art mit filigranen Skulpturen aus Fundstücken wie Fell oder Federn, wildtanzenden Skulpturen, großformatigen, theatralischen Maschinen oder karnevalesken Figuren. Eine Studioausstellung zeigt mit Plänen und Skizzen von Werken die teilweise nie umgesetzt wurden, von Filmaufnahmen kollaborativer Arbeiten und Textmaterial Tinguelys nahezu unerschöpfliche Kreativität. Zu Beginn der 70er Jahre beeinflussen weltpolitische Verwerfungen die Arbeiten Tinguelys. Zusammen mit seiner Partnerin Niki de Saint Phalle inszeniert er pyrotechnische Performances, die international wahrgenommen und kontrovers diskutiert werden. Mit diesen Aktionen hebt Tinguely die Distanz zur Kunst endgültig auf, der Begriff Künstler wird in Frage gestellt, das Publikum wird an der künstlerischen Manifestation beteiligt.
Beteiligung hat auch in der Ausstellung einen hohen Stellenwert und so können die Besucher die Objekte in Bewegung versetzen, sich über das geniale Zusammenspiel von Rädern und Riemen, Alltagsgegenständen und Schrott freuen und an der multimedialen Biografiewand aktiv werden.
© Fotos: Sigrid Balke und Harald Lambacher, VG Bildkunst Bonn 2023