Savoir Vivre und Alltag – über Asgard († 2018)

Es wird nicht klappen, völlig unmöglich.
Kein Zweifel: Sie wird es für einen Trick halten – und mich für bescheuert ob der Einfallslosigkeit. So kann das nichts werden:
„Ich schreibe Künstlerporträts für das kunstportal-bw, und würde gerne auch über Dich schreiben“.
„Über mich schreiben?? Ich weiß genau, was der eigentlich will“ wird sie denken.
Sie wird mir nicht glauben, ich weiß es ganz sicher. Aber andererseits: was solls?

Asgard und Akkordeon - Künstlerporträt im Kunstportal Baden-Württemberg
Asgard und Akkordeon, Foto: privat

Also setze ich meine allerunschuldigste Miene auf und gehe zu ihr hin und bringe meinen Spruch etwa so wie oben. Sie schaut interessiert und sagt mir zu, sich zu melden.
Wie ist das zu erklären? Entweder hat meine Unschuldsmiene funktioniert – dann müßte ich sofort eine Weltkarriere am Theater starten oder aber, sie glaubt doch, daß es ein Trick sei – und geht deshalb darauf ein. In beiden Fällen wird es interessant.

Diese spannende Szene begab sich am 12. Mai in Karlsruhe Durlach. Asgard spielte Akkordeon und sang bei einer der vielen Ausstellungseröffnungen im Rahmen der Durlacher Vernissage 2000.
Vielleicht übrigens liegt hier der Trick des Ganzen: Asgard und Akkordeon tauchen immer (für mich jedenfalls) überraschend auf, wenn man gerade nicht mit ihnen rechnet; um so schöner ist dann, dem Alltag zu entfliehen in Richtung savoir vivre.

Künstlerinnen und Künstler im Kunstportal Baden-Württemberg: Asgard & Akkordeon
Asgard und Akkordeon, Foto: privat

In der Woche danach haben wir telefoniert, und vorhin, also nochmal eine Woche später, war sie hier und ist schon wieder weg und ihre Musik ist noch da: sie hat mir eine selbstgebrannte CD mitgebracht mit drei Demos, die professionell aufgenommen ist.

Auch im Gespräch hat Asgard eine angenehme und starke Stimme und erzählt aus ihrem Leben mit noch mehr Ironie, als die Fotos immerhin erahnen lassen. Erst nach längerem Gespräch entlarve ich ihre hessische Herkunft, als sie etwas „herlisch“ findet.

Ihre Lebensgeschichte, soweit wir diese durchsprechen, beginnt mit dem Akkordeon, das sie als Kind schon gelernt hat.

Künstlerinnen und Künstler im Kunstportal Baden-Württemberg: Asgard & Akkordeon
Asgard und Akkordeon, Foto: privat

Später wollte sie Schauspielerin werden, was sie (vorerst?) wieder aufgegeben hatte, nachdem sie in einem halben Jahr Schauspielschule weniger gelernt hatte an in diversen kürzeren Workshops zuvor; war wohl die falsche Schule.
Auch bietet ihr das Theater in seinen klassischen Formen nicht die Freiheiten und Ausdrucksmöglichkeiten, die sie in der Musik findet. Seit dem Rocktheaterstück „between“, mit sie als Hauptdarstellerin 1995 und 1997 im Kulturzentrum Tempel aufgetreten ist, weiß Asgard, daß sie beides verbinden kann. Neue Ideen in dieser Musik/Theater-Richtung sind vorhanden, aber offenbar noch nicht spruchreif, schade. Bis dahin bleibt Musik:

Hier liegt zweifellos der Schwerpunkt ihrer heutigen und wohl auch ihrer zukünftigen künstlerischen Arbeit. Das in der Jugend dann aufgegebene Akkordeonspiel „es gab damals nur Märsche“) hat sie nach 8 Jahren wieder aufgenommen; der hinzugekommene Gesang ist ein ebenso prägendes Element ihrer Musik.

Seit 1993 schon freischaffende Künstlerin, war Asgard – damals mit violinespielendem Partner – 1994 auf einer Straßenmusik-Tour durch Frankreich. Die Tour war erfolgreich und brachte genug ein, um gut in Restaurants zu speisen und immer wieder den Manta vollzutanken.
Wirklich erfolgreich ist Asgard, seit sie alleine auftritt, fast allein: Asgard & Akkordeon heißt das Programm schließlich, mit dem sie schon überall im Karlsruher Raum zu sehen war: mehrfach beim Kunsthallenfest, bei Vernissagen und sogar schon im Kult-Weinladen VinFou – wo ich sie zum erstenmal erlebt hatte.

Schon damals war nicht übertrieben, was heute in ihrem kleinen Prospekt steht:

„Auf dem Programm stehen französische Chansons von Edith Piaf bis Jaques Brel. George Brassens und Charles Trénet, vorgetragen mit herzerfrischendem Charme von einer bemerkenswerten Stimme.
Umrahmt von heiteren Musette-Melodien, bei denen dann das Akkordeon zeigen kann, was in ihm steckt.
Alles in Allem ein wahrer Ohren- und Augenschmaus, der die Seele beschwingt und die französische Lebenskunst wie eine frische Brise durch den Raum wehen läßt.
Lassen Sie sich verzaubern…“

Künstlerinnen und Künstler im Kunstportal Baden-Württemberg: Asgard & Akkordeon
Asgard und Akkordeon, Foto: privat

Und es stimmt: der Zauber entsteht aus dem Zusammenwirken von Stimme, Akkordeon und der schönen Sängerin, die all dies verbindet zu einer lebendigen Assoziation von Urlaub, Frankreich, savoir vivre.

Der Alltag entschwindet, weil Asgard&Akkordeon ablenken. Schließlich fallen mir einfach keine Fragen mehr ein. Also zurück zum rettenden roten Faden der Chronologie: was war noch alles zwischen dem akkordeonspielenden Kind und der heutigen Musikerin?

Künstlerinnen und Künstler im Kunstportal Baden-Württemberg: Asgard & Akkordeon
Asgard und Akkordeon, Foto: privat

Ach ja, eine Lehre hat sie mal angefangen als Landschaftsgärtnerin, aber die Proben – damals mit einer Rockband – ließen dafür zu wenig Zeit; und dann hat sie auch mal studiert, Literaturwissenschaft und Philosophie zählt sie auf, aber auch das war nicht das Richtige.
Das Richtige bleibt die Musik: zukünftig vielleicht wieder in Richtung Musik/Theater, auch eine größere Tournee wäre natürlich schön. Schlagzeug, Trommeln, Percussion machen ihr Spaß und sollen bald vertieft werden, afrikanische Rhyhtmik wird hier hereinspielen.

Eigentlich hasse ich Messen und große Menschenaufläufe von Herzen, aber ich glaube, zur EXPO wollte ich immer schon mal.
Zwar ist sicherlich auch die Expo weit weg vom Alltag, überflügelt diesen aber bei weitem, was Stress betrifft: besonders schön wird dann, glaube ich, der Ausflug zu Asgard: zu

Savoir vivre und Alltag.
Jürgen Linde