Viel Tyrannenblut

„Schlag nach bei Shakespeare“, das empfahl einst (1955) Günter Neumann in seiner Übersetzung des Cole Porter-Musicals „Kiss Me Kate“ nach Shakespeares Drama „Der Widerspenstigen Zähmung“ den deutschen Hörern. Und die beiden „Wolfgange“, Neuss und Müller, verkörperten den Song wahrlich so lebhaft, dass er bis heute überlebte. Denn, wie dichtete Günter Neumann: „da steht was drin!“ Und: „Kommst du mit Shakespeare, sind die Weiber gleich ganz hin!“

Gut, das ist heute nicht mehr ganz korrekt formuliert. Es bleibt: Da steht was drin. Unter anderem kann man von Shakespeare lernen, was zu einem guten Krimi gehört. Zwar hat der Dichter (wer immer es gewesen war) keine Krimis geschrieben, aber er hat zahlreiche Steilvorlagen gegeben und viele, leicht übertragbare Folien für mörderische Geschichten geliefert. Auch, nicht nur, Tyrannenblut fließt bei Shakespeare in Gallonen, nicht immer zur Katharsis gegen Ende. Etwa bei „Macbeth“; Ashley Curtis hat sich besonders das berühmte Hexeneinmaleins aus dem Stück vorgenommen und hinterfragt vor dieser Folie die Autorenschaft der Dramen überhaupt – der Earl of Oxford gegen den nobody aus Stratford, wer wars? Das ist spannend gesponnen.

Die Parallelen zwischen dem Massenmörder Richard III. (oder Macbeth und anderen) Trump, Putin oder etwa Hitler erschließen sich sehr erschreckend in Greenblatts „Der Tyrann – Machtkunde für das 21. Jahrhundert“. Der Literaturwissenschaftler Stephen Greenblatt ist Shakespeare-Kenner allererster Güte, durchleuchtet das Werk ziemlich hintergründlich und zieht Konsequenzen in die Gegenwart. Man lernt dabei: Die Jahrhunderte sind seit Shakespeares Geburt 1654 in Sachen Rache- und Mordgelüste ohne größere menschliche Fortschritte vergangen. Wer mehr wissen will: „Schlag nach bei…“

Ashley Curtis, Hexeneinmaleins, Kommode Verlag, 448 S., 22 Euro/Stephen Greenblatt, Der Tyrann, Siedler Verlag, 224 S., 20 Euro.