Kunstausflüge mit Sigrid Balke | Kunstbesuch: Sigrid Balke besucht HPH
Schöpferische Symbiose: Der Geruch von Farben und Lösungsmitteln weist den Weg, als ich mit Hans Peter Haas in seinem Atelier in Leinfelden-Echterdingen verabredet bin. Er gehört dazu wie die überall gegenwärtige Kunst an den Wänden und in den Trockengestellen während mir der weltweit gefragteste Siebdrucker an diesem Nachmittag aus seinem Arbeitsleben erzählt. Ein anderes scheint es nicht zu geben, und wenn, dann wäre es zweitrangig.
Druckerpresse, Schablonen, Werkzeuge und jede Menge Drucke von Werken bekannter Künstler und Fotos von Künstlerbesuchen in seinem Atelier, im hinteren Bereich eine kleine Galerie mit weiteren Kunstdrucken, Büchern und Erinnerungsstücken. Der Begriff Werkstatt würde dem künstlerischen Anspruch nicht gerecht.
„Dieser Druck ist so gut, er sähe heute nicht besser aus. Es war einer der ersten, die ich als selbständiger Drucker angefertigt habe“. Das sagt Hans-Peter Haas, Jahrgang 1935 und einer der besten Drucker weltweit, über eine Arbeit aus dem Jahr 1958. In Frankreich wurden hervorragende Drucker zu dieser Zeit bereits „französischer Haas“ genannt. Der Name war das Synonym für unübertreffliche Qualität, ein „Original HPH“ blieb dennoch unerreicht.
Sein Ruf reichte schon früh über die Grenzen seiner Heimatstadt Stuttgart hinaus und ist bis heute legendär. Die Liste der Künstler, die ihre Drucke ausschließlich bei HPH anfertigen lassen, liest sich wie das Who’s who zeitgenössischer Kunst: Frank Stella, Horst Antes, Heinz Mack, Christo, James Francis Gill, Ben Willikens, James Rizzi, Roy Liechtenstein und viele weitere. Sie schwören auf HPHs handwerkliches Können, die langjährige Erfahrung und das ausgeprägte Gespür für Farben, Texturen und Oberflächenstrukturen, das die von ihm angefertigten Kunstdrucke kaum vom Original unterscheidet. Dazu kommen die spürbare Leidenschaft für seine Arbeit und der Anspruch „das muss gut sein“. Für den nimmt er sich Zeit, festgelegte Arbeitszeiten, einen von der Uhr bestimmten Arbeitstag gibt es für ihn während des Druckvorgangs bis heute nicht. Seine Motivation nennt Hans-Peter Haas „eine schöpferische Kraft die man hat oder nicht“.
Er hatte sie schon immer – als Waldorfschüler, der durch seine künstlerische Begabung auffiel. und als Lehrling beim Pionier des künstlerischen Siebdrucks, Luitpold „Poldi“ Domberger. Unter seiner Aegide entwickelte sich Stuttgart in den 60er Jahren zu einem Zentrum für künstlerischen Siebdruck und er war es auch, der das neu entstehende Berufsbild des Siebdruckers entscheidend prägte. Für HPH war es ein Glücksfall ihn zum Lehrmeister zu haben und er hat es verstanden, dieses Glück zu nutzen.
„Von Kunst, vor allem von der sich entwickelnden Konkreten Kunst, die die figurative Malerei ablöste, hatte ich keine Ahnung“ räumt HPH ein. Das änderte sich nach der Begegnung mit dem Avantgardekünstler Willi Baumeister den er während seiner Ausbildung bei Domberger kennenlernte. Baumeister wohnte im selben Haus und arbeitete eng mit Poldi Domberger zusammen. Die erste Serigrafie aus dieser kongenialen Partnerschaft gab auf diesem Gebiet entscheidende Impulse für die deutsche Nachkriegskunst, die internationale Moderne und nicht zuletzt stieg der Stellenwert eines hochwertigen Kunstdrucks gegenüber dem Original.
Haas Feststellung „Jede Serigrafie ist ein Unikat“ unterstreicht den scheinbaren Widerspruch und die Bedeutung eines Kunstdrucks für die Verbreitung von Kunst. Baumeister, ein Schwabe wie Haas, suchte in der Abstraktion einen Weg sich von der Erdenschwere des Gegenständlichen zu lösen und entwickelte eine sehr eigene Farb- und Formensprache. Das beeindruckte Hans-Peter Haas und seine Offenheit für Neues öffnete ihm den Zugang zu zeitgenössischer Kunst. Schon während seiner Zeit bei Domberger lernte er durch Beobachtung. „Ich habe nie viel gefragt, immer geschaut wie es geht, und versucht es dann besser zu machen. So habe ich mich weiterentwickelt, nicht zuletzt durch Mitarbeit bei bekannten Druckern in Belgien und Skandinavien“. Ein Meister wurde er nie, aber ein Künstler. Da Siebdrucker in der 50er Jahren kein Lehrberuf war, machte er sich 1958 als freiberuflicher Künstler selbständig und räumte mit seinen anspruchsvollen Kunstkalendern internationale Preise und Auszeichnungen ab. Hans-Peter Haas wurde zum weltweit gefragten Siebdrucker. Die Technik des Siebdrucks hatte sich nach dem Krieg durch die Erfindung von Kunstfasern wie Nylon verändert, und im Gegensatz zur bisher verwendeten Naturseide ermöglichte sie in den Schablonen übergangslose Farbverläufe. Hans-Peter Haas nutzte diese Möglichkeiten, trieb sie zur Perfektion und entwickelte als erster Drucker Halbtöne. Zusammen mit einer besonderen Belichtungstechnik bei den Vorlagen und teilweise manueller Vor- und Nachbearbeitung entstand seine ganz persönliche unübertroffene Handschrift. Begegnungen mit Künstlern und deren Besuche im Atelier waren für Hans-Peter Haas ein Austausch von Künstler zu Künstler. „Ich hatte auch etwas zu bieten“ war er sich seines Könnens als „dritte Hand“ der Künstler bewusst. Kreative und Künstler kamen in seine Werkstatt um ihm über die Schulter zu schauen, und Siebdrucker aus der ganzen Welt wollten von HPH lernen. „Da war die Gruppe aus den USA“ erinnert er sich schmunzelnd „die viel fotografierten, viel fragten um am Ende die Frage zu stellen: „Where ist he factory? Wo ist die Produktion“? Zu der Zeit habe ich die Schablonen noch in der Waschküche bearbeitet und sie in der Sonne belichtet. Für die Amerikaner war das unvorstellbar, auch dass ich ohne Mitarbeiter auskomme. Dabei ist es für mich eine Voraussetzung für die Qualität meiner Drucke. Ich habe schon zu Beginn eine Vorstellung davon, wie das Resultat aussehen soll. Danach sind die einzelnen Schritte nur die konsequente Umsetzung eines schöpferischen Prozesses“. Mit diesem Satz wird klar, dass Hans-Peter Haas sein Wissen nicht weitergeben konnte und es eine Nachfolge nicht geben kann. Das Vermächtnis von HPH sind Kunstdrucke in unübertrefflicher künstlerischer Qualität. sba