Website Marie Madeleine Noiseux: www.mariemadeleinenoiseux.com
„Acryl auf Leinwand“ steht als Maltechnik unter allen Arbeiten von Marie Madeleine Noiseux. Und selten war damit so wenig gesagt
Die Bilder faszinieren durch eine ganz eigenwillige Spannung:
Einerseits
gegenständliche Elemente- Äste, Bäume, menschliche Figuren – erinnern mehr an filigrane Tuschezeichnungen, wie wir sie vor allem aus der japanischen Kunst kennen.
Andererseits
Farbige Strukturen, die im Detail mehr dem Zufall ihrer technischen Erstellung zu verdanken haben als der bewußt-genauen Formulierung durch die Hand der Künstlerin.
So entsteht jeweils ein Gesamtbild, das doch ganz aus dem kompositorischen Willen von Marie Madeleine Noiseux heraus gestaltet ist. Farbgebung und Raumaufteilung sind alles andere als zufällig. Nur innerhalb der Farbstrukturen regiert der Zufall – aufgrund einer besonderen Polypropylenfolien-Technik, deren besondere Anwendung wir hier natürlich nicht verraten wollen.
Auch geht es uns hier ja nicht um Technik, sondern darum, zu verstehen, was diese besondere Kunst ausmacht, warum sie uns so begeistert.
Bei einer Ausstellung in ihren eigenen Atelierräumen hatte ich Gelegenheit zu einem längeren Gespräch mit der Künstlerin, die, aufgewachsen in Kanada, 10 Jahre lang in in Paris war und nun seit einiger Zeit in Karlsruhe lebt. Vorher schon war mir klar, dass es die vielfältigen Gegensätze sind, die für mich die enorme Anziehungskraft dieser Bilder erzeugen – Klarheit, Unklarheit, Transparenz und Undurchsichtigkeit, Raum und Fläche….
Länger schon ahnte ich, dass es das besondere Sehen des Künstlers selbst ist, das es ihm (ihr) ermöglicht, uns Betrachtern ebenfalls eine ungewohnte, neue Sicht möglich zu machen.
Immer wieder spielen auch autobiographische Aspekte eine wichtige Rolle für die eigene Weltwahrnehmung des Künstlers, wobei wir immer falsch liegen, wenn wir glauben, aus diesen Motiven die alleinige Erklärung oder Interpretation erhalten zu können.
“Ich bin in dieser kosmopolitischen Grossstadt Montreal geboren und ging dort zur Schule, aber als Kind habe ich die ganze Sommerzeit, Juni, Juli , August auf Land in Saint-Placide Sur le Lac des Deux-Montagnes verbracht
Die Gegensätzlichkeit zwischen der damals engen Gesellschaft in einer 2 Millionen Stadt wie Montreal und diesem winzigen 600 Seelen Dorf St-Placide in Quebec am Deux- Montages hat mich einfach geprägt“.
Geistige Enge und eine spektakulär großzügige Landschaft – eine Sehschule, die mehr als nur die Augen öffnet.
Leider war ich noch nie in Kanada, doch sehe ich die Bilder von Marie Madeleine Noiseux:
Alles ist offen, ungewiss – nicht im Sinne von beliebig, ganz im Gegenteil: es liegt an uns, unseren Standort zu bestimmen, zu suchen, die richtigen Fragen zu stellen, den Weg zu gehen, den wir vorher ja nicht kennen. Zu gestalten.
Marie Madeleine Noiseux konfrontiert uns mit der Erkenntnis, dass wir fast nichts sicher wissen und damit umgehen müssen. In ihren Bildern begegnen sich (vermeintliche) Klarheit und offenkundige Unklarheit; beim Betrachten der Arbeiten begegnen wir uns selbst.
Acryl auf Leinwand, 2009, 60 x 200 cm
All dies erinnert mich an ein Lied von Element of Crime, (Sven Regener/Element of Crime: Draußen hinterm Fenster); besonders an zwei Zeilen daraus:
“Und ich frage Dich nicht, wo Du herkommst
Und Du sagst mir nicht, wo wir sind“
Genau in diesem Sinne erlebe ich die Kunst von Marie Madeleine Noiseux als
Begegnung.
Jürgen Linde im Mai 2012