Städtische Galerie Karlsruhe | 13.03. bis 12.09.2021
Wilhelm Loth, einer der bedeutendsten deutschen Bildhauer der Nachkriegszeit, schuf im Laufe von fünf Jahrzehnten ein umfangreiches und unverwechselbares Œuvre, in dessen Zentrum der weibliche Körper als Torso steht. Im Spannungsfeld zwischen Abstraktion und individueller Körperlichkeit, dabei frei von erzählerischen Intentionen, entwickelte er ein künstlerisches Werk, das sich ausschließlich auf die Präsenz des Körpers, vor allem auf den weiblichen Körper konzentriert. Kontinuierlich war er damit beschäftigt, das Menschenbild seiner von großen gesellschaftlichen Umbrüchen geprägten Zeit auf seine Weise zu erfassen. Zeichnend, malend, fotografierend und vor allem modellierend formulierte er ein zeitgemäßes Bild des Weiblichen, das von einem veränderten, gestärkten Selbstverständnis der Frauen und einer neuen, freieren Geschlechterbeziehung zeugt.
Der 1920 in Darmstadt geborene und dort ausgebildete Künstler hatte bereits beachtliche Erfolge aufzuweisen, als er 1958 zum Leiter einer neu eingerichteten Bildhauerklasse an die Staatliche Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe berufen wurde. Neben seinem künstlerischen Schaffen und seiner regen Ausstellungstätigkeit – bereits 1964 erfolgte mit der Einladung zur documenta 3 in Kassel der Durchbruch zur internationalen Anerkennung – lehrte er nahezu drei Jahrzehnte lang in Karlsruhe.
Loths umfassendes zeichnerisches Œuvre belegt, dass er sich während seines gesamten Schaffens intensiv dem Arbeiten auf Papier widmete. Zudem beschäftigte er sich bereits um 1950 mit den Drucktechniken Holzschnitt, Lithografie und Radierung, wobei er den Holzschnitt rasch weitgehend aufgab. In der Lithografie nutzt Loth die Möglichkeit auf dem Stein gleichzeitig mit Feder und Pinsel arbeiten zu können. Seine spontane, emotionale Handschrift, die er auf dem Papier entwickelte, konnte er so unmittelbar in diese Drucktechnik übertragen. In der Radierung formulierte Loth in den 1970er-Jahren eine charakteristische Sprache. Hatte er zuvor Flächen in intensiven, gekreuzten Strichlagen geschwärzt, legte er nun dichte, gleich-gerichtete Schraffuren an, mit denen er die Körperformen sanft modellierte.
Die unablässige Suche des Künstlers nach der Inspiration am und durch das Modell wird auch an vielen der hier ausgestellten Grafiken unmittelbar anschaulich. Reduziert auf Büste, Brust und Bauch, auf Oberschenkel und Schoß konfrontieren uns die vitalen, gewissermaßen physiognomischen Körperlandschaften mit einer unbedingten Präsenz des
Leiblichen – in archaischer Zeitlosigkeit und zugleich natürlicher Individualität. Jede Körperformung hat ihren eigenen, am jeweiligen Modell beobachteten Ausdruck. Dabei ging es Loth nicht darum, gängige Schönheitsideale zu bedienen, im Gegenteil. „Schönheit“, so sagte er einmal selbst, „das ist für mich nicht eine vom Leben abgehobene Idealvorstellung, sondern ich suche sie in Formen, die das reale Leben anbietet und die für mich schön sind, weil sie lebensbejahend sind.“
Die Städtische Galerie Karlsruhe besitzt mehr als hundert Plastiken und Arbeiten auf Papier von Wilhelm Loth. Alexander Heil, der Neffe und Nachlassverwalter des Künstlers, schenkte dem Museum im vergangenen Jahr eine Auswahl von Blättern aus dem druckgrafischen Werk, die nun im Zentrum dieser Präsentation steht, ergänzt durch plastische Arbeiten und einige Zeichnungen, ebenfalls aus den Beständen des Hauses.