Simone Demandt im Internet: | Website: www.simonedemandt.de
Das ist nun die Aufgabe: die fotografische Arbeit von Simone Demandt ist faszinierend, in ihrer thematischen Bandbreite aber nur schwer zu erfassen und keinesfalls in ihrer Vielfalt über einen Kamm zu scheren. Wieder einmal suchen wir einen roten Faden, um dieser Kunst näher zu kommen. Erfahrene kunstportal-LeserInnen wissen: auf diesem Weg wird die Kunst ihr Geheimnis bewahren, aber wenn es gelingt, wissen wir nachher mehr über unser eigenes Sehen.
Zunächst sehen wir wenig: die Arbeiten der Serie “Dunkle Labore“ sind dunkel und teilweise zur Hälfte schwarz. Die Bildtitel geben Aufschluss, um welches Labor es sich jeweils handelt, so dass wir immerhin eine Idee haben, was dort tagsüber geschieht. Umweltanalysen, experimentelle physikalische Langzeitversuche, Parfümherstellung, Pflanzenfoschung etc.
Nachts befinden sich die Labore in einem dunklen Metazustand. Sie sind manchmal nur erhellt von ein paar Leuchtdioden dort laufender Messgeräte, von periodisch aufglimmenden Monitoren oder durch Licht von außen. Die Werkreihe „Dunkle Labore“ ist eine Arbeit mit einkalkuliertem Risiko und Zufall: Die Kamera wird eingestellt und allein gelassen, sie startet die Belichtung, wenn es dunkel ist und beendet sie, bevor es hell wird.
Die erwähnte Vielfalt des Werkes von Simone Demandt zwingt mich, im Rahmen dieses Porträts eine enge Auswahl zu treffen: Die Serien „L.i.t. – Landschaft ist tröstlich“ und “Kein Kinderspiel“ erscheinen mir besonders geeignet, das, was Demandts Kunst besonders auszeichnet, anschaulich zu machen:
„Landschaft ist tröstlich“, schon der Titel klingt spannend. Simone Demandt zeigt Landschaften nicht als klassische Landschafts-Fotografien, sondern sie zeigt Landschaftsbilder, die als Autowerbung in den Printmedien zu finden sind und die uns an „den Geschmack von Freiheit und Abenteuer“ denken lassen sollen.
„…die Landschaft gerät lediglich zum Hintergrundsprospekt, vor dem sich das eigentliche Objekt der Begierde und des Warenfetischismus verbreiten soll. Simone Demandt verrückt nun dieses Objekt an den Rand der unteren Bildperipherie, in dem wir nur noch die schemenhaft in Erscheinung tretende Silhouette eines Autodachs erkennen können. Es sind Bilderfindungen, die von der Künstlerin nicht er-, sondern gefunden wurden. Das Fundstück wird uns aber nicht in seiner Gesamtheit präsentiert, sondern lediglich in einem fokussierten und zugespitzten Ausschnitt, der in einem psychotechnischen Sinne die unterbewusste Struktur der Autowerbung offen legt.“
(Bernd Künzig, 2010).
So entsteht eine Art Dopplung der Sichtweise – eine Reflexion über den Prozess des Sehens als solchen tritt ins Bild. Diese Strategie der mehrfachen Reflexion erinnert uns (nicht vom Ergebnis her, aber eben als Strategie) an Arbeiten von Gerhard Richter, der uns ja durch seine sehr systematischen Medienbrüche auch oft zweifeln lässt, ob wir das sehen, was wir zu sehen glauben. In unseren Zeiten der Digitalisierung haben wir die Hoffnung auf solche Wahrheit längst aufgegeben.
Simone Demandt, die ja konsequent nur analog fotografiert, zeigt uns, am deutlichsten wohl in der Serie “Kein Kinderspiel“, dass das, was wir sehen, immer nur eine Momentaufnahme ist und nie “ein vollständiges Bild“ oder gar “die Wahrheit“.
Mehrfach schon hatte ich hier Hans Belting zitiert, den “Vater der Bildwissenschaft“, der uns ja erklärt hat, dass der “Ort des Bildes“ unser Kopf ist. Simone Demandt weist nun überzeugend und substanziell darauf hin, dass auch der Prozess der Bildentstehung und -Produktion sehr wichtig ist und dass das, was wir nicht sehen, immer ein Teil des Bildes ist.
Simone Demandt zeigt uns, dass wir als Betrachter mitdenken müssen, genau sehen und kritisch reflektieren. Wir sollten uns dessen bewußt sein, was wir nicht sehen, – erst dann können wir
Alles sehen.
Jürgen Linde im Juni 2015