Kleinverlage pflegen Autoren und ihre Werke und das obwohl gerade die damit verbundenen editorischen Tätigkeiten oft in keiner Weise finanziell erfolgreich sind. Verleger sein, das bedeutet häufig ein Zuschussgeschäft betreiben und privates Vermögen zuzubuttern. Unter den Schweizer Kleinverlagen ist der Züricher Limmat Verlag eher ein „großer“ mit einem breit angelegten Repertoire. Schön, dass ein Autor des Verlages, Christoph Keller, mit dem Alemannischen Literaturpreis 2020 ausgezeichnet wurde.
Um Missverständnisse auszuräumen: Der Preisträger muss nicht in alemannischer Mundart schreiben. Der Preis ist mit ansehnlichen 10.000 Euro dotiert und wird in dreijährigem Turnus vergeben; zu den Trägern gehören u.a. Franz Hohler, Arnold Stadler, Martin Walser und Karl-Heinz Ott. Jetzt also Christoph Keller.
Im Alter von 14 Jahren erhielt er, 1963 in St. Gallen geboren, die Diagnose, er leide unter Spinaler Muskelatrophie, Variation III, die schlicht bedeutete, dass er sich darauf einstellen muss, sein restliches Leben über kurz oder lang im Rollstuhl zu verbringen. Meist über kurz. Das Schwierige u.a. daran: ein älterer Bruder litt unter derselben Krankheit und so konnte Keller früh schon verfolgen, welches Schicksal ihn einst treffen würde. Tolle Aussichten!
Keller aber ließ sich nicht entmutigen. In seinen beiden aktuellen Büchern schreibt er (nach Bühnenstücken, Erzählungen und Romanen) über die widrigen Kleinigkeiten des Lebens im Rollstuhl und vor allem, wie und warum er seine Lebenslust nicht verliert. Das Besondere: Keller ist nicht verbittert und vergrämt, sondern macht sich darüber lustig, wie er mit dem Rollstuhl in das Flugzeug kommt, das ihn von seiner Wahlheimat New York in die Schweiz bringen soll, warum er ein Schild „Rollstuhl“ beim Zoobesuch am Rollstuhl tragen soll, damit jedermann wisse, dies sei ein Rollstuhl, welche Umwege er (u.a. in Museen) gehen muss, um ans Ziel zu kommen. Kurz: Keller verzichtet provokant auf Mitgefühl, weist stattdessen mit viel poetischem Gespür auf die Oberflächlichkeiten unserer Gesellschaft hin. Und er bedient sich dabei auch einer Paraphrase zu Kafkas „Verwandlung“, die er sehr geschickt in sein „Tagebuch“ einfügt.
Unabhängig von Preis und persönlichem Hintergrund gilt es mit Christoph Keller einen Autor zu entdecken, der noch einiges auf der Pfanne hat.
Christoph Keller, Jeder Krüppel ein Superheld, 216 S, 12 Fotos, ISBN: 978-3- 03926-003-4, 24 € / Der Boden unter den Füßen, 160 S., ISBN 978-3-85791-880-3, 26 €.