über Tina Stanilewicz
Es war einmal, am 29. Juni und abends. Der Titel war „Gefundwandlungen. Kleine , sich suchende Weltenteile.“
Eine Ausstellung im Raum mit Objekten von Philipp Deininger und Martin Schmitt.
29.06. und 07.07.2000 in der Kellergalerie ‚alles kunst‘.
Martin Schmitt (Paul Blau) war ja, wie jeder weiß, Thema des legendären ersten SWO-Künstlerporträts.
Und schon schließt sich der Kreis. Bei eben dieser durchaus ein wenig märchenhaft anmutenden Ausstellung lerne ich Tina Stanilewicz kennen.
Ein mehr als ein glücklicher Zufall, entgegen jeder Wahrscheinlichkeit:; denn:
- erfahre ich später, daß sie Künstlerin ist und in die Virtuelle Kulturregion „gehört“
- war ich zum erstenmal in der Galerie „Alles Kunst“ in der Karlsruher Südweststadt, wo
- die Hölle los war wegen des Halbfinales der Fußball-EM mit den Italienern, die in der multikulturellen Südstadt für hervorragende Stimmung sorgten, dennoch
- war Martin Schmitts „Kellergalerie“ dort kaum zu finden, und noch dazu
- war der Tag lang und der Autor durstig, aber
- wie sich zeigte, hat ein Pfälzer Winzer kompetent die Bewirtung übernommen und mich
- mit 1998er Dornfelder Rotwein wieder ziemlich fit gemacht.
All dies begab sich am Donnerstag, den 29. Juni. Die eigenwillige Stimmung enthielt tatsächlich Elemente (Bilder, Skulpturen, Düfte) aus allen Teilen der – äußeren und inneren – Welt, weit mehr, als ich nach dieser langen Zeit zu erinnern vermag.
Dann Tina: mit schwarzem Haar und roten Lippen und auch in diesen Farben gekleidet holt mich diese Erscheinung in den realen Teil unserer Welt zurück. Auch Tina sucht ihre Einheit der Weltenteile: ihre künstlerischen Tätigkeitsvorstellungen und -Ziele in Einklang zu bringen mit dem Arbeitsalltag.
(Über den Begriff „reale Welt“ könnte man lange Exkurse schreiben, was ich an dieser Stelle -noch?- nicht tue).
Aber in der realen Welt bleibe ich nicht lange, denn Tina holt mich in die entgegengesetze Richtung:
„Eine geheimnisvolle Tänzerin (Tina Stanilewicz) verführt die beiden zu Abenteuern mit bewußtseinserweiternder Wirkung“ schrieb der „Sonntag“ am 07. Februar 1999 zu dem Tanztheaterstück „Unter den Straßen“(*).
Geschafft – wir sind beim Thema, wenigstens fast. Tina also ist Künstlerin, das war ja klar, konkret liegt ihre Schwerpunkt sind Darstellende Kunst und Gesang. Sie ist auch konzeptionell sehr kreativ; sie hat unter anderem mir einer Performancegruppe aus KunststudentInnen das experimentelle Theaterstück „Fruchtwasser“ mitentwickelt.
Eine endgültihge Entscheidung wäre für Tina eine Einschränkung ihrer Möglichkeiten, die bei ihr ein breites Spektrum ausmachen. Schon in der Schule hatte sie nur Einsen in Kunst, auch in Deutsch war sie gut. Obwohl leider die Leistungskurskombination Deutsch/Kunst nicht möglich war, sah sie bis zum Abitur ihre Zukunft verbunden mit Malerei und Zeichnen.
Eine Rockoper inspirierte sie dann in Richtung der Darstellenden Künste, wo sich ihre gute Stimme und ihre tänzerische Begabung sehr gut ergänzen. Durch den Besuch einer Improvisationsschule findet Tina zum Tanztheater, wo sie der Schulleiter nach einem ersten Probetanzen gleich verpflichten will. Nach „Unter den Straßen“(*) wird Tina auch mitwirken bei der nächsten Tanztheater-Produktion der Tanztribüne. Diese startet im April 2001, der Titel steht noch nicht fest, aber sicher ist, daß Tina diesmal eine Rolle hat, in der sieauch singen wird. Da sie „keine ‚Piepsstimme‘ hat, sondern eine richtige“, wie sie erklärt, will sie hier und vielleicht auch in weiteren Projekten ihre Möglichkeiten im Gesang erproben.
Tina Stanilewicz ist, wenn sie gerade nicht berufsbedingt tänzerisch schwebt, eine Frau, die mit beiden Füßen auf dem Boden steht. „Was ich mache, will ich auch richtig machen“ sagt sie mit einiger Entschiedenheit. So hat sie vor ihrem ersten Bühnenengagement erst mal eine Spielzeit als Mitarbeiterin in der Lichttechnik Theaterluft geschnuppert. Dann wußte sie, daß sie es kann und geht ganz ohne Lampenfieber auf die Bühne.
Sie erzählt, daß es immer wieder sehr schwierig ist, ihre Fulltimearbeit als Chefassistentin zu vereinbaren mit Tanz- oder Theaterprojekten, die ja zumindest phasenweise fast gar keine Freizeit, respektive „Lohn-Arbeitszeit“ übrig lassen.
Ihre erste kleinere Rolle in einem Film steht auch bevor, doch das kann frau ja nebenbei mal machen. Was daraus wird, wird sich zeigen. Gerade noch rechtzeitig lasse ich mir von Tina versprechen, daß sie mich bei SWO besucht.
Dann bin ich wieder bei Martin Schmitts „Gefundwandlungen“. Der schon erwähnte Pfälzer Winzer schenkt mir zur Erfrischung statt des Dornfelders mal einen Grauburgunder ein. Ich beginne zu zweifeln: Rot und weiß statt Rot und Schwarz? Zu dem vereinbarten Termin kommt Tina mit einem riesigen Stapel Fotos und in begeisterter Stimmung – kein Wunder, sie hat gerade Urlaub…
Zahl und Qualität der Fotos erlauben mir, den Text schon hier zu beenden, da ja auch die Bilder für sich sprechen. Insbesondere auch die Schwarz-Weiß-Fotos. Also schwarz und weiß statt rot und schwarz? Doch wie beim Wein gibt es letztlich kein Entweder-Oder sondern nur eine Entscheidung über die Reihenfolge. So enthält ja auch das SWO-Logo Rot und Schwarz und Weiß.
Auch Tina Stanilewicz hat noch einige schwere Entscheidungen vor sich. Wir wünschen ihr, daß sie alles zu integrieren vermag, bis sich die Chance bietet, die Kunst von der Berufung zum Beruf zu machen.
Jürgen Linde im August 2002