Kunstausflüge mit Sigrid Balke | OZM in Hamburg
Für Kunstinteressierte gibt es zahlreiche Gründe Hamburg zu besuchen. Bietet die Stadt doch eine Vielzahl von Museen, Galerien und anderen Kunstorten. Zu letzterem zählt das OZM, ein Akronym, mit dem selbst alteingesessene Hamburger wenig anfangen können. Auch der Zusatz Hammerbrooklyn Exponat hilft oft nicht weiter. Liegt es an der Kunst, die dort zu sehen ist? Lange Zeit galt Graffiti als unerwünschte Subkultur, die im Wesentlichen als mehr oder weniger kunstvolle Malerei an Häuserwänden, Betonflächen oder Zügen wahrgenommen und als Sachbeschädigung geahndet wurde. Dabei haben Graffiti, Urban Art und Streetart längst ihren Weg in die Museen gefunden. Man denke nur an Künstler wie Keith Haring oder Jean-Michel Basquiat, oder an die Street Art von Banksy, der aktuell die internationale Kunstwelt aufmischt. Gleich zu Beginn die Erklärung, was Graffiti und Street Art unterscheidet: Graffiti-Künstler richten ihre Botschaften an andere Personen aus der Szene oder finden in der Malerei ihren persönlichen Ausdruck. Dass die Öffentlichkeit ihre Arbeit versteht, interessiert sie nur bedingt. Street Art dagegen nutzt die Ideen und Werkzeuge der Graffitikunst um Kunst zu schaffen, die Diskussionen und Reaktionen auslöst oder Botschaften sendet.
Als die ursprünglichste Art von Graffiti waren Häuserwände und Mauern der unbegrenzte Maluntergrund für die Kids aus den New Yorker Ghettos und der Inbegriff von freier Entfaltung in der Begrenztheit ihres Alltags. Als die sogenannten Sprayer Eisenbahnwaggons für sich entdecken, war ihre Kunst nicht mehr stationär, Grenzen waren aufgehoben und die Sichtbarkeit für andere schien unbegrenzt. Mit der Frage: Konnten andere die Graffitis auch lesen? sind wir beim OZM und ihrem Kurator, Galerist und Künstler Alex Heimkind. OMZ steht für One-Zero-More, den Zahlen aus denen sich die Algorithmen der digitalen Welt zusammensetzen. Der Grund: das OMZ verbindet beides, ist ein Erfahrungsort für Kunst und KI und ist zugleich eine herkömmliche Galerie. Alles vereint unter dem Dach eines Gebäudes, dass seinen Inhalt nach außen zeigt und das Außen ins Innere holt. Für Graffitikünstler von der Qualität eines Oz, Loomit oder Daim, wie sie im OZM zu sehen sind, ist der öffentliche Raum zum Üben. Wenn sie die Graffiti in einen Rahmen bringen und sie in musealem Kontext ausstellen, sind die Arbeiten auf einem anderen Level. Die Entwicklung transparenter Sprühfarben war für die Künstler der Gamechanger um ihren Gemälden zusätzlich Tiefe zu verleihen. Geblieben ist der kreative Ausdruck in Form von Signaturen (Tags), Motiven, Figuren (Character) politischen Parolen oder einer Buchstabengruppe (Style), die für die Szene, aber nicht für den Laien lesbar sind. Die Werke von Daim, Pionier der 3D Styles, und anderer im OZM vertretener Künstler, überzeugen in ihrer Qualität auch Kunstliebhaber die dieser Kunstform eher skeptisch gegenüberstehen. Durch den bewussten Verzicht einer umrahmenden Linie und dem Umgang mit Licht und Schatten schuf Daim, alias Mirco Reiser, einen neuen Stil dreidimensionaler Graffiti. Der ästhetische Aspekt steht dabei im Vordergrund, die Worte die sich aus den dargestellten Buchstabenkombinationen ergeben, sind von sekundärer Bedeutung.
Das OZM hat auf 3500 Quadratmeter genug Raum um die Kunstformen der „Sprayer“ und KI generierter Objekte in vollkommen unterschiedlichen Räumlichkeiten zu präsentieren. Die Werke sind Ausdruck unserer Zeit und verändern in diesem Umfeld den Blick des Betrachters auf die Gegenwart. Wer die Gegenwart besser verstehen will, sollte in Hamburg einen Besuch des OZM Hammerbrooklyn Exponats unbedingt einplanen. Eine vorherige Anmeldung ist erforderlich, und beinhaltet eine Führung durch den Galeristen.
Ergänzend dazu zeigt das WAI Wood Arts Institute an der Stadtgrenze von Hamburg bis zum Januar 2025 eine große Retrospektive von Daim und seiner Entwicklung vom jugendlichen Sprüher bis zum international gefragten Künstler.
Text: Sigrid Balke;
© Fotos: Harald Lambacher
www.woodsartinstitute.com
www.onezeromore.com