Können wir die Welt verändern? Ja.
25.08.2024: Beitrag in Hinkelstein 1 / 2024
Bild links:Timm Ulrichs: Wegweiser Hier 40 000km, 1969 / 2020, Siebdruck auf Aluminium, 40 x 150 cm, © Courtesy of the artist, © VG Bild- Kunst, Bonn 2020, Foto: Carl Brunn
Persönliche Gedanken über Kunst und Politik eine Woche vor den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen.
Vielleicht werden diese Wahlen unsere Welt verändern, vielleicht aber ist es auch wie bisher immer:
bleibt alles anders (Herbert Grönemeyer.)
You say you want a revolution
Well, you know
We all want to change the world
You tell me that it’s evolution
Well, you know
We all wanna change the world
(John Lennon)
Als wir jung waren, wollten wir wohl alle die Welt verändern (siehe oben). Die Welt, die wir als ungerecht und grausam erkannten, die so eigentlich gar nicht auszuhalten war.
„Ein erstes Zeichen beginnender Erkenntnis ist der Wunsch, zu sterben“ schrieb Franz Kafka in seinen Tagebüchern.
Hier beginnt unsere Befragung der Wirklichkeit und genau hier beginnt auch die Kunst.
Können wir, können einzelne Menschen die Welt verändern?
Ja: Hitler hat dies im letzten Jahrhundert nachdrücklich bewiesen. Auch haben Menschen wie Robert Oppenheimer, Albert Einstein, Marie Curie und Edward Teller die Welt verändert.
Hitler wollen wir uns ja nicht als Vorbild nehmen. Bei den theoretischen Physikern, deren Arbeit die Grundlage bildete für die Entdeckung und Nutzung der Atomenergie – und die dann auch teils eingebunden waren in deren praktische militärische Umsetzung – ist dies schwieriger, sagen wir: ambivalent.
Nikolaus Kopernikus hat die Welt zweifellos verändert. Zweifellos? In den heutigen Zeiten mit Internet und Fake-News sind wir uns nicht sicher, ob die Erde womöglich früher eine Scheibe war, die sich im Zentrum des Universums befand, was erst Kopernikus dann geändert hat, oder ob alles immer schon so war, wie wir heute (zu beweisen können) glauben. Gut möglich also, dass Kopernikus die Welt nicht veränderte, sondern diese nur neu sichtbar gemacht hat? Peter Weibel hat immer wieder erklärt, dass und wie eng Wissenschaft und Kunst miteinander verbunden sind (P.Klee: Kunst macht sichtbar).
Wenn dies so ist, dann hat auch Heinrich Hertz wahrscheinlich die elektromagnetischen Wellen gar nicht erfunden, sondern nur entdeckt!
Und H.Hertz hat die Welt ganz sicher verändert; seine physikalischen Studien ermöglichten letztendlich die Aufzeichnung von Musik – ohne ihn hätte ich selbst niemals die Werke von Johann Sebastian Bach oder Keith Jarrett entdeckt – diese wiederum haben die Welt verändert – meine eigene Welt, mein Leben, in welchem ich gelernt habe, in der Kunst nach Wahrheit zu suchen.
Zuvor hatte ich mich auch mit Politik, Revolution und Philosophie (=Liebe zur Wahrheit) und all dem Kram beschäftigt. Heute denke ich – als bescheidener und demütiger Mensch: Der Versuch, das eigene Leben zu verändern, ist schon ein mindestens extrem großer Anspruch.
Nach dem “Wunsch zu sterben“ (Kafka, s.o.) nämlich beginnt das Leben: Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Fühlen – die Sinnlichkeit.
Die Welt der Politik tritt aus der Perspektive der Kunst in den Hintergrund, was der dadaistisch arbeitende Poet Ernst Jandl schön beschrieben hatte:
Manche meinen
Lechts und Rinks
kann man nicht verwechsern
werch ein Illtum
(odel auch)
Wel sagt, dass man rinks und lechts nicht verwechsern kann, del rügt.