Dr. Martina Wehlte: Einführungsrede zur Ausstellung
Kunstverein Damianstor Bruchsal | 23.06. – 21.07.2024 | Hans Schüle – Raum:formen
Einführungsrede zur Vernissage der Ausstellung von Hans Schüle:
Raum:formen am 23.06.2024 im Kunstverein Das Damianstor in
Kooperation mit dem Bruchsaler Schloss (23.06.-21.07.2024)
Bild links: Blick in die Ausstellung im Kunstverein Damianstor; © Werke und Foto: Hans Schüle
Hans Schüle nutzt die Zweigliedrigkeit seiner aktuellen Ausstellung in den Räumen des Kunstvereins
und der oberen Schlossetage zum einen für die Präsentation aktueller Werke, zum anderen für einen
retrospektiven Querschnitt aus den vergangenen Jahrzehnten. Der Ausstellungsort ist gerade für
Bildhauer eine Herausforderung sowohl hinsichtlich der Größe ihrer Arbeiten, die ein mittleres Maß
nicht übersteigen dürfen, als auch hinsichtlich des Kontrasts von barockem Ambiente und moderner
Bestückung mit abstrakten Metallarbeiten. Dass die Spannung zwischen diesen Gegensätzen nicht etwa
nur erträglich ist, sondern das Projekt wirklich trägt, spricht nicht das erste Mal für den künstlerischen
Wert der Werke und für die Ausstellungskonzeption. So auch im Falle von Hans Schüle, dessen massige,
dunkle Sediment-Objekte sich schon in historischen Räumen bewährt haben, beispielsweise 2013 in der
Galerie Schloss Mochental, südwestlich von Ulm. Ebenso die luftigen Crossover zwischen
klassizistischen Säulenkapitellen oder das große, aus verbundenen Kreisformen geschaffene Flachrelief
aus der Kolonie-Gruppe, das an einer grauen Betonwand aufgebracht und in Privatbesitz ist.
Grundelemente von Hans Schüles Formensprache sind Kreis und Dreieck. Kreise aus Stahlblech fügen
sich in der Gruppe der Hybriden räumlich zu Kugeln zusammen, die wie aneinander haftende Luftblasen
wirken oder freie organische Gebilde erschaffen. Ihre optisch durchlässigen Strukturen eignen sich auch
hervorragend für eine Aufstellung im Freien, wo sie mit der Natur einer Parklandschaft geradezu
verschmelzen. In der Sediment-Werkreihe findet sich das Kreismotiv als Halbkugel aus der Stahlhaut
ausgetrieben. Hierzu wird das Blech über einem Ring erhitzt und mit dem Hammer das Volumen
herausgearbeitet, was diese Partien dünner macht als das umliegende Material und diesem durch die
Hitze eine leicht blaue Färbung verleiht. Überhaupt ist die im Zuge des Erhitzens aufkommende
Farbigkeit der Oberflächen ein wesentliches ästhetisches Moment, das dem monochromen
Erscheinungsbild eine Lebendigkeit gibt, die bei den Sedimenten durch den Wechsel konkaver und
konvexer Ausbuchtungen verstärkt wird. Dabei ist es für Hans Schüle von besonderem Reiz, immer
wieder zu testen, wie weit man bei der Bearbeitung des Materials gehen kann. Es ist ein Arbeiten mit
dem Material und gegen das Material.
Das gilt sowohl für die Serie der Foldings aus – einem Leporello gleich – sich entfaltenden, dünnen
Stahlbändern, die im Wechsel von Schräge und Gerade geknickt sind und scharfkantig in verschiedene
Richtungen weisen. Als auch für die aus Dreiecksformen gebauten Cluster und die aus 3 bis 6 m langen
Rundstahl-Stangen geschaffenen Raumzeichnungen, die den Ausstellungstitel Raum:formen nahelegen.
Stellvertretend sei auf ein Bodenarrangement aus zwei modularen Arbeiten im Seitenflügel des
Schlosses verwiesen. Während hier der konstruktive Charakter, also das Gebaute, dominiert, finden sich
bei Hans Schüle überwiegend weich fließende Formen, die sich in früheren Werkphasen zu bauchigen
Gefäßen entwickelten, in neuerer Zeit aber eher zu dynamisch verlaufenden Schlaufenobjekten, deren
Metallbänder sich in Loopings und steilen Kurven elegant präsentieren. Der Künstler biegt sie von Hand
und besprüht sie aus einer Richtung mit Farbe in Pink, Blau oder Grün, so dass die Form der Plastik die
Verteilung der Farben bestimmt. Die Metalliclacke können glänzend oder stumpf sein, in beiden Fällen
wirkt die Farbe als Blickfang und zieht die Aufmerksamkeit von einer ausschließlichen Konzentration
auf die Form ab.
Hans Schüle machte eine Ausbildung zum Grafiker, bevor er von 1991 bis 1997 in München Malerei
und Bildhauerei studierte. In seinen frühen Jahren entstanden auch Scherenschnitte und Collagen. Mit
seiner Transpheres-Serie wendet er sich wieder der Zweidimensionalität zu und knüpft in seiner Technik
an die Hinterglasmalerei an. Eine Acrylglasplatte wird dabei von der Rückseite schwarz eingefärbt, die
dünnen, dynamischen Linien ritzt Hans Schüle mit Hilfe von Schablonen in gleichem Abstand ein und
übersprüht sie mit Neonfarben in Blau, Rosa, Orange oder Weiß. Die Knotenpunkte, an denen sich die
Linien überschneiden, wirken wie Drehpunkte feiner Fäden. Der Lichteinfall verstärkt die Farbwirkung
der dünnen Linien und ihren Transparenzeffekt, so dass in Umkehr zu den plastischen Objekten nun
Raumformen in der Fläche erscheinen. Rhythmik und Formgebung dieser Arbeiten korrespondieren mit
den Gestaltungsprinzipien der Plastiken im Ausstellungsraum, die ebenso den weichen Schwung und
das harmonische In- und Nebeneinander vorführen.
Ich wünsche Ihnen einen interessanten Rundgang durch die Ausstellung.
Dr. Martina Wehlte