Kunstausflüge mit Sigird Balke | zur Ausstellung [ 03.03. – 16.06.2024 ]
Gewaltige Kraft – die explosive Malerei der Jungen Wilden | Werke der 80er-Jahre aus der Sammlung FER Collection | Museum Villa Rot (Burgrieden)
Bild oben: Foto: Sigrid Balke
„Die Punks der Palette“ – so die Resonanz der Presse auf die erste Ausstellung der Jungen Wilden in der Kölner Galerie Peter Maenz. Der Hunger nach Bildern, die Befreiung von Traditionen und Konventionen, der Antagonismus zu den klaren Strukturen und dem mathematischen Aufbau der Konzeptkunst – die sechs Künstler der Künstlergruppe Mühlheimer Freiheit 110 wollten einfach nur malen. Das Resultat dieses künstlerischen Aufbruchs in den 80er Jahren ist derzeit in der Villa Rot in Burgrieden-Rot zu sehen. Die überwiegend großformatigen, farbgewaltigen Bilder sind Leihgaben der Sammlung FER Collection des inzwischen verstorbenen Pharmaunternehmers Friedrich E. Rentschler.
Bild links: Walter Dahn: „Die Geburt der einarmigen Malerei“, 1985
© Foto: Oleg Kuchar; © Künstler, VG Bild-Kunst Bonn, 2024
Was die Künstler und ihre Bilder verbindet ist die rebellische Lust am Malen und an der Freiheit, sich nicht auf einen Stil festzulegen, das akademische, technisch professionelle zu vernachlässigen, Ideen spontan umzusetzen und auch mal auf Tischtüchern oder Wolldecken zu malen. Allenfalls könnte man die Künstler der Mühlheimer Freiheit 110 – Jiři Doukupil, Walter Dahn, Hans Peter Adamski, Peter Bömmels, Gerad Kever, und Gerhard Naschberger – als neoexpressiv bezeichnen. Ihre Werke waren durch ihre subkulturelle, freche Bildsprache am Puls der Zeit, ihr stilistischer Pluralismus und die Banalität der Motive trafen auf eine Gesellschaft in der es gärte. Die Wirtschaftswunderjahre waren endgültig vorbei, Antiatomkraftgegner machten mobil, Umweltschutz wurde nicht erst durch Tschernobyl ein Thema, die Grünen gründeten sich als Partei, AIDS veränderte den Umgang mit Sexualität und das Fernsehen war das Medium der Zeit. Die nur drei bis fünf Jahre dauernde Schaffensphase der Künstler, ihr künstlerischer Aufbruch war Ausdruck des gesellschaftspolitischen Klimas.
Die Bilder in diesen Kontext einzubinden war der Kuratorin der Ausstellung, Dr. Susanne Heilig, deshalb ausgesprochen wichtig. Porträts der Künstler aus jener Zeit, fotografiert von Benjamin Katz, ein Gruppenbild, eine gemeinsam produzierte Schallplatte und Film –und Tonaufnahmen, stimmen die Besucher auf eine Zeit ein, die vielen noch in Erinnerung ist. Friedrich E. Rentschler arbeitete als Sammler eng mit der Kölner Galerie Paul Maenz zusammen, weshalb Werke von Künstlern der Mühlheimer Freiheit die Ausstellung dominieren. Daneben fanden sich im Depot der Sammlung weitere, nie gezeigte Werke der Hamburger und der Berliner „Jungen Wilden“, von denen ebenfalls ausgewählte Arbeiten in der Villa Rot zu sehen sind. Darunter Bilder von Rainer Fetting, Albert Oehlen, Werner Büttner und Martin Disler.
Bild rechts: Rainer Fettig: „Indianer“, 1981
© Künstler, VG Bild-Kunst Bonn, 2024; © Foto: Oleg Kuchar
In der Kunsthalle der Villa Rot, die wegen ihrer großflächigen Wände schwer zu bespielen ist, kommen die großen Formate außergewöhnlich gut zur Geltung. Die meisten Bilder sind keine Wohnzimmerformate – ein Werk konnte selbst in der Kunsthalle nicht gehängt werden – aber die Künstlergruppe wollte nicht in Galerien gezeigt, sondern in der Gesellschaft gesehen werden. Sie nahmen die individuelle Freiheit für sich in Anspruch, lebten und malten gemeinsam in einer großzügigen Dachgeschosswohnung mit der Atelieradresse Mühlheimer Freiheit 110, hörten Punk und Neue Deutsche Welle und kultivierten das Triviale. Berühmt wurden sie dennoch, oder besser, gerade deshalb.
Ein Kunstausflug zu einer sehenswerten Ausstellung in einem Ambiente, das gerade jetzt im Frühsommer zu einer Fahrt durch die barocke, oberschwäbische Landschaft und zum Verweilen im Park der Villa Rot einlädt. www.villa-rot.de
Ausstellungsdauer bis 16.Juni