Buchtipps von Harald Schwiers
Dass Ernest Hemingway so etwas wie ein ausgefuchster Schluri gewesen sein muss, ist Allgemeingut. Dennoch hat er eine Reihe hervorragender literarischer Arbeiten und Stories hinterlassen, um die man als interessierter Leser kaum herumkommt. Und natürlich gehören auch die Geschichten Hemingways, die etwas mit Deutschland zu tun haben, dazu. Schließlich war der Gerne-Großkotz 1922 für drei Wochen in Baden, um Urlaub zu machen, zusammen mit zwei befreundeten Paaren aus seiner Pariser Umgebung, das damals den Lebensmittelpunkt des Schriftstellers bildete.
Hemingway war wohl tatsächlich urlaubsreif. Denn vor der Reise in den Schwarzwald war er tausende Kilometer durch Europa unterwegs, um für seine (diversen) Auftraggeber Geschichten zu sammeln und zu schreiben. Das waren primär journalistische Arbeiten, die vor allem in den Zeiten des Ersten Weltkriegs unter teils sehr harten Bedingungen zustande gekommen sind.
Am 3. August 1922 besteigt Hemingway also mit Partnerin in Paris frühmorgens ein Flugzeug (die waren damals noch offen) und flog zwei Stunden nach Straßburg; dann gings mit dem Zug weiter über Freiburg nach Triberg. Der Schwarzwald aber war für ihn offenbar eine absolute Enttäuschung, denn offenbar hat er viel „black“ erwartet, so etwas wie Schwarzafrika oder den outback und keine kulturell geprägte Gesellschaft und Landschaft.
Mit Hemingways Deutschkenntnissen war es nicht sehr weit her, wie ein Zitat bezeugt: „Ve wishen der fischenkarten“ (nicht die Speisekarte, sondern die Erlaubniskarte für Fischfang). Und der gemeine Schwarzwälder, ob Wirt, Bauer oder Rathausmitarbeiter aus dem Elztal war in Sachen Englisch wohl ebenso fit wie der Literat in Alemannisch.
Berühmt ist auch Hemingways Schilderung des „Rössles“ („Little Pony“) in Oberprechtal (das gibt es heute noch), in dem die Reisegesellschaft Forellen essen wollte. An Wirtspaar und Haus ließ Hemingway kein gutes Haar. Seine Schilderungen der Reise glänzen mit einem Haufen übler Klischees, die man wohl zum Teil darauf zurückführen kann, dass der selbsternannte Boxchampion gegen einen Schwarzwälder mit Mistgabel wohl keine Chance hat.
Ein köstliches Buch, brillant geschrieben, mit der notwendigen Distanz und Respektlosigkeit zu Hemingway, seinem Machotum und Flair geschrieben und dabei auch die Zeit mit inbegriffen. Weit mehr als eine Biographie. Großartig und mehr als lesenswert. Sehr schade, dass EH nur drei Wochen im Schwarzwald war…
Thomas Fuchs, Hemingway im Schwarzwald, 180 S, s/w-Fotos, ISBN: 978-3-910228-01-6, 8grad Verlag, 24 €.