ZKM Karlsruhe | 15.01.2023 – 12.02.2023 | LED Screen am ZKM Kubus, täglich von 06:20 bis 21 Uhr
Wie misst man die Zeit mit der digitalen Blumenuhr? Das seit 2021 fortlaufende Projekt »Circadian Bloom« ist der Ausgangspunkt einer Erkundungsreise rund um nicht-menschliche Formen der Zeiterfassung.
In der Präsentation am ZKM Kubus entsteht am Bildschirm eine Pflanze, die einem besonderen chronobiologischen Rhythmus folgt: Sie öffnet und schließt ihre Blüten zu bestimmten Tageszeiten – und funktioniert daher im Grunde genommen wie eine Uhr.
Die Arbeit ist so konzipiert, dass die Uhr ihren Lauf bei Tagesanbruch beginnt und bei Anbruch der Abenddämmerung beendet. Sie passt sich täglich der geografischen Länge und Breite an, auf die sie programmiert ist. Im Tagesverlauf entfalten sich die Bilder der Blumen in Echtzeit und im Gleichklang mit ihren natürlichen Gegenstücken; die Blüten öffnen und schließen sich jeweils zum richtigen Zeitpunkt. Da sich die Anzahl der Sonnenstunden im Laufe des Jahres verändert (beispielsweise ist es um 7 Uhr morgens im Winter dunkel, im Sommer jedoch hell), werden abhängig von der Jahreszeit zur selben Stunde unterschiedliche Blumen angezeigt. »Circadian Bloom« nimmt sich ein Beispiel an einer älteren, mittelalterlichen Form der Zeitmessung, bei der jeder Tag in 12 Sonnenstunden aufgeteilt wurde und die Dauer einer Stunde davon abhängig war, wann und wo man sich gerade befand.
Inspirationsquelle für das Projekt ist das von Carl von Linné entworfene Konzept der Blumenuhr, das der Naturforscher 1751 in seiner »Philosophia Botanica« beschrieb, nachdem er beobachtet hatte, dass bestimmte Blumen ihre Blüten zu festen Tageszeiten öffnen und schließen. Seither ist die Blumenuhr jedoch größtenteils genau das geblieben – ein Konzept. Durch den Einsatz digitaler Technologien ist es nun möglich, die Idee umzusetzen und ein Spannungsfeld zu eröffnen zwischen den hochpräzisen und akkuraten Zeitmessungsmethoden innerhalb von Computern und den unpraktischen, ungenauen Bildern, die daraus hervorgehen.
Technologie und Wissenschaft sind in hohem Maße auf eine standardisierte, exakte Zeiterfassung angewiesen. Sämtliche Computersysteme nutzen entweder eingebaute Quarzuhren oder sind mit einer Cäsium-Atomuhr synchronisiert, um die Zeit auf die Mikrosekunde genau zu bestimmen. Für die meisten Rechenvorgänge ist das eine zwingende Voraussetzung. Es scheint nahezu absurd, diese Akkuratheit visuell zu verschleiern, sodass die entstehende Uhr nur bei langer, mehrere Tage umfassender Beobachtung als solche erkannt werden kann. Erst dann wird klar, dass es sich nicht bloß um Bilder von Blumen handelt, sondern um etwas, das den Takt der natürlichen Landschaft wiedergibt.
Technische Unterstützung: Daniel Heiss, Marc Schütze
Ursprünglich in Auftrag gegeben von der University of Salford Art Collection, mit Unterstützung der Delfina Foundation