Das Zugehen auf den Menschen eindrucksvoll erzählt

Uli Rothfuss: Über Siegfried Grillmeyers wunderbares Erzählungsbuch „Lass uns zu den Menschen gehen“

Ich danke Siegfried Grillmeyer, Direktor der kat

Das Zugehen auf den Menschen eindrucksvoll erzählt

Über Siegfried Grillmeyers wunderbares Erzählungsbuch „Lass uns zu den Menschen gehen“

Ich danke Siegfried Grillmeyer, Direktor der katholischen Caritas Pirckheimer Akademie der Erzdiözese Bamberg und des Jesuitenordens in Nürnberg, zugleich dem begnadeten Erzähler, für dieses wundervolle Bändchen. Er erzählt über 24 Begegnungen mit Menschen in aller Welt. Und er zeigt auf, welch grandiose Erfahrung man machen kann, wenn man bereit ist, auf Menschen zuzugehen; nicht umsonst ist im Titel genannt: Lasst uns zu den Menschen gehen, nicht nur zu Menschen, wahl- und ziellos, sondern mit dem „den“ zeigt er schon da auf, dass ihm die oder der Einzelne wichtig ist; dass das Zugehen auf den Einzelnen das Wichtige ist, und nicht einfach das „zu-Menschen-gehen“, wie man es z.B. als Tourist macht. So führt er auch im Nachwort aus, wie unterschiedlich er sich als Reisenden in Abgrenzung zum Selfie-fertigenden Touristen sieht: der Reisende findet durch das Zugehen auf Menschen, und damit auf Kulturen, Ausprägungen des Zusammenlebens, durch das Aufnehmen des Lachens, der Umarmung, und das Erwidern, Geschichten – die ihn ab da durch das Leben begleiten, die sein eigenes Leben bereichern.

Jede und jeder hat Begegnungen, täglich, den Unterschied macht, so schreibt auch der Autor in seinem Nachwort, den prägenden Satz seines akademischen Lehrers, die Reflexion – das auf sich wirken lassen, das Bereichern in die eigene Erfahrung hinein, das künftige mit sich Tragen der Begegnungen geradezu als Schatz des Alltags, der diesen bereichert, in der Erinnerung lächeln, sich freuen lässt, und zwar unabhängig von Ort und Zeit.

Die 24 Begegnungen enthalten Geschichten, die sehr persönlich an die Erlebnisse des Autors angelehnt sind; nicht von ungefähr wählt er vierundzwanzig Begegnungen, Geschichten, aus, und lehnt sich dabei an die Adventszeit als Zeit der Erwartung, als Zeit (die sie sein soll!) des zur Ruhe Kommens, als Zeit des Nachdenkens über das eigene Leben (und wie dieses durch die Begegnung mit den Menschen im ablaufenden Jahr beeinflusst wurde, wie ihm vielleicht gar neue Richtung gegeben wurde, und sei es in Haltung und Einstellung, gar nicht unbedingt in den Aspekten der Lebensführung). Man könnte das Buch als Adventskalender lesen, jeden Tag eine Geschichte; da braucht es allerdings ein gerüttelt Maß an Selbstbeherrschung: wirklich nach einer Geschichte der Begegnung zu stoppen, diese auf sich wirken zu lassen, sie einzubauen in den eigenen Geschichtenschatz (die Lese- und Erzählforschung hat längst nachgewiesen, dass Geschichten nicht zwingend selbst erlebt werden müssen; dass das Erleben von Geschichten durch Lesen, oder durch vorgelesen Bekommen, auch internalisiert werden kann, auch als durchaus Eigenes). Die Unterbrechung, das sich Zeit Nehmen für die Reflexion der gelesenen, kurzen, immer nur zweiseitigen Geschichten, angereichert mit einem zum Thema passenden Bild des Autors, überhaupt ist das Bändchen herausragend gestaltet in Typografie, Layout und Buchhandwerk, gibt nicht nur intellektuellen Gewinn, zumal der Autor wirklich herausragend, pointiert und kenntnisreich erzählt, sondern auch rein ästhetische Freude, wenn man das Buch in die Hand nimmt, blättert, vor, zurück, sich an früher Gelesenes erinnert, lächelt, ja, dieses Buch hat das Zeug, zu einem Schatz in der eigenen Bibliothek zu werden (und zum immer wieder Geschenk an liebe Menschen, denen man etwas Besonderes zukommen lassen möchte).

Wenn der Autor so von Begegnungen und deren Erkenntnissen mit Jeff in Lusaka, mit Schwester Mary in Assam, dem Oberhaupt der Jesuiten in Rom, oder mit dem einfachen Bäcker in der Backstube in Isatanbul erzählt, so eint diese Geschichten eines: er geht offen auf die Menschen zu und erhält Nähe, das intime Kennenlernen der oft anderen Kultur, natürlich auch Einblicke in die Lebensweise und den Genuss kulinarischer Besonderheiten in der ganzen Welt und ihrer Ausprägungen zurück. Das bereichert, das gibt Lebensfreude, das wirkt in die eigene Zukunft hinein. Das dient mir, ganz persönlich, als Modell und Vorbild, nachzueifern, so zu handeln, um auch so erleben zu können.

Ich freue mich an diesem Buch, und ich habe mir vorgenommen, noch mehr auf den Mensch zuzugehen, den einzelnen, was zurückkommt, ist Bereicherung, sind wundervolle Geschichten, sind Welten der Nähe, die mir Gegenwart in die Zukunft geben. Insofern ist dies ein Buch für’s Leben.

Siegfried Grillmeyer: Lass uns zu den Menschen gehen. 24 Begegnungen in aller Welt. Geb., 104 S., echter Verlag, Würzburg 2022, 14,90 €.