Kunsthalle Tübingen | 19.11.2022 bis 16.April 2023
Sisters & Brothers – Geschwisterbeziehungen in 500 Jahren Kunstgeschichte
Mit einem ungewöhnlichen, und in der Kunstpräsentation bislang wenig beachteten Thema, lädt die Kunsthalle Tübingen zu einem Streifzug durch 500 Jahre Kunstgeschichte ein. Chronologisch aufgebaut beginnt der Ausstellungsrundgang bei Kain und Abel, als Synonym für brüderliche Rivalität um Anerkennung. Die großformatige Darstellung des Brudermordes von Jan Harmensz Müller nach Cornelius van Haarlem hat ihren Platz neben weiteren Geschwisterpaaren der biblischen Geschichte und der antiken Mythologie im kleinen Kabinett. Dann der Sprung in das 17. Und 18.Jahrhundert. Darstellungen im höfischen Kontext, Themen wie Freundschaft und Seelenverwandtschaft in der Romantik und das idealisierende Familienbild des Biedermeier, in denen sich die Wertevorstellungen der Kleinfamilie und des Bürgertums in den Bildern widerspiegeln.
Mit dem Übergang zum 19.Jahrhundert ändert sich die Darstellungsweise vor allem in den Kinderporträts. Es sind nicht länger kleine Erwachsene, die repräsentativ porträtiert werden, vielmehr entdecken Künstler wie Leopold Kuppelwieser oder Karl Böheim die Kindheit in alltäglichen Situationen und idealisieren sie als Lebensphase, mit einer bislang unbekannten Wertschätzung.
Die Ausstellungsbesucher erleben die Brüche in der (Kunst-)Geschichte, den jeweils bestimmenden Zeitgeist, den die Künstler in ihren Arbeiten zum Ausdruck bringen.
Anfang des 20.Jahrhunderts hat die Malerei durch die Entwicklung der Fotografie nicht länger die Aufgabe originalgetreuer Abbildung und Otto Dix und August Macke stellen das Wesen und die seelischen Befindlichkeiten der Porträtierten in den Fokus ihrer Darstellungen.
Die Gegenwartskunst nimmt in der Ausstellung in jeder Hinsicht einen großen Raum ein. Die Plastiken der japanischen Gegenwartskünstlerin Asana Fujikawa teilen sich den großzügigen unteren Bereich mit Werken im Übergang vom 19. in das 20.Jahrhundert. Es ist die Zeit der der Brüder Grimm und Hans Christian Andersens und ihren Märchen. Fujikawas Werke thematisieren Szenen aus den Märchen, adaptieren die Figuren als Geschwister, die sie selbst nie hatte und überhöhen diese fiktive Beziehung durch eine Darstellungweise die an Nippesfiguren erinnert. Andere zeitgenössische Künstler wie Cindy Shermann, Thomas Schütte, Miriam Cahn und weitere fügen der geschwisterlichen Verbundenheit eine gesellschaftliche, politische und psychologische Ebene und andere künstlerische Ausdrucksmittel hinzu. Die überwiegend konzeptionellen Arbeiten thematisieren Geschwisterbeziehungen im Kontext des Feminismus, in therapeutischer Herangehensweise, in der Ambivalenz geschwisterlicher Spannungen und zunehmend in einer Geschwisterutopie als Reaktion auf die Vereinzelung des Menschen in der Gesellschaft.
Die Ausstellung in der Kunsthalle Tübingen entstand in Zusammenarbeit mit dem Lentos Kunstmuseum Linz.
Ausstellungsdauer bis 16.April 2023
Ausstellungsdauer bis 16.April 2023