Die Erkenntnis der Dinge über das Sehen – über die Malerin AMEI

Internet: www.amei-malerei.de
E-Mail: amei@amei-malerei

„Ein Künstler sollte nicht versuchen, klüger zu sein, als sein Material.“
Ich weiß nicht mehr die Quelle des Zitats, doch seit ich es kenne, erscheint es mir wahr und wichtig.

Wenn ich nun über die in Karlsruhe und Ettlingen lebende Künstlerin AMEI schreibe, so nicht nur, weil sie diese Wahrheit offenbar beherzigt, sondern auch, weil sie mit ihrer Kunst einen besonderen und ganz eigenen Beitrag leistet zu einem zweiten Thema, das uns in dieser Porträtserie schon lange beschäftigt: die Frage nach Grenze und Übergang zwischen gegenständlicher und nichtgegenständlicher Malerei.

Amei malt meist Gegenstände, die jedoch dann hinterlegt sind mit anderen Strukturen, seien es geometrisch interessant arrangierte Flächen oder kleinen Strukturen etwa auf Stoffen, die anstelle einer Leinwand den Bildgrund bilden: der Gegenstand selbst tritt dadurch oft fast schwebend hervor und gewinnt eine frappierende Räumlichkeit, was noch unterstützt wird durch die unglaublich differenzierte Oberflächenstruktur: eine Silberkanne etwa wirkt so echt, dass wir sie berühren und die haptische Qualität prüfen möchten.

Ameis Kunst bedarf keiner konzeptuellen oder sonstwie theoretischen Einstimmung und Vorbereitung , sondern ist unmittelbar sinnlich ansprechend, will gesehen werden, will den Betrachter und die Welt bereichern:

“Schöne Sachen“ betitelt sie ihre diesjährige Adventsausstellung, die am Sa/So, 03. und 04 Dezember, jeweils von 11-18 Uhr in ihrem Atelier (Lauergasse 6 Ettlingen) besucht werden darf, mit Verlaub: besucht werden sollte!

AMEI: „Dejeuner sur l’herbe“ | © AMEI, VG Bildkunst Bonn 2022

Wer hier eintritt, entdeckt links das Bild einer Schale mit Zuckerwürfeln, die fast in den Raum hinein zu explodieren drohen. Würfel, schon früher Gegenstand einer größeren Bilderserie der Künstlerin, erscheinen hier in einer ihrer (nicht geometrisch-abstrakten, sondern) ganz realen Existenzformen.

Weiter gehend in den Hauptraum des Ateliers sehen wir einen abgeschnittenen Brotlaib auf einem Holztablett vor einem in Blautönen gehaltenen Hintergrund.



AMEI: Schöpfung mit blauer Murmel, 2005; © AMEI, VG Bildkunst Bonn 2022

Indem die Künstlerin ganz profane, alltägliche Gegenstände als Thema wählt, wird das Besondere ihrer Arbeitsweise umso deutlicher: Mit kleinsten Details und feinsten Oberflächenstrukturen zeigen die Gegenstände, daß sie ein Geheimnis haben, das entdeckt werden will – es ist Ameis Malerei, die uns diese Wirklichkeit vermittelt, es ist ihre Kunst, die sichtbar macht.

Daneben: das „Dejeuner sur l’herbe“ greift erneut das schöne Thema „Essen und Trinken“ auf.

AMEI im Künstlerinnenporträt im Kunstportal Baden-Württemberg

Ich möchte, wenn auch vielleicht aufgrund eigener Vorurteile, die Präsenz dieses Thema auch darauf zurückführen, daß eben Sinnlichkeit der entscheidende Zugang ist zur Kunst, so wie, jedenfalls nach meinem Empfinden, Kunst der – einzige – Zugang ist zur Wirklichkeit

Beim Verlassen der Ausstellung entdecken wir nochmal im Vorraum die ganz oben erwähnte Silberkanne. Hier wird sehr gut sichtbar, wie intensiv sich die Malerin in ihre Gegenstände einarbeitet und dabei eine Individualität sichtbar macht, die wir zu sehen fast schon verlernt haben und bestenfalls einem lebendigen Wesen zuzuerkennen gewohnt sind.

AMEI im Künstlerinnenporträt im Kunstportal Baden-Württemberg

Silberkanne

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Es handelt sich jedoch nicht um eine Individualität, die in den Gegenstand hineinprojiziert wird, sondern es ist die Individualität , die dem Gegenstand innewohnt, und die von der Künstlerin herausgearbeitet wird, damit wir sie sehen können.

In einer schönen dialektischen Formulierung spricht Amei von der “ Erkenntnis der Dinge über das Malen“.

AMEI im Künstlerinnenporträt im Kunstportal Baden-Württemberg

Schöpfung mit blauer Murmel, 2005

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Kant wußte sehr genau von dieser Dialektik, als er die Frage stellte, ob wir denn wissen können, daß die Dinge (das berühmte “Ding an sich“) ohne unser Sehen überhaupt existierten.

Ameis Malerei, die implizit all diese Fragen thematisiert, schafft für uns, als BetrachterInnen, die Möglichkeit zu einer
„Erkenntnis der Dinge über das Sehen“.

Jürgen Linde, im November 2005