Harald Schwiers im kunstportal-bw
über Brigitte Glaser, Kaiserstuhl
Das gesamte Oberrheingebiet, der Graben zwischen Basel im Süden und Karlsruhe im Norden (und ein wenig weiter gen Norden) ist ein sehr fruchtbarer Landstrich. In jeder Hinsicht. Der Oberrheingraben mit seinen vulkanischen Einsprengseln ist die wärmste Region Deutschlands, hier wächst alles, gelegentlich rumpelt es: Erdbeben sind keine Seltenheit; es rumpelte auch in anderer Hinsicht. In zwei Weltkriegen (den Krieg 1870/71 nicht gerechnet) wurden nicht nur Gräben aufgerissen, der Boden mit Granaten durchpflügt und mit Blut gedüngt. Die Reste der Kriege sind in Beton, Eisenarmierungen und Geschosshülsen noch heute zu besichtigen. Der Rhein als Ernährer der Menschen entlang seiner Ufer musste viel schlucken. Sehr viel.
Die Gräben, die von den Machthabern zwischen und selbst in den Familien rechts und links des Rheins gerissen wurden, die wurden nicht in Beton gegossen. Aber in Worte. Sie bewahren die Vergangenheit oft besser, als Sand, Zement, Kiesel und Stahl.
Hier setzt Brigitte Glaser in ihrem neuesten Roman „Kaiserstuhl“ an; und ohne ein wenig Krimi geht es bei ihr nicht. Sie beschreibt eine – eigentlich gewöhnliche – Liebesgeschichte zwischen einer Freiburgerin (ä Bobbele) und einem Elsasser (de Schwob däd Elsässer schreiben) vor der Folie des 2. Weltkrieges bis hin zum deutsch-französischen Freundschaftsvertrag 1963. Es geht auch um Postengeschacher in Brüssel und um die üblichen Seilschaften, die auch nach der sogenannten Entnazifizierung der Großkopfeten in Zeiten des Wiederaufbaus und Wirtschaftswunders auch unter Adenauer bestens funktionierten. Wie überall.
Brigitte Glaser bewegt sich damit in bester schriftstellerischer Tradition von Schickele, Flake, Arp, Weckmann oder Graff (und vielen anderen), die die große Literatur der Region geprägt haben. Der linksrheinische Volksmund würde das alles unter „De Hans im Schnoogeloch“ subsummieren. Nur: Die Toten gab es auf beiden Seiten. Leider hat man rechtsrheinisch keinen Volkston dazu und man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hierzulande – trotz Fessenheim und Wyhl – nicht wirklich viel dazugelernt wurde. Der Schriftsteller und Kabarettist André Weckmann hat das auf den Punkt gebracht: „Was seid ihr nun“, hat der Schwob (das ist der Deutsche schlechthin) gefragt, „Franzosen oder Elsässer?“ „Elsasser“, hat der Elsasser gesagt. „Also seid ihr keine Franzosen,“ hat der Schwob gesagt und ist zur Türe hinausgeflogen.
Brigitte Glaser hat eine gute Geschichte, kann schreiben, aber das Lektorat funktioniert – mal wieder – bei ihr überhaupt nicht. Beispiel: Ein „faucon“ bleibt primär ein Falke und kein Habicht. Es gibt Seiten, da verteilt Frau Glaser die Ausrufezeichen mit dem Salzstreuer inflationär über den Text und es werden auch mal Erinnerungen und Krümel mit einer Handbewegung weggewischt.
Mich ärgern vor allem unnötige und anmaßend wirkende unterschiedliche Schreibweisen von Straßburg/Strasbourg und Schreibweisen wie „Gugelhoupf“, wenn es einfach um einen guten Gugelhupf geht. Das ist einfach völlig unnötig.
Brigitte Glaser, Kaiserstuhl, 459 S, ISBN: 978-3-471-36011-8, List, 23 €.