100 Prozent im Seelenfrieden
Harald Schwiers im kunstportal-bw | über Harald Hurst, D’accord mit de Welt
Ein neues Buch des Ettlinger, einstigen Karlsruher und Weingartener Autors Harald Hurst ist immer ein Ereignis. Für alle, die damit zu tun haben:
Den Autor selbst, den Verlag, den Buchhandel und natürlich auch für die Leser und Fans. Denn Hurst, der sich – auch coronabedingt – in den vergangenen Jahren auf den Bühnen der Region mit seinen Lesungen eher rar gemacht hat (wir alle werden ja nicht jünger), hat immer etwas zu vermitteln, zu erzählen. Hurst liest weniger, er erzählt an solchen Abenden. Das macht sich auch besser, wenn man dazu ein Gläschen Roten genießt. Zu erzählen, das hat Hurst auch nach vielen Jahre noch viel. Sehr viel.
Denn eine seiner herausragenden Eigenschaften hat er über all die Jahre seiner künstlerischen Arbeit nicht verloren, im Gegenteil: Seine Gabe der Beobachtung. Da war er schon immer ein Zeitgenosse mit mehr als sehr wachem und scharfem Blick. Das besonders Schöne und Hurst-Typische dabei ist, dass bei aller hellwacher Aufmerksamkeit Hurst Augen immer verschmitzt blitzen; er ist und bleibt halt ein Gnitzer.
Das ist natürlich Teil seines ganz persönlichen Witzes, seines Humors, hinter dem er auch Kritik verstecken kann, aber eben so verstecken, dass jeder sie verstehen (und vielleicht akzeptieren?) kann.
Und das findet sich auch reichlich in „D’accord mit de Welt“. Harald Hurst zeigt sich einverstanden mit dem, wie die Welt so ist, wie die Menschen so sind, denn ändern kann man die Zeitgenossen sowieso nicht, geschweige denn die Umstände. Das ist keine Resignation, kein Eingeständnis einer Niederlage, kein Defätismus. Nur die Erkenntnis, dass man die Menschen nicht ändern wird können. Und er hat ja auch recht: Jeder muss/sollte mit sich und der Welt ins Reine kommen, den Seelenfrieden finden, will er sich einigermaßen zurechtfinden und leben.
Und daraus erklärt sich auch, dass sich die Themen in Hursts Büchern, in seinen Geschichten, Erzählungen und Gedichten, praktisch nicht ändern. Warum auch? Die Menschen ändern sich ja auch nicht, auch nicht ihre Befindlichkeiten, ihre Verletzlichkeiten, ihr Bedürfnis nach Glück und Liebe.
Dennoch gelingt es Hurst immer wieder, den Grundthemen neue Aspekte abzugewinnen oder Situationen umzudrehen. „Leergut“ ist so eine ganz klassische kurze Hurst-Geschichte, in der zwei Unbekannte sich regelmäßig samstags zufällig treffen. Am Altglascontainer, als „etwas Gemeinsames im Lebensrhythmus“. Und in „Publikumsverhör“ greift Hurst eine uralte Idee von Peter Handke auf, der vor 55 Jahren sein Stück „Publikumsbeschimpfung“ schrieb. Nur: Harald Hurst beschimpft seine Zuhörer natürlich nicht, er durchschaut sie und nimmt sie auf den Arm. Und dennoch wird in jeder Zeile dabei deutlich, dass er die Menschen, die vor ihm sitzen, mag. Denn schließlich braucht jeder jeden. Und deshalb muss man einfach „dosiert ehrlich sei!“
Harald Hurst, D’accord mit de Welt, 142 S, ISBN: 978-3-95505-307-9, verlag regionalkultur, 17,90 €.