Harald Schwiers im kunstportal-bw
Karlsruhe die Kulissenstadt
Der Karlsruher weiß, in der Fächerstadt wird häufiger gedreht, als man es dann später in der Flimmerkiste sehen kann. Bekannt ist auch, dass etwa der Rheinhafen mit seiner markanten Industriearchitektur oder die Hirschbrücke gerne mal in den Tatorten des SWR aus Ludwigshafen mit Frau Folkerts als Lena Odenthal (nebst dem unvergesslichen Andreas Hoppe) zu sehen sind. Ob Pfalz oder Badens einstige Residenz – dem SWR ist es ebenso wurscht wie dem deutschen TV-Volk. Aber Karlsruhe und Filme? Ja, da war doch noch die Bambi-Veranstaltung des Hauses Burda in den 50ern…Schön muss es gewesen sein, als die Großen der Szene vom Rathausbalkon in die jubelnde Menge winkten.
Aber Karlsruhe hat als Drehort sehr viel zu bieten. Doch kaum jemand weiß es. Oliver Langewitz, filmverrückter Soziologe, Initiator des Filmboards und des Festivals Independent Days und seine Frau Nadine Knobloch, erfolgreiche Schauspielerin, Regisseurin und Drehbuchautorin, sie beide wissen viel mehr zum Thema. Wie man jetzt genussvoll lesen kann.
Sie beginnen um 1960, was in manchen Fällen Schwierigkeiten bereitete, Drehorte eindeutig zu erkennen. Beide Autoren wurden deutlich später geboren und die Stadt hat sich in ihrem Bild ganz wesentlich verändert. Etwa bei der SWF-Produktion „Meine Frau für eine Stunde“ mit Ellen Schwiers, bei dem das Helmholtz-Gymnasium zum Landgericht wurde. Der Gegenschuss heute zeigt vornehmlich Betonklötze, damals jedoch den Stadtwerke-Bauhof, von dem nur noch das Kesselhaus (als Theaterhaus) steht.
Abgesehen von den Bambi-Verleihungen gab es auch reichlich sonstige Prominenz in der Stadt: 1968 dreht Marianne Faithfull, eine Gespielin von Mick Jagger, in Karlsruhe „Nackt unter Leder“ und fuhr im passenden Outfit auf einem Motorrad durch die Kaiserstraße und über Markt- und Festplatz.
Zahlreiche Filme werden von dem Autorenduo ausführlich beschrieben und mit Stills bebildert, darunter manche, die man schon lange vergessen hat und andere, die den Cineasten noch gut im Gedächtnis geblieben sind, wie „Kaspar Hauser“ oder „Die Nacht der Nächte – School’s out“ weil sie inhaltlich oder ästhetisch Alleinstellungsmerkmale besitzen oder die Menschen der Region betrafen wie „Big Manni“, in dem ein Schwabe einen Badener spielte, was sprachlich ein Desaster war. Den Karlsruher/Ludwigshafener „Tatort“-Folgen widmen sich die beiden ausführlich in Wort und Bild.
Angereichert wird das Karlsruhe-Film-Kompendium durch Gespräche und Interviews mit vielen Filmschaffenden diverser Genres, wie Volker Schlöndorff, Gerd Netzer, Stunt-Koordinator Marko König oder der Filmarchitektin Silke Buhr. So werden nicht nur die Drehorte beleuchtet, sondern gleichzeitig wird auf amüsante Art viel Hintergründiges zum Thema Film anschaulich vermittelt.
Den Namen einer Karlsruher „Filmschaffenden“ sucht man aber im Stichwortverzeichnis vergeblich: Margarethe Reinhardt. Immerhin hat die Besitzerin der Hawaii-Bar, des Pa-Pa (Passage-Palast) und eines Heckflossen-Cadillacs (natürlich ein Cabrio) mit Filmchen aus der Szene der „Schwabenliesel“, dem Karlsruher Puff, versucht Glück und Geld zu machen. Mehr schlecht, als recht und ziemlich erfolglos.
Oliver Langewitz und Nadine Knobloch, Karlsruhe als Filmkulisse, 272 S. Großformat, über 200 Abbildungen, J.S. Klotz Verlagshaus, ISBN: 978-3- 948968-70-0, 29,80 €.