Harald Schwiers im kunstportal-bw
Streifzüge mit Elsa & Johanna
The Plural Life of Identity | Städtische Galerie Karlsruhe
Der ersten Einzelausstellung der Arbeiten der beiden französischen Fotografinnen/Künstlerinnen in Deutschland kommt eine besondere Bedeutung zu. Sie ist die erste, für die die neue Leiterin der Städtischen Galerie, Stefanie Patruno, als Kuratorin zeichnet. Insoweit könnte diese Präsentation zahlreicher Arbeiten der beiden Französinnen aus rund acht Jahren künstlerischer Zusammenarbeit eine gewisse Orientierung der künftigen Ausstellungstätigkeit der Städtischen Galerie in Richtung Werkstatt-Charakter vorgeben.
Fotografie war in der Städtischen Galerie immer vertreten, meist irgendwie und nicht als Sammlungsschwerpunkt, auch wenn es eine Reihe markanter Arbeiten zu sehen gab (und natürlich auch in der Sammlung Garnatz vertreten sind).
Das Medium Fotografie hat sich in rund 100 Jahren grundlegend gewandelt, einerseits schon allein aufgrund der technischen Voraussetzungen, u.a. der Bildbearbeitung oder der Farbgebung, auch weg von Kodak; zum zweiten formal-ästhetisch (trotz allem Retro-Gedöns!) und drittens mental: heute hat fast jeder ein mobiles Telefon in Reichweite, mit dem sich einigermaßen befriedigende Bilder schießen lassen. Das prägt Macher wie Betrachter gleichermaßen, wenn auch unterschiedlich.
Aber immerhin Foto ist Foto, aber wo sich bei Landshoff der Zugang leicht erschließt, benötigt man bei den beiden Französinnen einen Zugang. Man muss sich informieren, lesen, ansonsten bleibt der Ansatz der Arbeiten verschlossen wie eine Zentralblende.
Mit „The Plural Life of Identity“ schließt sich teilweise ein kleiner Kreis zu den Arbeiten des Fotografen Hermann Landshoff in der Galerie (noch bis 30. Januar). Denn Landshoff, der als Modefotograf für berühmte Magazine sein Renommee erarbeitete, findet in den sorgsamen Inszenierungen der Modelinie von Elsa & Johanna eine gewisse Entsprechung. Aber eben nur gewiss: Denn die Gewänder der beiden Französinnen existieren nicht wirklich als Mode, sind „nur“ gut gemachte Inszenierung.
Elsa & Johanna lassen sich inspirieren von Situationen, von Stimmungen, von Menschen und deren anscheinender Gefühlslage, von äußeren Einflüssen in Kombination mit eigenen Erlebnissen und Situationen. Sie spielen Momente und zahllose Rollen nach, inszenieren die nachempfundenen Lagen mit Requisiten und fotografieren sich. Mit Hilfe eines großen Kostümfundus und vieler Perücken gelingt es erst einmal, den Betrachter zu verwirren, der nicht auf den ersten Blick erkennt, dass die abgebildeten Personen die beiden Künstlerinnen selbst sind. Die alltäglichen Situationen der umfangreichen Fotoreihe „A Couple of Them“ (im Erdgeschoss) sind ästhetisch nicht wirklich überzeugend, also keine Fotokunst im klassischen Sinne, nehmen aber deutlich den Selfie-Hype in manchen „sozialen Medien“ aufs Korn.
Der Weg in das 2. Obergeschoss der Städtischen Galerie, in dem die Ausstellung fortgesetzt wird, lohnt sich. Anstelle Badischer Kunst findet sich nicht nur der Zyklus mit Modefotografien sondern auch ihr knapp 45minütes Video „Tres Estrellas“, natürlich wieder mit Elsa & Johanna, hier in Doppelrollen. Wirklich schön, wenn auch gedanklich nicht wirklich neu, sind ihre auf dem knappen Raum des Umlaufes eingerichteten Lounges, direkt an Edward Hopper erinnernd, vielleicht gar aufgreifend, in denen man es sich gemütlich machen und in Büchern schmökern kann, die hier durchaus tiefgründigen Sinn machen.
Bis 13. März 2022, Städtische Galerie Karlsruhe, Lorenzstraße 27, Öffnungszeiten: Mittwoch bis Freitag 10 bis 18 Uhr, Samstag und Sonntag 11 bis 18 Uhr. Aktuelle Corona-Regelungen beachten.