Acht Fragen an Andreas Lau

Interview der Galerie Supper (im Jahr 2022) mit Andreas Lau, († 2024) der gerade (in 2022) mit der Galerie Supper in Baden-Baden eine virtuelle Ausstellung realisiert hat:

Andreas Lau, © Foto: Mike Meyer, VG Bildkunst Bonn 2021

1. Welche Frage bewegt Sie als Künstler gegenwärtig im Besonderen?
Eine „einzelne“ Frage, die mich gerade bewegt, gibt es momentan eigentlich gar nicht. Dies ist in diesen undurchsichtigen und äußerst bewegten Zeiten unmöglich. Die Welt steht Kopf. Kein Mensch weiß, wie es weitergeht. Es gibt unendlich viele Fragen. Und nicht nur die Welt ist an der Pandemie Corona erkrankt, sondern ich persönlich leide auch seit 3 Jahren unter einer schweren Diagnose mit halbseitiger Körperlähmung, die mich in meiner künstlerischen Arbeit sehr einschränkt.
Dadurch hat sich für mich alles radikal verändert. Meine Malerei. Meine Denk- und Herangehensweise. Aber nicht mein Wille und meine Ideen. Ich beginne an einem neuen Punkt und suche nach völlig neuen Mitteln, um meine „Kunst und Inhalte“ darzustellen. Diese Frage beschäftigt mich zur Zeit natürlich besonders. Ich suche nach neuen Wegen. Es ist gar nicht anders möglich. Zwei Meter große Eitemperaformate gehen technisch und formal nicht mehr. Also versuche ich, kleine DinA4-Papierarbeiten zu „bewältigen“ und in den „Griff“ zu bekommen. Mit überraschendem Erfolg. Es entstehen Serien von Halbakten und Porträts in verschiedenen Techniken. Neu für mich und extrem vielseitig und spannend. Ein Neubeginn einer alten Geschichte. Einlassen und Loslassen. Immer wieder. Jedes einzelne kleine Porträt. Jeder einzelne kleine Akt. Keine Wiederholungen. Schöpfungen. Aus dem Nichts. Ohne Inhalt. Ohne Leere. Randvoll. Mit mir. Jeder kleine Kopf. Immer anders. Immer von Selbst. Von-Selbst-Porträt. Das ist zur Zeit mein einziges Ziel. Findungen. Fundstücke. Funde. Grabungen im Inneren.

Andreas Lau: Zitterparty, 2020; 30 x 21 cm; Mixed media on paper
© Andreas Lau, VG Bildkunst Bonn 2021

2. Mein Leben ohne Kunst wäre…
Mein Leben ohne Kunst wäre ganz klar „zwecklos“. Diesen wunderbaren Begriff hat bereits Friedrich Schiller benutzt um einen bestimmten Zustand zu beschreiben. Kunst ist eine zweckfreie Beschäftigung, die nur unserer persönlichen Erbauung und keinem festen Ziel dient. Es gibt keine tiefere Erkenntnis. Ich spüre auch keine tiefere philosophische Bedeutung oder einen wissenschaftlichen Drang. Aber auf irgendeine Art füllt sie mich aus, hält mich zusammen. Ich suche etwas Unbeschriebenes. Etwas nicht Dagewesenes. Eine Antwort auf eine nicht gestellte Frage. Eine Art Wissenschaft ohne Auftrag. Forschung ohne Gebiet. Alles ohne Nichts. Alles? Nichts? Für mich eindeutig „Alles“.

3. Welche künstlerische Arbeit hat Sie nachhaltg beeindruckt?
Es gibt natürlich viele Bilder, die mich nachhaltig beeindruckt haben . Aber exemplarisch möchte ich eine Bildserie nennen, die alles einschliesst, mich zutiefst berührt hat und keine Fragen offen lässt. Man muss als Betrachter nur noch hinsehen. Mit wachen, offenen Augen. Es handelt sich dabei um eine kleine Bildreihe von „Vincent Van Gogh“: die Blütenbilder. Tausend mal kopiert, geklaut etc. Eigentlich nur noch schwer zu ertragen. Aber genau deshalb. Ich habe drei dieser Bilder im METropolitan Museum NewYork in einer Reihung gesehen. Und es hat mich aus den Schuhen gehauen. Auf ihnen zu sehen ist meist ein farblich wunderbar gestalteter blauer Himmel und ein größerer Ast mit Mandel- oder Birnenblüten, der sich quer durch das Gemälde rankt. Einfach. Simpel. Unkompliziert. Absolute Reduktion. Abstraktion. Absolute Malerei Mehr nicht. Rein. Alles gesagt. Ein Bild braucht keine Worte. Es erklärt sich selbst. Ohne Worte. Dafür ist es Bild. Mehr geht nicht.

4. Mit welchem Künstler/Schriftsteller/Musiker würden Sie gerne zu Abend essen?

Der Vorhang II, 2019; 70 x 50 cm; Mixed media on paper
© Andreas Lau, VG Bildkunst Bonn 2021

Macht höchstens Appetit auf mehr… Man bekommt nie genug…Und damit wären wir bei der Frage des „Essen Gehens“. Van Gogh wäre da ganz oben auf meiner Liste. Es fragt sich nur Wohin? Feinschmecker oder Bauernstube? Einfache Bilder- Einfache Küche. Nahe an der Wirklichkeit. Nichts Abgehobenes. Einfach und unkompliziert. Schmeckt ehrlich. Ohne süßen, klebrigen Nachtisch. Ohne SchnickSchnack. Einfache Küche- TopErgebnis! Das bedeutet in der Konsequenz: ehrliche Gespräche über ein ehrliches Thema. Und damit verbunden: ehrliche Antworten ! Was will ich mehr! Abgesehen davon gibt es aber auch noch andere Künstler mit denen sich so ein Abend sicher lohnen würde. Beispielsweise einer meiner großen „Malerhelden“ Philip Guston! Ein großer amerikanischer radikaler Maler ! Er hat mich durch sein Können, seinen Willen und seine Position zutiefst beeindruckt. Ein Brecher mit allen Regeln der Kunst ! Vom großen abstrakten Expressionisten zum völlig eigenen Bildvokabular. Unbeschreiblich. Einmalig. Radikal. Kompromisslos. Ein einsamer Weg. Eine Wirtschaft am Wegesrand. Ein Motel? Eine radikale Ansicht , über die man diskutieren könnte. Bei einer Flasche Wein und gutem einfachen Essen. Obwohl das letztendlich alles unwichtig ist . Hauptsache man hat sich was zu sagen. Satt wird man sowieso nie. Und Durst hat man immer. Lockert die Zunge. Mit Martin Kippenberger wäre das auch gut gegangen, ein Künstler, dem ich mich ebenfalls nahe fühle. Durchzechte Nächte. Radikal und humorvoll. Nicht zu fassen. Open House . Paris Bar. Berlin. Immer Nachschlag. Doppelte Portion. Unwichtig, ob es einem wirklich gefällt. Der Teller ist randvoll. Das muss man erstmal verdauen. Das dauert. Also Schnaps hinterher. Oder wie ich es in dem Kunstbuch „Andreas Lau Malerei (Schicht/Sicht)“ Modo-Verlag Freiburg 2019 beschreibe: „Verdauern!“

5. In meinem Atelier…
 In meinem Atelier ist es in letzter Zeit ziemlich ruhig. Der kalte Winter ist gerade vorbei und es könnte losgehen, aber es gibt, wie beschrieben , eine Menge Hindernisse. Es ist für mich einfacher zu Hause am Tisch zu arbeiten und nur bestimmte Arbeiten im Atelier auszuführen. Für kleine Papierarbeiten reicht ein Zeichentisch, Tuschen, Aquarellfarben, Stifte, Acryl… Mischtechnik, wie man so schön sagt…und schon ist das Experimentierfeld, das Forschungslabor geöffnet. Reagenz. Zusammenschütten. Dreimal umrühren. Mixed Media on paper. Fertig. Klingt gut. Macht Freude.

Zwei Frauen, 2017; 200 x 150 cm, egg tempera on nessel
© Andreas Lau, VG Bildkunst Bonn 2021

6. Meine Werke in drei Worten zusammengefasst:
Wahrnehmung, Auflösung, Abstraktion.
Und ich erforsche weiterhin mein Thema ohne Auftrag. Es geht um das Phänomen der „Wahrnehmung“! Die Hinterfragung des Sichtbaren. Was sehe ich wirklich? Und was verbirgt sich „hinter“ dem Abgebildeten. Hinter den Störungen, den Zerlegungen, den Pixeln? Mit diesen technischen Mitteln wecke ich die Aufmerksamkeit des Betrachters, ziehe ihn an, in das Bild hinein. Doch die Nähe führt zum Gegenteil: anstatt mehr zu erkennen, deutlicher zu sehen, nimmt er immer weniger wahr und verliert sich in der Abstraktion. Die Verschlüsselung, das Geheimnis nimmt zu. Rätsel über Rätsel. Auch die dargestellte Geschichte entzieht sich dadurch völlig. Sie wird unlesbar. Realität und Abstraktion verwischen ineinander und lösen sich auf.

7. Mein nächstes Projekt…
Mein nächstes angedachtes Projekt wäre eine relativ konsequente, sture, auf einen Dialog der Möglichkeiten abzielende, Präsentation der kleinformatigen Porträts. Das stelle ich mir sehr überzeugend und spannend vor. Als Block oder als Reihung. Derzeit arbeite ich hierfür auch noch an etwas größeren Porträts.

8. Gute Kunst ist für mich…
 „Gute Kunst“ ist für mich alles, was ich die ganze Zeit zu beschreiben versuche. Aber wer will das so genau bestimmen? Geht das überhaupt. Ich suche, forsche, entdecke, finde… Was es vorher so noch nicht gab. Vielleicht ist das sogar neu! Brauchte jemand Mondrians Farbfeldkompositionen oder Mattisses Scherenschnitte? Sie waren einfach da. Sie waren neu. Sie beeinflussten. Unsere Sicht. Unsere Wahrnehmung. Sie wurden Teil der Welt. Einfach so. Ohne Auftrag . Ohne Grund. Nur so. Deshalb brachten sie uns weiter. Zweckfrei. Akzeptiert. Tatsächlich

© Interview: Andreas Lau, Galerie Supper Fotos: Mike Meyer, VG Bildkunst Bonn 2021