Humba-Humba, Pfeifer und Trommler

Harald Schwiers im kunstportal-bw

In der vergangenen Saison/Session war es nix mit Fasching, Fas(t)nacht oder Karneval und im ersten Jahr nach Corona (1. n. C.: 2020) fiel die Tradition aus Volksbelustigung und Mummenschanz schon diversen Verboten zum Opfer. Ob es jemals wieder Umzüge mit Hexen, schrägen Musikgruppen oder Motivwagen mit politischen Anspielungen geben wird, das allein wissen die Chaos-Minister (zumindest hierzulande); in Brasilien hingegen tat man so, als wäre nichts. Aber das ist dort staatlich verordnet.

Manuel Andrack, gebürtiger Kölner und damit per se zum Karneval mit Bützkens verdonnert, bekannt als einstiger Stichwortgeber oder Reinschwätzer (nhd.: Sidekick) von Harald Schmidt, verdankt sein Leben indirekt dem närrischen Treiben. Seine Eltern lernten sich beim Fasching kennen. Er ist also prädestiniert, das Narrsein aufs Schild zu heben und der Spur als Wanderer zwischen ver-rückten (sic!) Kulturwelten nachzugehen. Schließlich ist Wandern bekanntlich auch eine der Passionen Andracks.

Sein Weg führt ihn in 30 Kapiteln quer durch die Republik und angrenzende Gebiete, vom Basler Morjestraich mit Pfeifen und Trommeln über die ur-alemannischen Bräuche zu den Rottweilern mit wunderbaren Larven, über Humba-Humba-Täteräää-Meenz mit seinem singenden (?) Dachdeckermeister („Heile, heile Gänssche“), dem Humor in Franken und München oder in Villach und Venedig natürlich zu viel Köln, Düsseldorf und Aachen (bekannt als Ösche). Man staunt, wo nicht überall so etwas ähnliches wie Fasnacht oder Fasching gefeiert wird oder es ein Narrengericht gibt.

Andrack schreibt süffisant, wie man ihn so kennt und verdeutlicht damit auch, dass es ihm nicht nur um das Archivieren eines möglicherweise bald coronabedingten Aussterbens eines teilweise sehr seltsamen Brauchtums geht; er, der keine „Pappnase“ ist, zeigt auch, dass die Teilnahme an derlei Frohsinns-Festivitäten nicht nur von Alkohol und dem Über-die-Stränge-schlagen geprägt sein, sondern auch eine Lebenseinstellung bedeuten kann. Sehr bemerkenswert, auch für „normale“ Menschen.

Manuel Andrack, Mein Jahr als Narr, ISBN: 978-3-423-26276-7, dtv, 335 S.,18