Buchtipps von Uli Rothfuss im kunstportal-bw
Freiheit ist in aller Munde, gerade in dieser Zeit, in der Freiheiten scheinbar beliebig beschränkt werden können, und ein Großteil der Bevölkerung unwidersprochen folgt wie das Lamm den vorangehenden Schafen. Ein spannendes Buch zum Thema haben Roland Bernecker und Ronald Grätz nun vorgelegt, sie widmen sich der Frage Kultur und Freiheit, und hier wiederum insbesondere der Krise – von Kultur und von Freiheit; und der Kultur wie der Freiheit zum einen in der Krisensituation, aber auch der Krise zwischen Kultur und Freiheit zu einander.
Es ginge erst einmal, bevor man über weiteres nachdenkt. darum, die Begriffe zu klären. Was soll hier, in diesem Zusammenhang, unter Kultur verstanden werden, was unter Freiheit. Und, natürlich, wie stehen die beiden in Beziehung zu einander? Die beiden Herausgeber haben selbst nachgedacht, in einem lesenswerten Vorwort, und sie haben Beiträger zum Thema in der ganzen Breite aquiriert, und diese beleuchten die Verhältnisse von Freiheit und Kultur zueinander aus unterschiedlichsten Perspektiven. Und, so entsteht ein Mosaik des Gesamtthemas, das am Schluss doch so etwas wie Ergebnisse zeitigt – nämlich, dass gerade in der Krise auch die Lösung liegen kann.
Eine der Voraussetzungen der Freiheit sei der Mut, das auszuhalten, was einem in dieser Freiheit begegnet – schreiben die Herausgeber in ihrem Vorwort; und die Bewusstwerdung dessen, nach Camus, ist eine kulturelle. Nach Isaiah Berlin gibt es zwei Begriffe von Freiheit: negative, und positive Freiheit. Die negative als die Freiheit von äußeren Zwängen, Grundlage des Gesellschaftsverständnisses der Liberalen – bietet offene Räume für künstlerische Arbeit. Positive – das nicht Vorhandensein von Gründen zur Beschränkung, solange niemand Schaden entsteht. „Man wird nicht gehindert, etwas zu tun, das man aus eigener Entscheidung tun will.“ – Gebunden an ethische und politische Fragen.
Die Frage ist, wohin die Reise geht. Es reiche nicht aus, dass man in Ruhe gelassen wird, schreiben die Herausgeber. – Es geht darum, eine Kultur der Freiheit zu etablieren, eine gemeinsame Verantwortung, die auf Tugenden basiert – die Herausgeber nennen Vielfalt, Kosmopolitismus und ein tiefes Verständnis von Nachhaltigkeit als Beispiele hierfür.
In den Beiträgen wird auf die Bedrohungen der Kultur eingegangen, zum Beispiel in Polen, wo nichtgenehme Kultur eingeschränkt wird, auf vielen Ebenen, und die intellektuellen Auseinandersetzungen, die sich daraus ergeben, im Land und außerhalb. Und die Auswirkungen der Kultur auf urbanes Leben, auf die Gesellschaft, und wie man sie sich vorstellt – mit direktem Einfluss auf Freiheitsentwürfe.
Kunst brauche Künstlerinnen und Künstler, steht in einem Beitrag, eigentlich selbstverständlich, und, bei genauerem Hinsehen wiederum nicht. Kunst als, welch wunderbare Fomulierung, widerständige Form der Äußerung, der Künstler als der vor-der-Hand Widerständer. Und, Kunst brauche Förderung, im gleichen Beitrag. Förderung, in aller Regel durch staatliche Stellen. – Die damit Widerstände finanzieren. Der Widersinn ist nachvollziehbar, das, ja, wenn man versucht, den tieferen Sinn von Kunst zu verstehen. Und, natürlich, was ist die Sprache der Freiheit? Und damit die Frage, welche Macht Sprache auf Freiheit überträgt.
Es ist ein Buch mit vielen, mit spannenden Anregungen von Autoren aus unterschiedlichsten Disziplinen, zum zentralen Begriff Freiheit, der für uns alle, gerade in einer Zeit der Beschränkung, immens an Wichtigkeit gewinnt. In den Mittelpunkt des persönlichen Wünschens gerät. So kann man, Leserin, Leser, mal etwas dahinter schauen, kann sich und seinen Freiheitsbegriff einordnen, mehr einordnen ins Ganze.
Roland Bernecker, Ronald Grätz (Hg.): Kultur und Freiheit. Beschreibung einer Krise. Brosch, 160 S., Steidl Verlag, Göttingen 2021, 20 €.