Danke. Spasibo. Gedichte von Elizaveta Kuryanovich.
Buchtipps von Uli Rothfuss im kunstportal-bw
Es ist ein sympathisches Buch, und ich halte es eine ganze Weile in der Hand, berühre, ja streichle es zärtlich, so angenehm ist das Cover, ich lese den Titel: Danke – Spasibo, da steht noch lyrisch.e-poeziy.a, lyrische Poesie, darauf bin ich gespannt, auf der Rückseite der Verlagsname: Größenwahn, ja, das macht gespannt, die sehr sympathische Autorin auf dem Bild passt so gar nicht zu dieser Maxime, man wagt den Eintritt in den Kosmos dieser Dichterin.
Es gebe tausende Arten, danke zu sagen – schreibt sie (mir), sie ermuntert zum Lesen, zum aufmerksamen Lesen, auch zwischen den Zeilen – und zwischen den Kulturen. Sie, die Autorin, stammt aus Russland, lebte in Schottland, jetzt in Frankfurt. Sie möchte sachte in ihre Welt führen, sachte, was für ein schönes Wort, ich würde es gerne die Autorin aussprechen hören, wahrscheinlich mit einem anrührenden, dunklen, russischen Akzent.
Sie, Elizaveta Kuryanovich, schreibt eine schlichte, eine eingängige Sprache, eine Sprache, die sich nicht in Kompliziertheiten verhaspelt oder in bemühtem Tiefgang gefallsüchtig ergeht, nein, sondern die, zumeist von dem lyrischen Ich ausgehend, den Leser, den sachte Eindringenden, vorsichtig und doch entschlossen an der Hand nimmt, mitnimmt, in dieses Sprachabenteuer hinein. Sie spielt mit den Sprachen, und es macht Spaß, dabei zu sein, sich mit zu freuen an sprachlichen Stimmigkeiten wie das auf der Straße, Uliza, sein, und Gesichter, viele Liza, sie umspielt auch den eigenen Namen, wundersam, zu sehen. Überhaupt sucht die Dichterin nach Entsprechungen, nach lautmalerischen Stimmigkeiten, nach Übertragungen, und führt uns diese mit Virtuosität vor – fremde Klänge berauschen, schreibt sie, und man spürt ihr Lachen und zugleich Wundern dabei.
Worte als Laute, zuerst einmal, Worte, die aus dem Laut heraus ihre Bedeutung entfalten. Das ist ganz Dichtersein, ganz die Sprache ernst nehmen – diese auch in ihren Bedeutungen hinter dem Vordergründigen zu erforschen. Man lese das Gedicht Kyril Liza laut, und weiß, was damit gemeint ist, dieses ewige Wiederholen des Gleichen, bis sich ein Rhythmus ergibt, der mir die Welt hinter dem Laut erschließt. Oder im Gedicht Abstände, in dem die Abstände zwischen den Wörtern betrachtet werden. Und dann der Bruch, der stimmige, der logische, der sich anschließende: Im Text sind sie immer gleich,/ im Leben nicht. – Bis wir zum Schluss hingeführt werden: Zwischen den Wörtern/ .. ahne ich. Ja. Das genau ist es – eine Ahnung zu erfahren über die Bedeutung von Wörtern, von Lauten, – und von Abständen. Gesprochenes ist/ niemals körperlos// Spüre wie/ ein Wort die Welt/ zusammenhält. Wunderbar. Wunderbar in der Schlichtheit des Ausgedrückten und in der unergründlichen Tiefe der Bedeutung. Eliza Kuryanovich beherrscht, dies in ihrer Vielschichtigkeit, auszuloten – und erkennt, dass gerade die Lyrik sich dazu eignet wie kaum ein anderes Mittel. Hinzu kommt das Erlebnis der kulturellen Begegnung – in Sprache, ganz nachvollziehbar und erlebbar, aber auch subtil in Inhalten, wenn sie mit ihren Erfahrungen als Welterleberin spielt. Und damit hat dieser Gedichtband auch eine immens zeitgemäße, gesellschaftlich bedeutsame Dimension.
Sie nimmt durchaus Bezug auf Konkretes – auf Orte, auf Landschaft, und stellt diese in Beziehung zu erinnerten Bildern, zu Sprache; oft mit einem Augenzwinkern als Resumée, das wiederum das Umgehen mit Sprache, mit deren Möglichkeiten, ermöglicht. Es gibt kaum ein Thema, das sich der Dichterin entzieht, seien es Natur, oder Sport, die Banken, Paläste hypermodern in ihrer neuen Heimat, und dann lakonisch der Zwischenruf: … er fragt sich, was er hier macht// Er muss weg …
Sie arbeitet Gegensätze heraus, wie im Gedicht Fremdfurt, zwischen Bankenpalästen und Managerleben und dem Rezept der Oma, natürlich von Hand geschrieben, nicht bemüht, nicht auf Effekt abgezielt, und doch so, dass jeder versteht. Ein wenig ihr Motto: Wusstest du/ dass man alles/ zueinander/ dichten kann? – alles zueinander dichten, das ist schon irgendwie die Essenz dieser Gedichte, nicht bemüht, sondern so spielerisch wie von selbst ergibt sich dieses Zusammenkommen des Vielen, des Vielfältigen, das uns umgibt, im Täglichen und zugleich in meinem ganz persönlichen Erleben und Leben. Ja, es sind – und so auch ein Gedicht: Skyline Tagtraum – sich durchaus Tagträume, an denen Eliza Kuryanovich uns teilhaben lässt – viel zu kurz/ das Flüchtige/ das Leben selbst.
Man möchte sie Liebesgedichte bezeichnen, im hinteren Bereich des Buches, auch wenn sie es wiederum so direkt nicht sind. Wunderbar: Ros.e, zart und zärtlich, voller Wandlung und doch sanfter Hingezogenheit, der Protagonisten im Gedicht und des Lesers hinein in das Gedicht, mit dem Schlussvers: zum Lieben verurteilt, erfüllende Poesie und Dramatik in einem. Dürfte ich ein Gedicht wählen – dieses wäre es. Selbst in die Trennung hinein, die Eliza nicht ausspart, ist die Sprache Werkzeug der sich entfernenden Liebe, in Nuancen, mit Andeutung von Hoffnung und Verzagen, so anmutend, sacht – Worte, die die Dichterin mir sagt, wie es nur Sprache, nicht einmal Berührung oder Fast- oder Nicht-mehr-Berührung kann.
Die Lektüre dieses Gedichtbandes und das Eintauchen in die Sprachgefühlswelt dieser Dichterin ist ein Erlebnis ganz eigener Art; man taucht wieder auf, um Erkenntnisse der Sprache, der Fähigkeit der Sprache, reicher, aber zugleich erfüllt von einem Gefühl, dass ein Leben ohne die Spielarten, ohne die Differenzierungen, ohne das Geben und Nehmen im Austausch, zwischen den Sprachen, ab jetzt kein richtiges mehr ist.
Kuryanovich, Elizaveta: Danke. Spasibo. Gedichte. Geb., 206 S., Frankfurt/M. 2019, 16,90 €.