Kapitel VII – IX: ma halblang | eigentlich | was Vernünftiges…
XII: | ma halblang
time to run? – nein: Mach ma halblang
noch als Teenager war ich auf der Vogelstang und seinerzeit haben wir ständig Pink Floyd gehört. Wir konnten so ziemlich alle gängigen Titel einfühlsamst (two of lost souls swimming in a fish bowl, year after year)… mitsingen und haben doch kein Wort verstanden, wobei sich hierbei weitreichende Dummheit und (großenteils noch) nicht vorhandene Englischkenntnisse auf das Feinste ergänzten.
Ich muss es ausführlich zitieren, weil es einfach zu gut ist:
(Pink Floyd: Time)
Tired of lying in the sunshine staying home to watch the rain.
You’re young and life is long and there is time to kill today.
And then one day you find, Ten years have got behind you
No one told you when to run – you missed the starting gun.
Auf der Vogelstang aber gab es keinen Startschuss, den man überhören hätte können.
Unkorrekterweise, aber doch zeitgeistgemäß hörten wir damals selbstredend auch (ständig und verdammt laut) die Sex -Pistols, die unsere damalige Welt treffend beschrieben: No Future.
Genau das war damals die Stimmung auf der Vogelstang. In dieses Flair passten der gesamte Ortsteil allgemein und mein Zuhause in der Brandenburger Strasse war womöglich sogar die Avantgarde:
Denn immer , wenn ich (irgendwas, völlig egal) starten wollte, hieß es seitens der Eltern: Jetzt mach doch mal lieber langsam, Junge, jetzt mach
ma halblang
VIII: | eigentlich
Mannheim feiert, ein Straßenfest in der Neckarstadt
Alles ist da: Bratwurst, Pommes, Bier vom Fass.
Live-Musik sogar.
Aber wir gehen nicht zu nahe an die Bühne, da ist es doch
viel zu laut.
Clowns und kleinere “Fahrgeschäfte“ für die Kinder, Zuckerwatte, Pommes.
Hektik und Lärm wie es sich gehört
Noch ‘ne Portion Pommes, warum auch nicht
man bleibt cool.
Irgendwann merkt man, dass man – eigentlich – schon lange
müde ist.
Und geht am Ende heim, als ob nichts gewesen wäre.
Ja war ja auch nichts –
Eigentlich…
IX: | was Vernünftiges…
Abitur gemacht, und noch immer auf der Vogelstang. Hat dort jeder bekommen, der die 13 Jahre irgendwie durchgehalten hat
Na und, was willste mal werden?
Ja, das weiß ICH doch nicht!
Vater wusste es, er kannte sich aus und wußte was gut – und vernünftig – ist. Betriebswirtschaftslehre, Berufsakademie (heute ist das die “Duale Hochschule“).
Diplom-Betriebswirt oder so, mein Vater wusste recht genau, wo ich hin sollte oder wohin ich sollte. Was ich aber nicht wollte.
Vielleicht, denke ich heute manchmal, wenn es geschäftlich mal wieder überhaupt nicht läuft und mir bewusst wird, dass ich mich womöglich völlig verzettelt habe mit meinen Berufsweg, vielleicht, ja scheiße, vielleicht hatte er sogar recht gehabt.
Geradeaus gehen, wissen wo man steht, wissen wo es hingeht, keine großen Zweifel, und, das ist gut, auch keine große Anstrengung: ich hatte dann die Aufnahmeprüfung gemacht und war ganz vorne dabei. Von Anfang an hätte es auch Geld gegeben vom Betrieb.
Doch mein Weg war nicht geradeaus, eher so ein Hexenstichmuster mit vielen Schnörkeln, kreuz und quer, aber jedenfalls entschlossen und mit Vollgas.
Alles und mehr habe ich mir zugetraut, wie viele andere auch in dieser Lebensphase, in der man sich noch unsterblich fühlt. Die anderen aber, die meisten jedenfalls, kamen irgendwann zur Vernunft.
Ich habe stattdessen Geisteswissenschaften (Politik, Philosophie) studiert und mich viel später, mit 32 Jahren erst, selbständig gemacht und anfangs, natürlich, keinen Pfennig verdient.
Ich habs Dir ja gesagt, meinte mein Vater: mach besser
was Vernünftiges!